Geprägte Form, die lebend sich entwickelt - Neue Ausstellung in Frankfurt am Main über Goethe und das Geld



Der Weimarer Dichter, Minister und Sammler ist auf zahlreichen Medaillen dargestellt, dieses Frankfurter Silberstück anlässlich seines 150. Geburtstags ist ein Werk von Hugo Kauffmann aus dem Jahr 1899. (Repro: Caspar)

Johann Wolfgang von Goethe hatte ein intensives Verhältnis zum Geld. Als Minister war er für den Staatshaushalt des kleinen Weimarer Herzogtums und für Steuern zuständig, doch kümmerte er sich auch um den ständigen Fluss der Einkünfte aus seinen Veröffentlichungen und wandte darüber hinaus viele Taler und Dukaten für seine Kunst- und naturwissenschaftlichen Sammlungen und seine Bibliothek auf. Dieser großartige, mit hohem finanziellem Einsatz geschaffene Besitz blieb dank günstiger Umstände in Weimar erhalten und ist publiziert. Jetzt geht eine neue Ausstellung im Goethehaus zu Frankfurt am Main der Frage nach, wofür der Geheime Rat sein Geld ausgab, was er von alten und neuen Münzen hielt und welche Bedeutung er den damals modern werdenden Geldscheinen beimaß. Die Schau schildert darüber hinaus, welche Wünsche der vielseitige Künstler, Naturwissenschaftler und Politiker an die Ökonomie hatte und wie er diese in seinem literarischen Werk sowie in unzähligen Briefen dokumentiert hat.

Die mit interessanten Zeugnissen der Münz-, Geld-, Wirtschafts- und Industriegeschichte bestückte Ausstellung 180 Jahre nach Goethes Tod würdigt eine wenig bekannte Facette in Goethes Werk, und sie wirft ein interessantes Schlaglicht auf Ereignisse und Meinungen zur Zeit der frühen Industrialisierung. Sie erinnert die Besucher an den täglichen Wahnsinn im Umgang mit Geld in der Goethezeit, als man bei Reisen zahlreiche Staats- und Zollgrenzen passieren und seine Münzen immer wieder in neue Währungen umwechseln musste. Ein kiloschwerer Geldgürtel in der Ausstellung, eine kleine Auswahl von Münzen der Goethezeit sowie Grafiken, Bücher und Briefe machen begreiflich, warum kluge Leute damals alles daran setzten, die sehr teure, umständliche und der wirtschaftlichen Entwicklung hinderliche Zersplitterung im Geldwesen sowie bei den Maßen und Gewichten zu überwinden, wobei Bezüge zu aktuellen Vorteilen und Risiken der in eine existenzielle Krise geratenen Gemeinschaftswährung Euro nicht zu übersehen sind.

Während seiner italienischen Reise vom September 1786 und Mai 1788 kam der junge Goethe unter anderem mit antiken Münzen in Berührung und war gleich Feuer und Flamme. Nachdem er welche in Palermo gesehen hatte, notierte er enthusiastisch: „Welch ein Gewinn, wenn man auch nur vorläufig übersieht, wie die alte Welt mit Städten übersäet war, deren kleinste, wo nicht eine ganze Reihe der Kunstgeschichte, wenigstens doch einige Epochen derselben uns in köstlichen Münzen hinterließ. Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüthen und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles mehr hervor. Der Glanz sicilischer Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch hervor“. Dank guter finanziellen Möglichkeiten, aber auch vielfältiger Verbindungen bis nach Italien, Frankreich und in andere Länder war Goethe beim Aufbau einer eigenen, etwa 4000 Stücke umfassenden Münzen- und Medaillensammlung erfolgreich. Er hinterließ viele schöne Gedanken und Sprüche über den „numismatischen Talisman“, und Äußerungen von Freunden und Besuchern ist zu entnehmen, dass Unterhaltungen über Münzen und Medaillen sowie das Betrachten und Einordnen seiner Schätze zu Goethes Tagesablauf gehörten. Es war eine besondere Auszeichnung, wenn er Besuchern seine am Weimarer Frauenplan untergebrachten Schätze zeigte. Vom Nutzen der Beschäftigung mit Münzen und Medaillen überzeugt, betonte Goethe 1814 gegenüber dem Kanzler Friedrich Theodor von Müller, der Mensch mache sich nur irgend eine würdige Gewohnheit zu eigen, an der er sich die Lust an heiteren Tagen erhöhen und in trüben Tagen aufrichten könne. „Er gewöhne sich z. B. täglich in der Bibel oder im Homer zu lesen, oder eine Medaille oder schöne Bilder zu schauen, oder gute Musik zu hören. Aber es muss etwas Treffliches, Würdiges sein, woran es sich so gewöhne, damit ihm stets und in jeder Lage der Respekt dafür bleibe“. In den „Urworten, orphisch“ gab der Dichter seiner Meinung über numismatische Ewigkeitswerte so Ausdruck: „Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt / Geprägte Form, die lebend sich entwickelt“.

Die Ausstellung im Frankfurter Goethe-Haus am Großen Hirschgraben 23-25, 60311 Frankfurt am Main, zu der auch ein Buch erschienen ist, läuft bis zum 31. Dezember 2012 und ist Montag bis Samstag von 10 bis 18 Uhr sowie am Sonntag von 10 bis 17.30 Uhr geöffnet.

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