Als die „Firma“ unbarmherzig zuschlug - Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen setzt den Opfern ein ergreifendes Denkmal



Das Stasi-Gefängnis verbreitet innen und außen eine ausgesprochen gruselige Atmosphäre. Im Hintergrund ist das Haus Genslerstraße 13, in dem eine Fälschertruppe des MfS tätig war.



Die Zellentüren, durch die die Gefangenen ständig beobachtet wurden, sind besonders ausdrucksstarke Exponate der neuen Stasi-Ausstellung.



Renitente Gefangene und solche, die Aussagen verweigerten, wurden in solche Zwangsjacken gesteckt.



Die Stasi fühlte sich als Schild und Schwert der Partei und pflegte enge Beziehungen zum sowjetischen Geheimdienst. Beide Organisationen schmückten sich mit ähnlichen Emblemen. Ausgestellt sind sie in der Gedenkstätte Hohenschönhausen. (Fotos: Caspar)

Das zur Gedenkstätte umgewandelten ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis an der Genslerstraße 66 im Berliner Bezirk Hohenschönhausen wirkt auf viele Besucher ausgesprochen gruselig und wird von manchen als noch schlimmer als das empfunden, was im Haus 1 des Mielke-Ministeriums an der Normannen- und Ruschestraße im Bezirk Lichtenberg gezeigt wird. Während im Amtssitz des Ministers Erich Mielke die Geschichte und Verbrechen des von der Staatspartei SED gelenkten DDR-Geheimdienstes erzählt wird, erhält man ein paar Kilometer weitere Einsichten in die Art und Weise, wie die „Firma“ mit unzähligen Inhaftierten umgegangen ist. Absichtsvoll verschwieg man ihnen, wo sie sich befanden. Per Video und auf Schriftstücken sind Berichte über die menschenunwürdige Behandlung der Menschen dokumentiert, die der versuchten Republikflucht, der Spionage, Sabotage und Verbindungsaufnahme zum „Klassenfeind“ und anderer Delikte beschuldigt wurden.

Für die Vernehmer war es wichtig, von den Gefangenen Geständnisse zu erzwingen. Die von Wissenschaftlern im Sold der Staatssicherheit ausgearbeiteten und in geheimen Handbüchern fixierten Methoden reichten von der Drohung und Erpressung, von Schlafentzug und Hunger bis hin zur Einweisung in das U-Boot, einen unterirdischen Haftraum, den man sich beim Rundgang durch die Gedenkstätte anschauen kann. An anderer Stelle wird über das mit dem Mantel des Geheimnisvollen bedeckte Haftkrankenhaus sowie eine in der Genslerstraße 13 untergebrachte Stasi-Abteilung berichtet, in der Stempel, Pässe und Dokumente gefälscht wurden. Im Außenbereich ist der nach dem DDR-Ministerpräsidenten benannte „Grotewohl-Express“ aufgestellt, mit dem Gefangene von einem Zuchthaus in ein anderes gefahren wurden. Ehemaligen Opfern der DDR-Justiz ist zu danken, dass einige dieser grün angestrichenen Waggons erhalten blieben und in der Gedenkstätte unter einem Schutzdach stehen.

Als Ende 1989 und Anfang 1990 das Ministerium für Staatssicherheit und weitere Stasi-Verwaltungen gestürmt und aufgelöst wurden, herrschte in den Gefängnissen des DDR-Geheimdienstes Friedhofsruhe. Merkwürdigerweise machte die Bürgerbewegung um die Haftanstalt in Hohenschönhausen und die anderen geheimen Objekte rund um die Genslerstraße einen Bogen. Indem die auf keiner Landkarte verzeichnete Stasi-Bastille unberührt blieb, konnten die Wächter die Spuren jahrzehntelanger Drangsalierung von Regimegegnern unbemerkt beseitigen und Listen über 40 000 Menschen vernichten, die nach dem Kriegsende 1945 im sowjetischen Speziallager Nummer 3 und ab 1951 von der Staatssicherheit streng von der Außenwelt abgeschirmt gefangen gehalten wurden. Tonnenweise verschwand technisches Gerät auf Nimmerwiedersehen, das auf dem früheren Industriegelände zum Zweck der Spionage und Bespitzelung hergestellt wurde.

Am 3. Oktober 1990 wurde das Geheimgefängnis „besenrein“ an den Senat übergeben. Nach und nach kam die Wahrheit über die quälenden Verhören und schlimmen Erniedrigungen ans Tageslicht, denen die Häftlinge ausgesetzt waren. Sie waren einer strengen Hausordnung unterworfen, wurden bei kleinsten Verstößen gegen diese streng bestraft. In schlotterige Anstaltskleidung gehüllt und schon damit ihrer Würde beraubt, besaßen sie keine Rechte, hatten keine Verbindung zur Außenwelt, bekamen auch keinen anwaltlichen Beistand, der diesen Namen verdient hätte. Erst Anfang Dezember 1989 erfuhren sie vom Fall der Mauer. Ihnen war verheimlicht worden, dass die SED-Herrschaft vorbei ist. Angeblich wollten die Wächter damit Meutereien und einem Massenausbruch vorbeugen, und man wollte eine Verbrüderung zwischen den Häftlingen und der Bürgerbewegung unterbinden. Während die Gefangenen Ende 1989 aufgrund einer Amnestie entlassen wurden, hat man neue, prominente Häftlinge eingeliefert. Eine in der Ausstellung gezeigte Kladde nennt Politibürogrößen wie den ehemaligen Stasi-Minister Mielke und den Wirtschaftschef Mittag.

