Papier statt Metall - Inflation nach dem Ersten Weltkrieg produzierte Berge wertloser Geldscheine und machte Millionen zu Bettlern



Das habe er nicht gewollt, stöhnt Johannes Gutenberg auf der Karikatur des „Simplicissimus“ vom 12. November 1923 angesichts der riesigen Papiergeldmengen, die aus der Druckmaschine fallen.



Eine deutsch-österreichische Gemeinschaftsmünze ehrte 1930 den Minnesänger Walther von der Vogelweide. (Repros: Caspar)

Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) machte Millionen Menschen zu Bettlern, denn mit den Bergen bedruckten Papiergeldes konnte man wenig anfangen. Während immer mehr Banknoten mit immer höheren Zahlen ausgegeben wurden, schritt die Verelendung voran und erfasste auch die Mittelschichten. Aus dem Geldverkehr verschwunden war das Gold- und Silbergeld aus der Kaiserzeit. Statt dessen prägten und druckten Kommunen und Unternehmen Ersatzmünzen und Notgeldscheine, um den Bedarf an Klein- und Wechselgeld zu befriedigen. Diese Zeugen der Geldgeschichte sind interessante Sammelstücke, die in Katalogen gut bearbeitet sind. Obwohl das häufig sehr ansehnlich gestaltete Inflationsgeld den Eindruck erweckt, es sei gut und wertbeständig, sank sein Wert von Monat zu Monat. Für Lebensmittel, Kleidung und andere Dinge des täglichen Bedarfs musste man weitaus mehr bezahlen als in der Vorkriegszeit, bekam aber nicht in gleichem Maße mehr Lohn, Gehalt und Rente. Wer es sich leisten konnte, verwandelte Sachwerte in Devisen und raffte Grundstücke zusammen. Das Massenelend machte rasante Fortschritte und erreichte auch die Mittelschichten, die in kurzer Zeit vor dem Nichts standen. Mit der Inflation wurde das innenpolitische Klima immer gefährlicher. Überall gab es Hungerkrawalle, die mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden, und es wurden auch Lebensmittelgeschäfte und Vorratslager geplündert.

Wie rasant sich die Preise entwickelten, mögen Angaben aus dem Jahr 1923 erhellen. Am 3. Januar kostete in Berlin ein Kilogramm Roggenbrot 163 Mark, am 1. September 9,4 Millionen und am 19. November, auf dem Höhepunkt der Inflation, 233 Milliarden Mark, für ein Kilogramm Rindfleisch betrugen die Kosten an den gleichen Stichtagen 1800, 80 Millionen und 4 Billionen 800 Milliarden Mark, und für ein Zentner Briketts wurden zu Jahresbeginn 1865 Mark, am 1. September 1923 82,4 Millionen und am 19. November 1 Billion 372 Milliarden Mark verlangt.

Wenn von der Großen Inflation die Rede ist, denken wir zuerst an die Geldentwertung im Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918). Meist wird übersehen, dass parallel zur der deutschen Inflation eine ähnliche Katastrophe auch in Deutschösterreich, wie die Alpenrepublik offiziell hieß, stattfand. Sie dauerte bis 1924 und damit etwas länger als die Geldentwertung, die im Deutschen Reich im November 1923 durch die Einführung der Rentenmark überwunden wurde. Beide Länder hatten mit ihren Verbündeten den Ersten Weltkrieg verloren. Das Deutsche Reich wurde von den Siegermächten durch den Versailler Vertrag und Österreich durch den Vertrag von St. Germain zu Gebietsabtretungen an die Nachbarstaaten sowie zu erheblichen, ihre Möglichkeiten übersteigernde Reparationsleistungen verpflichtet. Verboten war der Beitritt Österreichs zum Deutschen Reich. Erst 1938 setzte sich Hitler über diese Bestimmung hinweg, als er Österreich mit jubelnder Zustimmung der meisten Bewohner dem Großdeutschen Reich anschloss und seine Diktatur auf das Ostmark genannte Territorium ausdehnte. Der so genannte Anschluss war ein blendendes Geschäft für den NS-Staat, denn er beschlagnahmte den Gold- und Devisenschatz der Österreichischen Nationalbank und füllte die erschöpften eigenen Devisenreserven wieder auf. Nicht weniger als 78,3 Tonnen Feingold im Wert von 467,7 Millionen Schilling sowie Devisen und Valuten im Wert von 60,2 Millionen Schilling wurden zur Reichsbank nach Berlin geschafft, die Wiener Münze musste von nun an für das nunmehr Großdeutsche Reich produzieren, verbunden mit dem Kennbuchstaben B.

Nach dem Ersten Weltkrieg beschloss die Regierung des Staatskanzlers Karl Renner Gesetze, die Österreich zu einem hervorragenden Sozialstaat machten, zumindest was die Theorie betraf. Die Bewohner erhielten Mieterschutz, und die Preise für Lebensmittel, sofern es sie gab, wurden vom Staat gestützt. Da die Ressourcen und Kornkammern der ehemaligen Länder der k. und k. Monarchie durch die neuen Staatsgründungen weggebrochen und Importe sehr teuer waren, herrschte in Österreich großer Hunger. Gut dran war, wer sich etwa als Landwirt oder mit einem Garten selber versorgen konnte. Wer aber als Gehalts- und Pensionsempfänger solche Möglichkeiten nicht hatte, musste „hamstern“ gehen und seine Wertsachen bei Bauern gegen Lebensmittel eintauschen.

