Der betrogene Sammler - In einer Novelle von 1927 schildert Stefan Zweig, wie es Kunstfreunden nach dem Ersten Weltkrieg erging



Die galoppierende Inflation produzierte Geldscheine mit immer höheren Werten. Da man mit der Produktion neuer Scheine nicht hinterher kam, hat man sie überdruckt, um sie höherwertig erscheinen zu lassen.



Städte warben auf ihren Notgeldscheinen mit Bildern aus ihrer Geschichte. Die Stadt Vohwinkel schildert auf dem 500-Millionen-Schein mit Datum vom 15. Oktober 1923, wie der Tod wertloses Geld ausstreut, die von den Bürgern begierig aufgesammelt werden. (Repros: Caspar)

Die Verarmung von Menschen durch die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg hat der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig schon vor seinem Buch „Die Welt von Gestern“ beschäftigt. In der Erzählung von 1927 „Die unsichtbare Sammlung“ schildert er, wie sich eine von Armut und Hunger bedrohte Familie in der deutschen Provinz von einer bedeutenden Grafikkollektion trennen muss, ohne dass es der blinde Besitzer bemerkt. Blanke Not ließen Frau und Tochter keine Wahl. Der aus Berlin zu dem sonderbaren Mann gereiste Erzähler ist ein bekannter Kunsthändler namens K. Bei ihm hatte der „hinter Dresden“ wohnende Sammler bis zum Kriegsbeginn 1914 immer fleißig gekauft und so die schönsten Stiche von Rembrandt und Dürer und anderen Künstlern zusammentragen. K. ist unglücklich über den Kunsthandel, „seit sich der Wert des Geldes wie Gas verflüchtigt: die neuen Reichen haben plötzlich ihr Herz entdeckt für gotische Madonnen und Inkunabeln und alte Stiche und Bilder. [...] Am liebsten kauften sie einem noch den Manschettenknopf am Ärmel weg und die Lampe vom Schreibtisch. [...] Gegen die penetrante Eindringlichkeit dieser plötzlich Kaufwütigen hilft kein Widerstand. Und so war ich über Nacht wieder einmal ganz ausgepowert und hätte am liebsten die Rollläden heruntergelassen, so schämte ich mich, in unserem alten Geschäft, das schon mein Vater vom Großvater übernommen, nun noch erbärmlichen Schund herumkrümeln zu sehen, den früher kein Straßentrödler im Norden sich auf den Karren gelegt hätte“.

In der Wohnung des sächsischen Sammlers erfährt K. zu seinem Erstaunen, dass von den erwarteten Grafikschätzen nichts mehr vorhanden ist. Frau und Tochter bitten den Fremden inständig, den Alten bei seinem Glauben zu lassen, er besitze die Stiche immer noch. K. spielt mit und erfährt, dass der Sammler den Verkauf nie erlaubt hätte. „Er ahnt nicht, wie schwer es ist, im Schleichhandel das bisschen Nahrung aufzutreiben, er weiß auch nicht, dass wir den Krieg verloren haben und dass Elsass und Lothringen abgetreten sind, wir lesen ihm aus der Zeitung alle diese Dinge nicht mehr vor, damit er sich nicht erregt. Es war ein sehr kostbares Stück, das wir verkauften, eine Rembrandt-Radierung. Der Händler bot uns viele, viele tausend Mark, und wir hofften, damit auf Jahre versorgt zu sein. Aber Sie wissen ja, wie das Geld einschmilzt“, raunt die Tochter dem Besucher zu und berichtet, wie der auf die Bank gebrachte Erlös schon nach zwei Monaten wertlos war. So wurde noch ein Stück und noch ein weiteres verkauft. Bezahlt sei immer so spät, bis das Geld entwertet war. Dann habe man es bei Auktionen versucht, aber auch da sei man betrogen worden. „Bis die Millionen zu uns kamen, waren sie immer schon wertloses Papier. So ist allmählich das Beste seiner Sammlung bis auf ein paar gute Stücke weggewandert, nur um das nackte, kärglichste Leben zu fristen, und Vater ahnt nichts davon“.

K. behält die Worte der Tochter bei sich und bereitet dem alten Mann die Freude, indem er die mit Nachdrucken und anderen wertlosen Blättern gefüllten Grafikmappen bewundernd besichtigt. „Das war mir eine wirkliche Wohltat, endlich, endlich, endlich einmal wieder mit einem Kenner meine geliebten Blätter durchsehen zu können“, sagt der alte Sammler zu K. und kündigt an, eines Tages nur ihm die Auktion des Bilderschatzes zu übertragen. „Versprechen Sie mir nur, einen schönen Katalog zu machen: er soll mein Grabstein sein, ich brauche keinen anderen“. Beim Abschied winkt K. dem Blinden zu „da oben im Fenster, hoch schwebend über all den mürrischen gehetzten, geschäftigen Menschen der Straße, sanft aufgehoben aus unserer wirklichen widerlichen Welt von der weißen Wolke des gütigen Wahns. Uns ich musste wieder an die alten wahren Worte denken - ich glaube, Goethe hat es gesagt -: ,Sammler sind glückliche Menschen’“. Die Episode aus der deutschen Inflation, wie der Untertitel von Zweigs Erzählung lautet, zu lesen, bringt Gewinn und regt zum Nachdenken an. Die Ereignisse von damals sind zum Glück weit weg von uns und sollten es auch bleiben.

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