In verschiedenen europäischen Ländern erinnern Stolpersteine im Straßenpflaster an Menschen, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, weil sie nicht in deren rassistisches, politisches und ideologisches Weltbild passten. Dass die Messingplatten in einer Metallwerkstatt auf dem Künstlerhof im Berliner Ortsteil Buch (Bezirk Pankow) hergestellt werden, ist außerhalb der Stadt kaum bekannt. Mehr als 33 000 solcher Inschriften seien bereits quer durch Europa verlegt worden, sagt Metallbildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender und nennt Länder wie Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Slowenien, und Tschechien, in denen diese Art der Erinnerung gut angenommen wird. Vor ihm liegen sauber aufgereiht Stahlpflöcke mit gravierten Buchstaben und Zahlen. Mit kräftigem Hammerschlag überträgt der Künstler akkurat die Namen und Lebensdaten der Menschen und die Stätten ihres Sterbens auf das goldglänzende Blech. Immer wieder wird Auschwitz genannt, es kommen aber auch Angaben über Tötungsanstalten vor, in die so genannte Erbkranke eingeliefert wurden. Da und dort ist „Flucht in den Tod“ als Hinweis auf Selbsttötung angesichts der bevorstehenden Deportation in die Vernichtungslager zu lesen.
Michael Friedrichs-Friedlaender weiß, dass ein Mensch erst dann vergessen ist, wenn man seinen Namen vergessen hat. „Dagegen etwas zu tun, ist für mich eine wichtig. Die Texte bekomme ich von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, der die Aktion vor fast 20 Jahren gestartet hat, und der wiederum erhält die Angaben über die NS-Opfer von Bürgerinitiativen, Schulen, Universitäten und natürlich auch von Hinterbliebenen. Demnig ist die Seele und der Motor dieses Gedenkens. Ich habe für ihn schon über 26 000 Stolpersteine angefertigt“, sagt der Metallkünstler, der gerade eine Serie Stolpersteine bearbeitet, die in Italien ausgelegt werden sollen. Die Ortsangabe FOSSE ARDEATINE weist darauf hin, dass an Opfer eines von der deutschen Sicherheitspolizei im März 1944 durchgeführten Massakers in den Ardeatinischen Höhlen unweit von Rom erinnert wird.
Sechs Tage in der Woche fertigt Michael Friedrichs-Friedlaender die Stolpersteine an. „Ich leide an dieser Arbeit, denn hinter jedem Namen, Datum und Ort stecken schmerzliche Schicksale. Irgendwie sind sie auch in meinen Kopf eingestempelt, und manchmal muss ich eine Pause machen und an meinen Metallskulpturen arbeiten. Ich sehe aber, dass das eine notwendige Tätigkeit ist, eine ganz praktische und auch allgemeinverständliche Form der Geschichtsbewältigung, die nicht viel Worte macht, aber viele Menschen überzeugt.“
In der Werkstatt auf dem Bucher Künstlerhof, nicht weit von der Schlosskirche entfernt, stehen mehrere Paletten mit blank polierten Stolpersteinen zum Abtransport bereit. Jeder einzelne wiegt schwer in der Hand, denn die Bleche sind fest mit Würfeln aus Beton verbunden. In wenigen Wochen wird Gunter Demnig sie verlegen, und dazu ist ihm kein Weg zu weit.
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