Attentat in Sarajewo mit Folgen - Österreich widmete 1999 dem am Vorabend des Ersten Weltkriegs ermordeten Thronfolgerpaar eine Gedenkmünze



Das Doppelporträt des vor hundert Jahren in Sarajewo ermordeten Thronfolgerpaars schmückt eine 1999 geprägte Hundert-Schilling-Münze.



Kaiser Franz Josef wurde 86 Jahre alt und überlebte Franz Ferdinand um zwei Jahre. Dargestellt ist er auf einem goldenen Hundert-Kronen-Stück von 1914. (Repro: Caspar)

Als am 28. Juni 1914 der 50 Jahre alte österreich-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie bei einer Stadtrundfahrt durch Sarajewo einem Mordanschlag zum Opfer fielen, konnte noch niemand wissen, dass sich aus diesem Ereignis der Erste Weltkrieg entwickeln würde. Österreich und das Deutsche Reich machten Serbien für die Bluttat verantwortlich und nutzten sie, um lange gehegte Pläne für machtpolitische und territoriale Veränderungen in Europa zu verwirklichen. „Die Umtriebe eines hasserfüllten Gegners zwingen Mich, zur Wahrung der Ehre Meiner Monarchie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Machtstellung, zur Sicherung ihres Besitzstandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwerte zu greifen“ verkündete Kaiser Franz Josef in dem Aufruf „An Meine Völker“ und fuhr fort, er habe alles geprüft und erwogen und betrete mit ruhigem Gewissen den Weg, den die Pflicht ihm weist.

In Wien wurde der Mordanschlag mit gemischten Gefühlen aufgenommen, denn Franz Ferdinand war unbeliebt, und es gab viele Höflinge, die sich vor ihm fürchteten. Kaum jemand hatte den Erzherzog unterstützt, als er bei seinem Onkel Franz Joseph um die Erlaubnis nachsuchte, die aus uraltem böhmischem Adel stammende Gräfin Sophie von Chotek heiraten zu dürfen. In den Augen des Kaisers und seine Kamarilla war das ein unmögliches Begehren. Man hielt die Hofdame für unwürdig, in das habsburgische Erzhaus aufgenommen zu werden und mit ihrem Mann eines Tages die Kronen von Österreich, Ungarn und Böhmen zu tragen. Nach vielen Demütigungen gelang des Franz Ferdinand, seine Herzensdame mit kirchlichem Segen „zur linken Hand“ zu heiraten. Allerdings musste er feierlich erklären, dass seine Gemahlin und die gemeinsamen Kinder keine Ansprüche auf die Krone und den erzherzoglichen Titel erheben werden. Franz Joseph verlieh Sophie von Chotek lediglich den Titel einer Fürstin von Hohenberg, doch ab 1909 durfte sie sich Herzogin mit der Anrede Hoheit nennen. Franz Ferdinand und Sophie schworen insgeheim, sich eines Tages, wenn der alte Kaiser tot ist, an ihren Feinden zu rächen und jede Form von Widerständigkeit in der Donaumonarchie zu bekämpfen. Auch plante Franz Ferdinand, der sich als Kaiser Franz II. nennen wollte, seine Frau trotz früherer Eidesleistungen zur Kaiserin zu machen. Nach seiner Ermordung wurde dem Thronfolgerpaar wegen der Mesalliance mit Herzogin Sophie in Wien nur eine Trauerfeier dritter Klasse gewährt, bestattet ist es in der Schlosskapelle von Artstetten. Im Schlossmuseum wird im Gedenken an die Ereignisse von vor einhundert Jahren und den 1916 auf den Thron gelangten Kaiser Karl I. die Sonderausstellung „Regieren und Verlieren: Kaiser Karl - Eine Herausforderung zum Regieren“ gezeigt.

Die Republik Österreich entschloss sich 1999, den „ersten Opfern des Weltkriegs 1914 bis 1918“, wie es auf einer Erinnerungstafel in der Wiener Kapuzinergruft, der Grablege der Habsburger, heißt, eine Gedenkmünze im Wert von 100 Schilling zu widmen. Von Thomas Pesendorfer nach historischen Vorlagen gestaltet, zeigt das Silberstück auf der Vorderseite das Bildnis des Thronfolgerpaars und auf der Rückseite jenen Augenblick, als es das Rathaus in Sarajewo verlässt und sich zu dem Automobil begibt, auf das die tödlichen Schüsse abgegeben wurden. Die Münze gehört zu der 1997 aufgelegten Serie „Schicksale im Hause Habsburg“, die der 1793 in Frankreich hingerichteten Königin Marie Antoinette, einer Tochter von Kaiserin Maria Theresia, und dem 1867 in Mexiko erschossenen Kaiser Maximilian, einem jüngeren Bruder von Kaiser Franz Joseph, gewidmet ist. Weitere Münzen erinnern an Kronprinz Rudolf, der 1889 mit seiner Geliebten Baronin Mary Vetsera Selbstmord beging. Durch dieses Ereignis rückte der junge Franz Ferdinand in der Thronfolge auf. Die Serie ehrt schließlich die 1898 in Genf ermordete Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi oder Sissi, sowie Karl I., der nach dem Tod von Franz Joseph 1916 dessen Nachfolger wurde und der letzte Kaiser der Habsburgermonarchie war.

Im Sommer 1914 sahen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich auf der einen Seite und England, Frankreich und Russland die lang ersehnte Gelegenheit zum Losschlagen gekommen. „Mit Serbien muss aufgeräumt werden, und zwar bald“, forderte der deutsche Kaiser Wilhelm II. In nationalistischer Verblendung, ja geradezu begeistert, zogen Millionen junger Männer mit der Erwartung auf die Schlachtfelder, schon zu Weihnachten siegreich zu Hause zu sein. „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt“ sang man auf deutschen Straßen. Doch wie groß war die Ernüchterung, denn schon bald blieb der Vormarsch stecken und es kam zu dem berüchtigten Stellungskrieg sowie zu verlustreichen Luftangriffen und den Einsatz von Giftgas. Bei den sich bis Ende 1918 hinziehenden Kämpfen mussten auf beiden Seiten Millionen Soldaten ihr Leben lassen. Nicht zu berechnen sind die zivilen Opfer, die durch Epidemien und Hunger zugrunde gingen.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der mit Recht die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts genannt wird und den Keim für einen weiteren, den Zweiten Weltkrieg legte, war das alte Europa passé. In Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn und anderen Monarchien landeten die Kronen auf den Müllhaufen der Geschichte. Die junge Republik Österreich schaffte den Adel ab und verbot den Mitgliedern des ehemaligen Herrscherhauses, das Land zu betreten. Obwohl der Versailler Vertrag einen staatlichen Zusammenschluss des Deutschen Reichs und Österreichs verbot, gab es in beiden Ländern einflussreiche und starke Kräfte, die ein Großdeutschland mit Einschluss Österreichs anstrebten. 1938 war Hitler am Ziel, und ehe es sich die Österreicher versahen, waren sie Teil einer blutigen Diktatur, die sich Stück für Stück fremde Länder aneignete und am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brach.

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