Vielen in Hohenschönhausen beschäftigten Stasileuten gelang nach der Wiedervereinigung ein Neuanfang. Kaum einer wurde zur Rechenschaft gezogen. Etliche verteidigten ihr Tun als Beitrag zur Bewahrung des Friedens und der inneren Sicherheit in der DDR und stritten jegliche Form von Menschenrechtsverletzung ab. Bis heute behaupten sie alles richtig gemacht und genau die Gesetze der DDR beachtet zu haben, und sie klagen den „Westdeutschen“ Staat an, so etwas wie eine Hexenjagd auf sie zu veranstalten. Einsehen und gar Reue ist nicht ihre Sache. Zunächst waren die Namen der Wächter nicht bekannt, jetzt aber kann man an Monitoren ihre Gesichter und Lebensläufe studieren. Oberst Siegfried Rataizick, dem Gefängnischef und Leiter der zentralen Gefängnisabteilung XIV des MfS, unterstanden 18 Referate mit 255 Mitarbeitern. Sein Arbeitszimmer mit braunen Sprelacartmöbeln und weitere Räume des Leitungsbereichs sind erhalten, allerdings fehlt alles, was in der hässlichen Schrankwand und im Schreibtisch aufbewahrt wurde.

Dabei ist alles, was über den Alltag im Stasiknast gesagt und geschrieben wird, dokumentarisch belegt - das System von „Zuckerbrot und Peitsche“, die Lockungen und Drohungen, die Anbiederungsversuche und der brutale Terror. Die Behandlungs- und Verhörmethoden wurden im Laufe der Jahrzehnte subtiler, ist in der Ausstellung zu erfahren. Physische Gewalt und Folter in den vierziger und fünfziger Jahren nach sowjetischem Vorbild wurde von der Stasi durch psychische „Bearbeitung“ abgelöst. Wie sie aussah, lässt sich aus aufgefundenen Dienstanweisungen ablesen, die ungeachtet hektischer Vernichtungsaktionen erhalten blieben. Die Verhöroffiziere versuchten, Häftlinge durch „Freundlichkeiten“ wie besseres Essen, Zigaretten und gutes Zureden, aber auch durch erlogene Nachrichten aus der Familie oder dem Freundeskreis gesprächig zu machen. Wichtig waren immer Namen und Adressen von „Komplizen“, die dann Grundlage weiterer Ermittlungen bildeten.

Die Gedenkstätte Hohenschönhausen wurde im Sommer 1994 gegründet und zählt heute fast 400.000 Besucher im Jahr. Das Land Berlin hatte das ehemalige Stasi-Gefängnis – anders als die Berliner Mauer – bereits zwei Jahre nach der Wiedervereinigung unter Denkmalschutz gestellt. Deshalb blieb dort fast alles unverändert erhalten. Noch heute riecht es immer noch nach DDR, und auch die ausgebleichten Blümchentapeten, die Möbel, Gardienen, Telefone, Monitore, Honeckerbilder und was sonst noch die Bpüros des Stasigefängnisses schmückte, blieben erhalten. Ebenso die Haftzellen, durch die unzählige Besucher gehen, wobei ihnen oft von ehemaligten Gefangenen geschildert wird, wie man sich dort zu bewegen hatte und in welcher Stellung man schlafen musste. Insgesamt wurden rund 40 Millionen Euro in den Erhalt und Umbau investiert. Jetzt wird darüber nachgedacht, auch das ehemalige DDR-Polizeigefängnis in der Keibelstraße am Alexanderplatz als zweiten Standort der Gedenkstätte zu nutzen.

Interessant sind Hinweise in der Ausstellung auf das Alltagsleben in Stasikreisen. Wer bei „Horch und Guck“ Dienst tat, wurde gut bezahlt, unterlag aber strengen Restriktionen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mussten aus absolut linientreuen Familien kommen, durften keine Westkontakte haben und lebten häufig in abgeschiedenen Wohnblocks und -siedlungen in der Nähe ihrer Dienststellen. Gegenseitige Bespitzelung war Pflicht. Die Ausstellung zeigt auf einer Karte, wo sich im Bezirk Hohenschönhausen und darüber hinaus solche Wohn- und Lebensbereiche befunden haben. Die Stasi-Leute hatten eigene Ärzte und Kindergärten, und sie machten Urlaub in Ferienheimen, in denen sie ganz unter sich waren. Sportlich betätigten sich die Stasi-Angehörigen in der Sportvereinigung Dynamo, deren Chef Erich Mielke war. „Doch unter der Oberfläche der vermeintlichen Elitetruppe existieren Alkoholismus, häusliche Gewalt und nervliche Zusammenbrüche“, ist in der Ausstellung auf einer Schrifttafel zu lesen. Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Führungen Montag bis Freitag 11, 13 und 15 Uhr, am Wochenende und an Feiertragen stündlich von 10 bis 16 Uhr.

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