Zerstörte Vielfalt - Berliner Filmmuseum ehrt Künstler, die vom Naziregime verfemt und verfolgt wurden



Plakatsäulen vor dem Filmmuseum, auf dem Potsdamer Platz und an anderen Stellen in der Stadt berichten im Rahmen des Themenjahrs „Zerstörte Vielfalt“, welchen Verlust das geistige und kulturelle Leben in Deutschland nach 1933 erlitten hat. (Foto: Caspar)



Mit dem von Goebbels in Auftrag gegebenen Propagandastreifen „Der ewige Jude“ von 1940 wurde massiv gegen Juden und andere als rassisch minderwertig eingestufte Menschen gehetzt und Stimmung für den Massenmord an ihnen gemacht. (Repro: Caspar)

Unmittelbar nach der Errichtung der NS-Diktatur wurde das Kultur- und Geistesleben in Deutschland „gleichgeschaltet“. Jüdische und andere als politisch „missliebig“ bezeichnete Künstler, Wissenschaftler und andere Personen verloren ihre Arbeit und vielfach auch ihr Leben. Die Tragödien, die sich vor 80 Jahren und später im Bereich des Films abspielten, werden im Museum für Film und Fernsehen an der Potsdamer Straße eindrucksvoll nachgezeichnet. Gezeigt werden historische Plakate, Fotografien, Briefe und Dokumente, aber auch Kostüme und Aufnahmegeräte, und es werden mit Filmausschnitten und Selbstzeugnissen Protagonisten des deutschen und internationalen Films vor und nach 1933 geehrt. Da viele von ihnen Juden waren und sich schon vor Hitlers so genannter Machtergreifung kritisch über die Nazibewegung geäußert hatten, verloren sie ihre Arbeit und nicht selten auch ihr Leben. Wer konnte, verließ Nazideutschland. Manchen machte das Regime Avancen, doch ließen sie sich wie zum Beispiel Marlene Dietrich auf Verlockungen von Propagandaminister Joseph Goebbels nicht ein. Auch andere Künstler bewahrten Distanz zu den braunen Machthabern, während sich die Mehrheit doch allzu willig vor deren Karren spannen ließ und im Zeichen des Hakenkreuzes Karriere machte.

Eines der bekanntesten Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns war der in der Weimarer Republik gefeierte Schauspieler, Regisseur und Kabarettist Kurt Gerron. Weil er Jude war, seine Arbeit verloren hatte und um sein Leben fürchten musste, ging er ins niederländische Exil, wo er weiter als Filmemacher tätig war. Nach Kriegsbeginn geriet er in die Fänge der Gestapo und wurde nach Westerbork gebracht, in das Konzentrations- und Durchgangslager auf dem Weg nach Auschwitz. Wie beim Rundgang durch das Filmmuseum zu erfahren ist, wurde Gerron, inzwischen in das Getto Theresienstadt gebracht, von der SS gezwungen, mit jüdischen Mitgefangenen den pseudo-dokumentarischen Film „Theresienstadt“ zu drehen. Später unter dem Namen „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ bekannt geworden, spiegelt der Streifen friedliches und fröhliches Zusammenleben im Getto und so etwas wie Normalität und gute Versorgung vor, doch war jede Szene eine einzige Lüge. Noch vor dem Ende der Dreharbeiten wurde Gerron mit weiteren Gefangenen, darunter auch viele als fröhlich und zufrieden dreinschauende Statisten agierende Kinder, nach Auschwitz deportiert und ermordet. Kurt Gerron, der sich bei dem Film ganz und gar ins Zeug gelegt hatte, obwohl er seine Problematik kannte, irrte schrecklich, als er hoffte, dass ihn sein Einsatz und der seiner Akteure vor der Deportation ins Vernichtungslager bewahren würden. Im Filmmuseum kann man eindrucksvolle Dokumente zu dem Thema betrachten, außerdem gibt es ein Video, das die Geschichte des Theresienstadt-Films erzählt.

Mitwirkende an den Dreharbeiten, die wie durch ein Wunder das Grauen überlebten, erzählten später, dass ihnen die Arbeit an dem zur Täuschung der Weltöffentlichkeit gedrehten Film geholfen habe, für ein paar Augenblicke die Angst vor dem täglichen Terror der SS und den Todestransporten zu vergessen. Die gleiche Wirkung hätten auch Vorstellungen im Gettokabarett „Karussell“ sowie das Spiel von klassischer Musik und sogar von Jazz gehabt, der im „Altreich“ streng verboten war. Das Museum für Film und Fernsehen ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr und am Donnerstag bis 20 Uhr geöffnet. Das Tagesticket kostet für alle Ausstellungen 7, ermäßigt 5 Euro, freier Eintritt ist donnerstags von 16 bis 20 Uhr. Weitere Informationen im Internet www.deutsche-kinemathek.de.

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"