Geraubt und wieder gefunden - Ausstellung in der Neuen Synagoge zeigt Bücher von verfolgten und ermordeten Juden



Geraubte und wieder gefundene Bücher stehen im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung in der Neuen Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Die Schautafeln sind um eine Marmorbüste des berühmten Philosophen Moses Mendelssohn angeordnet. (Foto: Caspar)

Die Zentral- und Landesbibliothek und das Centrum Judaicum zeigen bis zum 31. August im Repräsentantensaal der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße im Berliner Bezirk Mitte unter dem Titel „Geraubt und genutzt“ Bücher aus jüdischem Besitz, die von den Nationalsozialisten nach 1933 geraubt wurden. Unzählige Bücher blieben im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht besetzten Ländern in den Wohnungen von Juden zurück, die in die Vernichtungslager deportiert wurden. Wie Möbel, Kleidung, Hausrat und andere Gegenstände wurden die Bücher beschlagnahmt und verwertet, wie man damals sagte. Das gleiche Schicksal erlitten komplette Bibliotheken verbotener Parteien, Logen und Vereine, die ebenfalls von den Nationalsozialisten geplündert wurden. Profiteure des groß angelegten Raubzugs waren deutsche Bibliotheken, die sich die Bestände wie selbstverständlich einverleibten und über sie in den folgenden Jahrzehnten den Mantel des Schweigens breiteten. In mühevoller Sucharbeit konnte in der Berliner Stadtbibliothek und anderen Sammlungen ermittelt werden, wem solche Bücher gehörten und wo die Nachkommen der ursprünglichen Besitzer wohnen, die überglücklich die Erinnerungsstücke entgegen nahmen. Die Zuordnung war aufgrund von Exlibris sowie handschriftlichen Vermerken und einer den ganzen Globus umfassenden Sucharbeit möglich. Zugleich zeigt die Dokumentation, dass das erst vor einigen Jahren entdeckte Thema NS-Raubgut weit mehr umfasst als spektakuläre Fälle von berühmten Gemälden, die oftmals erst nach gerichtlichen Auseinandersetzungen an ihre rechtmäßigen Besitzer beziehungsweise deren Nachkommen zurück gegeben wurden. Da das Thema noch lange nicht erforscht und ausgeleuchtet ist, erhoffen sich die Aussteller von ihrer Dokumentation, dass weitere von den Nazis geraubte Bücher und andere Kulturgüter ans Tageslicht kommen und an ihre rechtmäßigen Besitzer zurück kehren können.

Eine zweite Ausstellung ein paar Schritte weiter ebenfalls in der Neuen Synagoge zeigt bis zum 24. September unter dem Titel „...auf dem Dienstweg“, wie unmittelbar nach Hitlers „Machtergreifung“ in Berlin der öffentliche Dienst von Personen gesäubert wurde, die nicht ins politische und rassistische Konzept der Nationalsozialisten passten. Zu den zwangspensionierten Männern und Frauen gehörten hohe Verwaltungsbeamte ebenso wie kleine Angestellte. Betroffen vom so genannten Arierparagraphen und politischer Diskriminierung waren Professoren, Polizisten und Pförtner, aber auch Lehrer und Bibliothekare und viele andere Berufe. Viele ihnen standen vor dem Aus, hatten kein Einkommen mehr und waren von tagtäglicher Schikane und wachsender Ausgrenzung betroffen. Manchen gelang die Flucht, viele resignierten und nahmen sich das Leben. Die Ausstellung zeigt überdies eine besonders widerliche Seite der Deklassierung unzähliger Menschen durch Denunziation, nachzulesen an Schreiben an Hitler, die Gestapo und an andere Stellen, und wie es sich stramme Parteigenossen auf leer gewordenen Posten breit machten. Die Ausstellungen können von Montag, Dienstag, Mittwoch und Dreitag von 9 bis 15 Uhr, und am Donnerstag von 9 bis 18 Uhr besichtigt werden. das Buch zur Ausstellung „…auf dem Dienstweg. Die Verfolgung von Beamten, Angestellten und Arbeitern der Stadt Berlin 1933 bis 1945“ erschien im Verlag Hentrich & Hentrich und kostet 17,90 Euro.

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