Deutschland und die Moderne -
Ausstellung in der Kunstbibliothek am Kulturforum zeigt Zeugnisse der Avantgarde zwischen 1890 und 1918



Großformatige Farbplakate wurden schon vor hundert Jahren gesammelt, eine Auswahl ist im ersten Saal der Avantgarde-Ausstellung gemeinsam mit Möbeln des Jugendstils zu sehen.



Jutta Weber hat aus dem in der Handschriftenabteilung befindlichen „Sturm“-Archiv über hundert Jahre alte Künstlerbriefe ausgewählt. (Fotos: Caspar)

Vor einem Jahrhundert war Europa Schauplatz einer wegweisenden Medienrevolution. Mit ungewöhnlich gestalteten Plakaten, Büchern, Zeitschriften und Manifesten veränderten Grafiker, Publizisten und andere zur Avantgarde gehörende Personen das bis dahin noch ganz auf die Historie und traditionelle Formen ausgerichtete Verständnis von Literatur, bildender Kunst und Design. Eine neue Ausstellung in der Kunstbibliothek am Berliner Kulturforum dokumentiert die Umbrüche in der Kunst vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Sie ist Teil des Themenjahrs, in dem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter dem Motto „1914 Aufbruch - Weltbruch“ den Weg des Deutschen Reichs und weiterer Länder in den Ersten Weltkrieg und die Folgen dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts schildert.

Die bis 12. Oktober 2014 laufende Dokumentation wird gemeinsam von der Kunstbibliothek und der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz gestaltet, ergänzt durch Leihgaben aus weiteren Sammlungen. Mit ihr profiliert sich das Kulturforum abseits des Potsdamer Platzes als ein Ort der Forschung und Pflege der Kunst des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Jutta Weber, die stellvertretende Leiterin der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek, freut sich, dass in der repräsentativen Schau viele noch nie gezeigte, kunstvoll gestaltete Plakate, aber auch Möbel, Briefe und andere Zeugnisse der Moderne gezeigt werden können. Sie hofft, „dass die Dokumentation viele junge Leute in ihren Bann schlägt, zeigt die Schau doch, was vor hundert Jahren in Deutschland und im Ausland außer den berühmten und allbekannten Zeugnissen avantgardistischer Malerei und Skulptur geschaffen wurde und wie man diese Drucke und Schriften aufgenommen hat“.

Das Thema des ersten Saals „Die Welt von Gestern“ lehnt sich an ein Buch von Stefan Zweig an. Hier sind herausragende Zeugnisse der Plakatkunst, der Gebrauchsgrafik und Buchgestaltung zu sehen. Im zweiten Teil mit dem Titel „Worte in Freiheit. Rebellion der Avantgarde 1909-1918“ wird geschildert, was unter Avantgarde verstanden wird, wie sich der Begriff aus seinem militärischen Zusammenhang gelöst hat und wie die Vertreter dieser Richtung in der Öffentlichkeit und im privaten Leben agierten. Ein eigens entwickeltes Ausstellungsdesign führt die Besucher durch ein Labyrinth von Manifesten, Zeitschriften, Fotografien und Briefen. Wer sich in die Briefe vertiefen möchte, kann dies mit Hilfe von Transkriptionen und Übersetzungen tun, die unter den Vitrinen ausgelegt sind. Zur Ausstellung erschien ein umfangreicher Katalog, in dem viele Exponate erläutert und abgebildet sind. Angeboten wird umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Konzerten und Gesprächsrunden.

Vom Hauptstadtkulturfonds gefördert, zeigt die Ausstellung bisher kaum bekannte Künstlerbriefe aus der in der Staatsbibliothek befindlichen Archiv des „Sturm“-Herausgebers Herwarth Walden. Überdies werden Plakate aus der Sammlung von Kunst des 20. Jahrhunderts präsentiert, die Egidio Marzona den Staatlichen Museen übereignet hat. Indem sich Besucher in den Anblick von Plakaten mit ihren seinerzeit noch gewöhnungsbedürftigen geschlängelten Linien, Schriften, Köpfen, Tieren und Pflanzen sowie bibliophilen Drucken und Künstlerbriefen vertiefen, lernen sie die geistigen und gesellschaftlichen Umwälzungen vor einem Jahrhundert kennen. Sie sehen, welche ungeheure Kraft von ihnen ausging und bis in die heutige Zeit wirkt.

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