„Wir wollen freie Menschen sein“ - Ausstellung berichtet an der Leipziger-/Ecke Wilhelmstraße vom 17. Juni 1953 und den Folgen



Der Kontrast zwischen dem bunten Wandgemälde in der Säulenhalle des Bundesfinanzministeriums, das die Segnungen des Sozialismus und Kommunismus feiert, und der Wirklichkeit, die vor 60 Jahren zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 führte, könnte kaum größer sein. (Foto: Caspar)

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur zeigt in der Säulenhalle des Bundesfinanzministeriums an der Ecke Leipziger Straße/Wilhelmstraße eine Dokumentation zur Geschichte und den Folgen des Volksaufstands am 17. Juni 1953 in der DDR. Der Ausstellungsort könnte nicht besser gewählt sein, denn vor dem damaligen Haus der Ministerien der DDR demonstrierten vor nunmehr 60 Jahren tausende Menschen für freie Wahlen und bessere Lebensverhältnisse sowie den Abzug der sowjetischen Soldaten aus der DDR und die Abschaffung der SED-Diktatur, worauf sie von Panzern der Roten Armee attackiert und zur Aufgabe gezwungen wurden. Die Freiluftausstellung „Wir wollen freie Menschen sein“ schlägt einen Bogen von den bedrückenden Ursachen der Erhebung, die in der Berliner Stalinallee mit der Forderung nach besseren Löhnen und Rücknahme kaum zu schaffender Arbeitsnormen ihren Anfang nahm und binnen weniger Stunden die DDR ergriff, bis zur unbarmherzigen Abrechnung nach der Niederschlagung des Aufstandes, an dem eine Million Menschen in großen und kleinen Städten, aber auch auf dem Land beteiligt waren.

Die Bilder und Texte verdeutlichen die Unbeholfenheit der SED-Führung unter Walter Ulbricht und der von ihr abhängigen Regierung unter Otto Grotewohl, mit der wachsenden Unzufriedenheit in Ostberlin und der übrigen DDR fertig zu werden. Sie zeigt überdies, wie in Absprache mit der sowjetischen Besatzungsmacht versucht wurde, durch schnelle Versprechungen, die Ankündigung des „Neuen Kurses“ und Schuldzuweisungen an imperialistische Mächte die innenpolitischen Spannungen im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ abzubauen. Die Bild- und Texttafeln schildern, wie die hohen Erwartungen, die nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin am 5. März 1953 in die sowjetische Führung und ihre Statthalter in der DDR gesetzt wurden, im Frühjahr und Sommer des gleichen Jahres schwer enttäuscht wurden und zu einem allgemeinen Aufbegehren führten. Gezeigt wird auch, dass die Parteiführung und die DDR-Regierung sehr wohl den Ernst der Lage kannten, aber nicht gewillt waren, auf die Forderungen von unten einzugehen. Statt dessen wurden die DDR-Bewohner mit klassenkämpferischen Parolen und Visionen von einem besseren Leben angespeist und der Westen als Inbegriff des Bösen angeprangert.

Interesse verdient die Art und Weise, wie der mit Waffengewalt und Polizeiterror niedergeschlagene Aufstand, der einzige in der Geschichte der DDR, hüben und drüben aufgearbeitet wurde. Während man den 17. Juni im Westen als gesetzlichen Feiertag beging und ins Grüne fuhr, war im Osten jede Erinnerung an die dramatischen Tage tabu, und wenn man von ihnen sprach, dann hat man sie als faschistischen Putschversuch verteufelt. Kaum war wieder Friedhofsruhe im Lande, da trat die Justiz auf den Plan und verhängte gegen die so genannten Rädelsführer hohe Zuchthausstrafen und sogar Todesurteile. Von den Angeklagten erpresste Geständnisse wurden in den DDR-Medien als Beweis publiziert, dass Altnazis, westliche Agenten, Nato-Kreise, das Ostbüro der SPD, der Westberliner Sender RIAS und andere Kräfte am „Tag X“ einen konterrevolutionären Umsturz in der DDR geplant hatten mit dem Ziel, dort das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Bis zum Ende der DDR herrschte bei den „Führenden Kreisen“ eine panische Angst vor einer Wiederholung des Volksaufstandes, weshalb auch das Ministerium für Staatssicherheit wie ein Staat im Staate massiv ausgebaut und das ganze Land mit einem Spinnennetz von offiziellen und inoffiziellen Spitzeln überzog. Wie die Geschichte lehrt, haben alle diese Vorkehrungen nichts genutzt, und so erfüllten sich in der Wendezeit 1989/90 die Wünsche derer, die am 17. Juni 1953 ihr Leben und ihre Freiheit riskierten.

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