Skulpturen leuchten in weißem Licht - Figuren aus der Friedrichswerderschen Kirche jetzt in der Neuen Nationalgalerie



In ungewohnter Umgebung besitzen die aus der Friedrichswerderschen Kirche in die Neue Nationalgalerie am Kulturforum umquartierten Meisterwerke der Berliner Bildhauerkunst eine ganz ungewohnte, aber sehr angenehme Ausstrahlung. (Foto: Caspar)

Wegen Bauarbeiten in der Friedrichswerderschen Kirche unweit des Schlossplatzes in Mitte mussten die dort aufgestellten Skulpturen in die Neue Nationalgalerie am Kulturforum umziehen. Dort sind sie für etwa ein halbes Jahr unter dem Motto „In weißem Licht“ zu sehen. Ausgestellt sind 36 Spitzenstücke der Berliner Bildhauerkunst, die vor und nach 1800 zur Blüte gelangte und eng mit dem Schaffen von Johann David Schadow und Christian Daniel Rauch verbunden ist. Der Ausstellungstitel unterstreicht den eindrucksvollen Wechsel von der sanft-bunten Beleuchtung in der von Karl Friedrich Schinkel von 1824 bis 1830 erbauten Friedrichswerderschen Kirche in eine andere Ikone der Berliner Baukunst, die von Mies van der Rohe zwischen 1965 und 1968 geschaffenen Neue Nationalgalerie. Das weiße, nüchterne und unpathetische Licht in der großen Ausstellungshalle verleiht den ganz dem Klassizismus verpflichteten Skulpturen eine neue Aura.

Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch und weitere Bildhauer sind in der neuen Ausstellung mit Büsten, allegorischen Figuren, Standbildern, Grabfiguren, Reliefs und weiteren Arbeiten vertreten. Darunter befindet sich der von Schadow geschaffene Originalgips der berühmten Doppelfigur der mecklenburgischen Prinzessinnen Luise und Friederike, die 1793 mit zwei preußischen Prinzen verheiratet wurden. Die Skulptur war von König Friedrich Wilhelm II., dem Schwiegervater der jungen Damen, in Auftrag gegeben worden. Nach ihr stellt bis heute die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin verkleinerte Ausformungen aus Biskuitporzellan her. Die lebensgroße Version aus poliertem Marmor gehört zu den großartigen Schaustücken in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel.

Ausgestellt ist am Kulturforum auch das Grabmal von Königin Luise, die 1810 mit erst 34 Jahren starb. Die liegende Figur der beliebten Monarchin gehört zu Rauchs bedeutendsten Werken. Als König Friedrich Wilhelm III. erfuhr, dass der Bildhauer nicht nur das Grabmal seiner Gemahlin für das Mausoleum im Charlottenburger Schlosspark geschaffen, sondern insgeheim auch eine zweite Fassung angefertigt hat, war er nicht erfreut, bezahlte aber Rauch für seine Mühe. So kommt es, dass diese Skulptur zweimal in Berlin vorhanden ist und an verschiedenen Orten bewundert werden kann.

Rauch und Schadow, aber auch der Baumeister Karl Friedrich Schinkel und Johann Joachim Winckelmann als Begründer der klassischen Altertumskunde sind in der Ausstellung durch großartige Standbilder wie zuvor schon in der Friedrichswerderschen Kirche vertreten. Ebenso kann man Zeitgenossen wie dem Dichter Johann Wolfgang von Goethe, dem Philosophen Immanuel Kant und dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. in die Augen schauen. Beim Rundgang ist zu erfahren, dass der Monarch von dem anmutigen Doppelstandbild seiner Gemahlin Luise und deren mit dem preußischen Prinzen Ludwig vermählten Schwester Friederike alles andere als begeistert war und es „fatal“ fand. Der wenig kunstbegeisterte Herrscher verfügte, das Meisterwerk in einen entlegenen Raum des Berliner Schlosses zu verbannen. Es dauerte ein Jahrhundert, bis diese Ikone klassizistischer Bildhauerkunst neu entdeckt und in ihrer Bedeutung anerkannt wurde. Geöffnet ist die Neue Nationalgalerie Dienstag bis Freitag von 10 bis 18, am Donnerstag bis 20 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr.

Zurück zur Themenübersicht "Museen, Denkmalpflege"