Falsche Flora kratzte am Image des Kunstkenners -
Die 1909 von Wilhelm von Bode nach Berlin geholte Büste war ein Flop, kann aber auch der Museumsinsel besichtigt werden.



Die im Bode-Museum ausgestellte Flora-Büste erwies sich als Meisterwerk nicht des 16., sondern als Nachahmung im Stil von Leonardo da Vinci aus dem 19. Jahrhundert. (Foto: Caspar)

Wilhelm von Bode, dem Generaldirektor der Königlichen und ab 1919 Staatlichen Museen zu Berlin, gelang im Winter 1909 eine spektakuläre Neuerwerbung bei einer Auktion in London. Für 8000 Pfund Sterling (ca. 170 000 Goldmark) kaufte er mit Einverständnis weiterer Experten die Büste einer jungen Frau für die Berliner Skulpturensammlung an, die als Flora gedeutet und als Werk von Leonardo da Vinci angesehen wurde. Die 76,5 cm hohe Bildhauerarbeit erregte großes Aufsehen, als sie ausgestellt wurde. Sie besitzt eine farbige Wachsschicht und kann in der Skulpturenabteilung des Bodemuseums auf der Berliner Museumsinsel betrachtet werden.

Wie der 1914 in den Adelsstand erhobene, am Hof Kaiser Wilhelms II. hoch angesehene Bode in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 1930 berichtet, bereitete ihm der Kauf mehr Verdruss als Freude, denn schon bald wurde bezweifelt, dass die beschädigte und wohl von wenig sachkundiger Hand restaurierte Flora-Büste mit nackten Brüsten und fehlenden Händen tatsächlich von dem berühmten Renaissancekünstler geschaffen wurde oder wenigstens aus seinem Umfeld und damit aus dem 16. Jahrhundert stammt. Gegen diese Annahme wurde in der englischen und bald auch der deutschen Presse erklärt, dass die anmutige Göttin der Pflanzen das Werk des englischen Wachsbossierers Richard Cockle Lucas aus der Zeit um 1846 ist. Auf Bode ging ein Sturm der Entrüstung herab, sein Kunstverstand wurde mit bitteren Worten in Zweifel gezogen, und sein Renommee als treffsicherer Ankäufer alter Kunst stand auf dem Spiel. „In England war diese Hetze gegen mich nicht ganz so unverständlich, da die meisten englischen art critics, die mit dem Kunsthandel zu nahe verbunden sind, mich aus England und vom englischen Kunstmarkt abzudrängen und mein Ansehen bei den Sammlern in England und den Vereinigen Staaten zugrunde zu richten wünschten. Ihren Einfluss auf die Presse konnten sie um so besser ausnutzen, als damals in England schon die Hochflut des Deutschenhasses und der Deutschenhetze wütete“, schrieb Bode im Rückblick.

Vergeblich versuchte der Kunsthistoriker, die Authentizität der Büste zu beweisen. Jahrzehnte später rückte man ihr mit Röntgenstrahlen zu Leibe und untersuchte auch die chemische Zusammensetzung des Wachses. Es zeigte sich, dass Leonardo oder sein Umkreis als Urheber nicht infrage kommen. Denn das Wachs enthält Stearin, das erst seit 1818 synthetisch hergestellt wurde. Seine Hände konnte man sich im Londoner Victoria- und Albert-Museum reiben, dem Bode 1909 die Florabüste weg geschnappt hatte. Würde die Büste wirklich von Leonardo da Vinci stammen, hätte sie gewiss die gleiche Berühmtheit erlangt, wie die 1913 in Ägypten entdeckte Büste der Nofretete, die der absolute Renner bei den Besuchern des Neuen Museums auf der Museumsinsel ist. Wilhelm von Bode hat den sich über Jahre hinziehenden Streit um die Florabüste überlebt und bereicherte die Berliner Museen weiterhin durch hochkarätige Ankäufe und spektakuläre Ausstellungen.

Dass beim Kauf von Kunstwerken Missgriffe vorkommen können, zeigt das bekannte Gemälde „Der Mann mit dem Goldhelm“, das lange als Meisterwerk von Rembrandts Hand gefeiert wurde. Das Bild wurde 1897 vom Kaiser Friedrich-Museums-Verein, dem Förderverein der Berliner Gemäldegalerie, erworben. In den 1970-er Jahren kamen Zweifel auf, ob das Bild wirklich ein Werk des holländischen Malerfürsten ist. Untersuchungen im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts ergaben aber, dass es sich um die Arbeit aus Rembrandts Werkstatt handelt. So musste „Der Mann mit dem Goldhelm“ von seinem Sockel geholt werden, doch kann er im Kontext mit wirklichen Rembrandtbildern in der Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum betrachtet werden.

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