Ehrung für couragierte Professoren - Niedersächsischer Landtag erinnert in Hannover an die „Göttinger Sieben“



Nach ihrer Maßregelung durch den König gehen die Göttinger Sieben einer unsicheren Zukunft entgegen.



Der Bildhauer verzichtete darauf, seinen Figuren vor dem Landtag in Hannover authentische Gesichtszüge zu geben.



Isoliert von der Gruppe der Aufrechten und Verfassungstreuen reitet unberührt König Ernst August von Hannover, ein finsterer Despot, der zu Lebzeiten den ganzen Zorn der geistigen Eliten in Deutschland auf sich gezogen hat und daher in der Geschichtsschreibung nicht gut beurteilt wird. (Fotos: Caspar)

Eine der ersten Amtshandlungen des Königs Ernst August von Hannover war nach der Thronbesteigung im Jahre 1837 die Beseitigung liberaler Errungenschaften, die unter seinem Vorgänger Wilhelm IV. eingeführt worden waren. Ernst August setzte das Staatsgrundgesetz von 1833 außer Kraft, entband seine Beamten vom Eid auf diese Verfassung und löste die Ständeversammlung auf. Der Monarch, dessen Reiterdenkmal vor dem Hauptbahnhof der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover steht, errichtete eine Alleinherrschaft, und dagegen regte sich Protest. Sieben Professoren der Universität Göttingen fühlten sich weiter an ihren Diensteid gebunden und forderten in einer „Untertänigsten Vorstellung“, dass der König von seinem offenkundigen Rechtsbruch Abstand nimmt und verwiesen darauf, dass er bei seiner Thronbesteigung noch davon gesprochen hatte, an der Landesverfassung unverbrüchlich festzuhalten.

Unterzeichner der Petition waren der Jurist Wilhelm Eduard Albrecht, der Historiker und Staatsrechtler Friedrich Wilhelm Albrecht, der auch Mitverfasser der Staatsgrundgesetzes von 1833 war, der Orientalist Heinrich Ewald, der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus, die Germanisten Jacob und Wilhelm Grimm, die wir durch das Deutsche Wörterbuch und ihre berühmte, vor 200 Jahren veröffentlichte Sammlung der Kinder- und Hausmärchen kennen und nach Berlin gingen, sowie der Physiker Wilhelm Weber. An ihn und den Mathematiker Carl Friedrich Gauß erinnert ein 1880 in Göttingen aufgestelltes Doppelstandbild. Der Monarch war über die, wie Dahlmann schrieb, „Protestation des Gewissens“ empört. Er sah in ihr einen unzulässigen Angriff auf sein Gottesgnadentum und entließ die Professoren aus ihren Ämtern. Dahlmann, Jacob Grimm und Gervinus wurden überdies des Landes verweisen, weil sie sich erlaubt hatten, ihre Eingabe öffentlich zu machen.

In die Geschichte gingen die Göttinger Sieben als Vorbilder für persönlichen Mut und den unbedingten Willen, Rechtsauffassungen zu verteidigen, auch wenn es das Amt und vielleicht noch mehr kosten würde. Der Niedersächsische Landtag hat ihnen ein Denkmal gewidmet, das nicht nur an ein wichtiges Ereignis der deutschen Verfassungsgeschichte erinnert, sondern auch zeigt, dass die mutige Initiative der Göttinger Sieben ein Markstein auf dem Weg für ein erstes gesamtdeutsches Parlament war, das 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat. Zugleich betont das Monument vor dem Landtagsgebäude die Bedeutung von Zivilcourage. 1987 wurde in der Aula der Georg-August-Universität in Göttingen eine Gedenktafel für die Göttinger Sieben angebracht, 1988 folgte eine weitere im Niedersächsischen Landtag in Hannover. 1998 wurde vor diesem Gebäude ein von dem italienischen Bildhauer Floriano Bodoni gestaltetes Bronzedenkmal enthüllt, dessen Finanzierung durch ein breites Bürgerengagement ermöglicht wurde.

Das Monument besteht aus einem sechs Meter hohen, halb geöffneten Portal, um das die Göttinger Professoren sowie König Ernst August hoch zu Ross und ein Student gruppiert sind. Die des Landes verwiesenen Gelehrten steigen außerhalb des Tores die Treppen hinab und gehen ins Exil. Ob es ihnen die ersehnte Freiheit und neue Entfaltungsmöglichkeiten bringt, steht dahin, denn wo wurden in ihrer Zeit schon die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, der Wunsch nach Mitbeteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten, die Freiheit der Lehre und der Verzicht auf Zensur respektiert? Andere Professoren warten hinter der Tür ab, stehen quasi weiter unter der Knute des Königs. Der Bildhauer verzichtete darauf, den in faltenreiche Gewänder gehüllten Gestalten mit nackten Füßen authentische Gesichter zu geben, obwohl es reichlich historisches Porträtmaterial für sie gibt. Vielmehr porträtierte er sich selber in der Figur von Jacob Grimm sowie ihm nahestehende Personen, bei denen er Parallelen zum Verhalten der historischen Akteure von 1837 sah.



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