„Endlösung der Judenfrage“ in Wannseevilla besprochen - Am 20. Januar 1942 wurden die Mordpläne der Nazis konkretisiert / Historikerkonferenz klärt weitere Details



In der Wannseevilla werden mit einer Dauerausstellung Etappen der Judenverfolgung, beginnend im 19. Jahrhundert und endend mit dem Untergang des Nazireiches, dokumentiert.



Die Villa am Berliner Wannsee, in der im Januar 1942 Einzelheiten für die Ermordung von Millionen Juden besprochen wurden, ist seit 20 Jahren Gedenk-, Bildungs- und Forschungsstätte. (Fotos: Caspar)

Waren bis zum Zweiten Weltkrieg Juden im Deutschen Reich massiver Verfolgung und Ausgrenzung ausgesetzt, so gingen die Nationalsozialisten nach dem 1. September 1939 in den von der Wehrmacht okkupierten Ländern zur „Endlösung der europäischen Judenfrage“ über. Während die massenhafte Ermordung der Juden bereits im vollen Gange war, kamen am 20. Januar 1942 hohe Ministerialbeamte, Nazifunktionäre und Sicherheitsleute in einer großbürgerlichen Villa am Großen Wannsee im Bezirk Zehlendorf zusammen. Was vor 70 Jahren in der neunzigminütigen Besprechung unter Vorsitz des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich erörtert wurde, wurde in einem von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann verfassten Protokoll vermerkt. Das geheime Dokument kam 1947 ans Tageslicht.

Mitarbeiter der vor 20 Jahren eröffneten Gedenkstätte in der Wannseevilla laden am 20. und 21. Januar 2012 zu einer Konferenz zum Thema „Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die Wannsee-Konferenz“ ein und erwarten von ihr neue Erkenntnisse über dieses besonders blutige Kapitel der neueren deutschen und europäischen Geschichte. Die Fachleute befassen sich unter anderem mit den Zusammenhängen von Zwangsarbeit und Holocaust, aber auch mit der Frage, wie sehr deutsche Ministerialbeamte, Diplomaten und Wirtschaftsführer am nationalsozialistischen Massenmord beteiligt waren. Überdies findet in der letzten Januarwoche in der Wannseevilla ein Theaterprojekt statt, in dessen Mittelpunkt Lebensgeschichte und Verbrechen der einzelnen Tagungsteilnehmer vom Januar 1942 stehen.

Im Eichmann-Protokoll ist eingangs von der „Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes“ und davon die Rede, das hunderttausende Juden „zur Auswanderung gebracht“ wurden, worunter die zwangsweise Deportation mit dem Ziel der Ermordung verstanden wurde. In Eichmanns Aufzeichnungen heißt es weiter, nach Kriegesbeginn sei „die Evakuierung der Juden nach dem Osten“ als Mittel zur Lösung der Judenfrage getreten. „Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund elf Millionen Juden in Betracht“, heißt es in dem Protokoll. Das bedeutete nichts anderes, als dass elf Millionen Menschen ermordet werden sollten. Wegen des Kriegsverlaufs wurde diese gigantische Zahl nur zur Hälfte erreicht.

Wie Eichmann, der „Spediteur des Todes“, 1961 vor dem Gericht in Jerusalem erklärte, sei während der Besprechung in unverblümten Worten von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen worden. Für die Konferenzteilnehmer war die Ermordung der „jüdischen Untermenschen“, wie es im NS-Jargon hieß, so selbstverständlich, dass das konkrete Vorgehen im Protokoll nicht extra vermerkt wurde. Es ist lediglich von Umschreibungen wie Evakuierung, Behandlung, natürlicher Verminderung, Ausfall, Überstellung oder straßenbauenden Arbeitseinsätzen die Rede. In langen Zahlenkolonnen listet das Protokoll auf, wer unter welchen Bedingungen davon betroffen ist, und es wird von den Sitzungsteilnehmern auch darauf hingewiesen, dass alles unternommen werden muss, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen, also die Mordpläne zu kaschieren und ideologisch zu rechtfertigen.

Die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz ist bei freiem Eintritt täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, die Bibliothek/Mediothek ist Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen finden am Wochenende jeweils um 16 und 17 Uhr statt, bei Gruppenführungen und Seminaren wird um die Anmeldung unter 030/8050010 gebeten. Weitere Informationen im Internet unter www.ghwk.de.

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