Ursulataler begeisterte Pilger - Kölner Heiligenlegende wurde im 16. und 17. Jahrhundert auf geprägtem Silber verewigt



Die Heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar als Beschützer der Stadt Köln in der Tracht der frühen Neuzeit und die Heilige Ursula mit ihren Begleitern auf einem Ursulataler, der im frühen 17. Jahrhundert geprägt wurde.



Als Amulette eigneten sich auch die in Kremnitz geprägten Georgtaler und Georgmedaillen, die den in tobender See ruhig schlafenden Christus darstellen und zeigen, wie der Heilige Georg einen Drachen zur Strecke bringt. (Repros: Caspar)

Würde man alle in Kirchen und Klöstern aufbewahrten Splitter vom Kreuz zusammentun, an dem Jesus Christus starb, ergäbe das sicher mehrere Holzkreuze, und auch heiligen Frauen und Männern werden mehr Schädel und Knochen zugeordnet, als sie je besessen haben. Weltliche und geistliche Fürsten legten ihre ganze Ehre darein und gaben viel Geld aus, um sich in den Besitz solcher Reliquien zu bringen und sie in kostbaren Behältern oft aus Gold und Silber aufzubewahren. Die mit edlem Edelstein- und Perlenbesatz geschmückten Reliquiare gehören zu den Spitzenstücken der mittelalterlichen und neuzeitlichen Goldschmiedekunst und sind der ganze Stolz von Kunstgewerbemuseen.

Wer Reliquien besaß, war überzeugt, dass göttlicher Segen auf ihn übergeht und ihm begangene, manchmal auch künftige Sünden vergeben werden. Für einen kleinen Obolus durften fromme Menschen Reliquien berühren, für eine größere Summe gar welche kaufen. Als Andenken dafür, dass man an einer Pilgerreise teilgenommen hat, wurden Abzeichen aus Blei, Bronze oder edlem Metall gekauft, die man heutzutage manchmal bei Ausgrabungen findet. Wer wohlhabend und bedeutend war, kaufte nicht nur einen heiligen Zahn oder einen kleinen Fingerknochen, sondern gleich einen Schädel oder eine Hand, sofern dergleichen gerade im Angebot war. Durch Erwerb von Reliquien konnte man sich nach damaligem Glauben ein paar hundert Jahre Höllenqual ersparen. Den gleichen Effekt trat ein, wenn man einen Ablass von den Sünden erkaufte.

Beliebt als Zeichen dafür, dass man eine Pilgerreise unternommen hat, waren Münzen mit Szenen aus der Bibel beziehungsweise aus dem Leben heiliger Männer und Frauen. Wer solche Prägestücke an einer Kette um den Hals trug, am Hut befestigte oder in einer Tasche verbarg, fühlte sich vor Unglücksfällen, Krankheit und „bösem Blick“ sicher. Diese Eigenschaft schrieb man unter anderem den Mansfelder Georgtalern mit der Inschrift „Bei Gott ist Rat und Tat“ oder auch den in vielen Varianten verbreiteten Kölner Ursulatalern zu. Die im frühen 16. Jahrhundert geprägten Silberstücke zeigen auf der Vorderseite die Heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar, wie sie gleichsam das Kölner Wappen bewachen und segnen. Auf der Rückseite ist die in der Stadt am Rhein besonders verehrte Heilige Ursula in Begleitung von Jungfrauen an Bord eines Segenschiff zu erkennen. Nach der Legende wurden die mit den Jahreszahlen 1512 und 1516 versehenen Gepräge rund um den Kölner Dom an Pilger verkauft. Von ihnen kommen Doppeltaler sowie halbe Taler, Zweidrittelstücke und weitere Werte vor. Ausgaben ohne Jahreszahl sind späteren Datums. Die Vielzahl der Varianten unterstreicht, welch hohen Rang man den Ursulatalern als Amulett und Beweisstück für eine Pilgerfahrt zuschrieb. Dass auf den Ursulatalern auch ein Papst mit seiner dreifachen Krone dargestellt ist, geht auf die Legende zurück, dass dieser mit weiteren Kirchenfürsten an der Rückfahrt von Rom teilgenommen hat.

Als die bretonische Königstochter Ursula einen heidnischen Prinzen heiraten sollte, stellte sie zur Bedingung, dieser möge sich taufen lassen. Außerdem wurde ihm aufgetragen, mit einer Schar von elftausend Jungfrauen eine Wallfahrt nach Rom zu unternehmen. Der Zug der frommen Mädchen mit Ursula an der Spitze fand statt, doch wurde er auf der Rückreise in Köln von Hunnen aufgehalten, die die Stadt am Rhein belagerten. Dabei wurden alle Pilgerinnen getötet; auch Ursula erlitt den Märtyrertod. Dies bewirkte ihre Heiligsprechung, den Bau einer Kirche, Verehrung durch Gemälde und Skulpturen sowie die Prägung der schon erwähnten Münzen.

In dem amüsant zu lesenden Buch „Heilige Knöchelchen schräg betrachtet“ schildern der Theologe Manfred Becker-Huberti und der Spezialist für rheinische Kunst und Kultur sowie Radio- und Fernsehmoderator Konrad Beikircher, was es mit Kölner Reliquien auf sich hat, welchen Stellenwert sie bei gläubigen Rheinländern hatten und haben und mit welchem Eifer die so genannten Knöchelchen gesammelt wurden. Die Autoren fassen ihre Betrachtung über den Kölner Reliquienkult mit dem Ratschlag an die Leser so zusammen: „Du sollst Deinen Glauben an Gott nicht an den - echten, falschen oder halbfalschen - vorgezeigten Reliquien seiner Diener festmachen“. Man könne an Reliquien glauben, müsse es aber nicht, räumen die Verfasser des Buchs über verschiedene Heilige ein, die Sammlern durch herrliche Münzen und Medaillen bekannt sind. Das Buch erschien im J. P. Bachem Verlag Köln, hat 144 Seiten und 27 farbige Abbildungen und kostet 16,95 Euro (ISBN 978-3-7616-2602-3).

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