Wenn die Seiten nicht zusammen passen - Unter den numismatischen Sonderlingen fallen die Zwittermünzen besonders auf



Unübersehbar ist, dass die Vorder- und die Rückseite dieser im VEB Münze der DDR hergestellten Prägung nicht zueinander passen.



Bei Kuriositätensammlern beliebt sind solche Verprägungen, die normalerweise die Münzanstalt nicht verlassen dürften. (Fotos: Caspar)

Ausgesprochen reizvoll und immer für Überraschungen gut ist das Gebiet der Probemünzen, Gefälligkeitsabschläge, Verprägungen oder anderer von der Norm abweichender Stücke. Regelmäßig tauchen sie in Auktionskatalogen und Händlerverzeichnissen auf, und wenn man sich mit ihnen befasst, bekommt man interessante, numismatisch und kulturhistorisch aufschlussreiche Informationen. Die Beschäftigung mit Probemünzen ist schwierig, weil sie nicht so gut katalogisiert sind wie die Normalprägungen. Man muss sich die Daten mühsam aus Büchern und Zeitschriften zusammensuchen und wird immer wieder von Neuem fündig. Für die Probemünzen des 1871 gegründeten Deutschen Reichs gibt es das ausgezeichnete Buch von Rudolf Schaaf aus dem Jahr 1979, das sich bescheiden „Versuch einer Katalogisierung“ nennt, aber mehr als dieser ist. Schaaf hat unzählige Stücke erfasst, die das Bild der Münzprägung im deutschen Kaiserreich und der Zeit danach mit vielen neuen und überraschenden Motiven und Abarten bereichern. Sein Katalog berücksichtigt einige Stücke aus der frühen Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR. Doch zeigt sich, dass seit den 1970-er Jahren manches Stück geprägt wurde, das in eine Neubearbeitung dieses verdienstvollen Werkes gehört. Was vor der Reichseinigung von 1871 an einschlägigen Geprägen hergestellt wurde und was auch das Ausland in dieser Hinsicht zu bieten hat, wartet noch auf seine systematische Aufarbeitung.

Hin und wieder bietet der Münzhandel so genannte Zwittermünzen an, doch kommen sie auch auf Tauschbörsen und bei anderen Gelegenheiten vor. Nicht immer erkennt man auf den ersten Blick, dass die Vorderseite nicht zur Rückseite gehört oder auch die Randschrift zu der betreffenden Münze nicht passt. Die Zwittermünzen oder Hybriden Gepräge kommen in den unterschiedlichsten Formen vor, etwa wenn auf der Vorderseite ein Fürst dargestellt ist und die Rückseite aus einer Zeit stammt, als dieser schon tot war. Manchmal hat man ein Bildnis mit einem Wappen kombiniert, das einem ganz anderen Münzherrn gehört. Solche Stücke sind gar nicht so selten. Sie entstanden, als man in den Münzschmieden und Prägeanstalten noch nicht so sehr auf die Qualität der Münzen geachtet hat und manche Ungereimtheiten aus Sparsamkeitsgründen durchgehen ließ. Es existieren sogar Stücke, die auf beiden Seiten das gleiche Motiv, etwa ein Wappen oder einen Kopf, zeigen.

Bei den meisten Zwittermünzen kann man davon ausgehen, dass sie infolge von Unachtsamkeit oder Schlamperei zustande kamen oder Stempel im Eifer des Gefechts schlicht verwechselt wurden. Da sie begehrte Sammelstücke sind und im Handel teuer bezahlt werden, kann es auch vorgekommen sein, dass solche Raritäten speziell für diesen Markt hergestellt wurden. Als in der Bundesrepublik Deutschland das Sammeln von Goldmünzen in Mode kam, hat ein Hersteller von Nachprägungen massenhaft Zwittermünzen produziert. Er behauptete, dass seine Machwerke sofort wegen der unkorrekten Stempelkopplung oder an zeitlichen Differenzen zu erkennen sind, und deshalb für Sammler keine Gefahr darstellen. Wer sie bekam und die Hintergründe nicht kannte, mochte glauben, eine numismatische Rarität zu besitzen, und war bereit, für sie viel Geld hinzublättern. Dabei sind diese Nachprägungen nur das Metall wert, aus dem sie bestehen.

Im Archiv der Kreditanstalt für Wiederaufbau am Gendarmenmarkt in Berlin wird eine besonders extreme Zwittermünze aufbewahrt. Sie kombiniert den auf Münzen der NS-Zeit befindlichen Kopf des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg mit dem DDR-Wappen. Wie dieser Zwitter im damaligen VEB Münze der DDR entstanden ist, kann nicht geklärt werden. Im Handel ist meines Wissens ein solches Unding noch nie vorgekommen. Schaut man die Münzgeschichte des bis 1990 existierenden zweiten deutschen Staates an, dann tauchen dort weitere Kombinationen von nicht zusammen passender Vorder- und Rückseiten sowie Randschriften auf, die für andere Geldstücke bestimmt waren. Es gibt Sammler, die solche Sonderlinge suchen und viel Geld für sie bezahlen. Obwohl es strenge Bestimmungen gibt, dass Verprägungen und falsche Stempelkopplungen eine Prägeanstalt nicht verlassen dürfen, sondern dort vernichtet werden müssen, gelang und gelingt ihnen mitunter der Weg nach draußen. Sonst könnte der Handel diese numismatischen Missgeburten zur Freude von Raritätenjägern nicht anbieten.

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