Als die drückenden Lasten der Friedensverträge bekannt wurden, stürzte die in Vorkriegszeiten angesehene und jederzeit in Silber und Gold konvertierbare Krone in den Abgrund. Die Hyperinflation nahm ihren Anfang. Von Monat zu Monat stiegen die Verbraucherpreise, ehemals große Bankguthaben schmolzen zu Nichts zusammen. Wer Kunstgegenstände, Sammlungen und andere Preziosen besaß, musste sie verkaufen, um sich mit dem Erlös für einige Zeit über Wasser zu halten. Konnte man 1914 für 10 000 Kronen noch ein großes Haus kaufen, so bekam man 1922 für die gleiche Summe gerade noch ein Brot. Anfang 1920 waren zwölf Milliarden Papierkronen im Umlauf, und diese Menge war bereits im August des gleichen Jahres auf mehr als eine Billion gestiegen.

Noch nie hatte man auf österreichischen Banknoten solche Zahlen gelesen - erst 5000, dann 50 000, 100 000, 500 000 Kronen und höhere Werte. Auf dem Höhepunkt der Inflation waren neun Billionen Papier-Kronen im Umlauf. Die sorgfältig mit dem Bildnis der Austria als Symbolfigur des Landes, dem einköpfigen Adler und weiteren Motiven geschmückten Scheine täuschen ihren Wert nur vor. Doch wenn man einen Laden mit einem ganzen Bündel betrat, hatte man am Ende nur wenig Reales in der Hand. Waschkorbweise wurde das Papiergeld von der Druckerei zu den Ausgabestellen getragen, doch hatte es in der Zeit dazwischen schon an Wert verloren. Fein war der Staat heraus, denn er konnte sich auf billige Weise seiner Schulden etwa in Form von Kriegsanleihen entledigen. Wer clever war und vor nichts Ehrfurcht hatte, verdiente an der Währungskatastrophe. Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig hat das Treiben der Nachkriegsgewinnler in seinem Buch „Die Welt von Gestern“ mit Entsetzen beschrieben, wie reich gewordene Aufsteiger in mehr oder weniger vornehmen Clubs und Nachtlokalen feiern und prassen und sich in teuren Autos mit Damen aus der Halbwelt durch Wien und andere Städte kutschieren lassen. Derweil musste sich der große Rest der Bevölkerung in die lange Schlange der Sozialhilfeempfänger einreihen und den Gürtel so eng schnallen, bis es nicht mehr ging. Das Geld, das man heute bekam, war schon morgen wertlos. Nie galt das geflügelte Wort „Zeit ist Geld“ so sehr wie in jenen Jahren. Kein Wunder, dass in den Inflationsjahren die Selbstmordrate rasant anstieg. Zweig beschreibt den „Hexensabbat der Irrsinnszahlen“ mit den Worten „Nichts hat das deutsche Volk so erbittert, so hasswütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation. Denn der Krieg, so mörderisch er gewesen, er hatte immerhin Stunden des Jubels geschenkt mit Glockenläuten und Siegesfanfaren“ und meinte damit die Verhältnisse im Deutschen Reich und in Österreich.

Durch ein Gesetz vom 20. Dezember 1924 wurde die österreichische Währung mit Wirkung vom 1. März 1925 von der wertlos gewordene Kronenwährung aus Schilling zu 100 Groschen umgestellt. Jetzt bekam man für 10 000 Kronen einen Schilling. Sein Spitzname Alpendollar drückte aus, dass er eine harte Währung ist, in die man sein Vertrauen setzen kann. 1930 kam die erste und einzige deutsch-österreichischen Gemeinschaftsprägung zum 700. Todestag von Walther von der Vogelweide zustande. Das in Deutschland als Drei-Mark-Stück und in Österreich als Zwei-Schilling-Stück ausgegebene Silberstück mit jeweils anderer Rückseite zeigt den Minnesänger auf einem Stein sitzend, wie es in einem seiner Lieder heißt. Walther wurde und wird als Künstler deutscher Zunge verehrt, für den heutige Grenzen nicht gelten. Im Gedenken an sein Leben und Wirken sah man in beiden Ländern bei den Jubelfeiern des Jahres 1930 eine Möglichkeit, den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und die Zurückgewinnung abgetretener Gebiete ins Gespräch zu bringen. Höchste deutsche Stellen, die ungeachtet der Verbote in den Friedensverträgen von 1919 für einen Anschluss Österreichs an das Reich eintraten, unterstützten das Projekt. Die silberne Gedenkmünze kam 1930 „als Symbol der gemeinsamen Kulturleistungen des Deutschtums im Reich und in Österreich“ heraus. Das war die Zeit, als sich die Verhältnisse in beiden Ländern konsolidiert hatten, aber durch den aufkommenden Rechtsextremismus in Gestalt der Nationalsozialisten im Deutschen Reich und des so genannten Austrofaschismus in Österreich massiv bedroht wurden.

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