Todesangst hinter hohen Mauern - Gedenkstätte deutscher Widerstand setzt Gegnern des NS-Regimes ein eindrucksvolles Denkmal



Besucher der Gedenkstätte Deutscher Widerstand können sich umfassend über den NS-Terror informieren und lernen diejenigen Kennen, die ihre Kampf gegen das Regime mit dem Leben bezahlten.



Das Denkmal an der Straße der Erinnerung im Spreebogen verbindet die Bronzebüste des Widerstandskämpfers mit drei seiner „Moabiter Sonette“. (Fotos: Caspar)

Zwischen dem 22. und 24. April 1945 wurden 18 Häftlinge aus dem Zellengefängnis Lehrter Straße 3 hinterrücks von der Gestapo ermordet. An sie und die Geschichte des Moabiter Gefängnisses erinnert eine bis zum 21. Juli 2015 laufende Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Mit ihrem Titel „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt“ zitiert die Dokumentation aus einem Gedicht, das Albrecht Haushofer, einer der Mitwisser des gescheiterten Attentats auf Hitler, während seiner Haft in der „Sonderabteilung 20. Juli 1944“ des Zellengefängnisses geschrieben hat und mit weiteren Gedichten bei dem Toten gefunden wurde. Diese „Moabiter Sonette“ werden in der Ausstellung als das „eigentliche Denkmal“ für das Zellengefängnis bezeichnet, weil sie exakt die Empfindungen und Hoffnungen der in ständiger Todesangst gehaltenen Gefangenen und die bedrückenden Verhältnisse im Gefängnis widerspiegeln.

Von der aus der Kaiserzeit stammenden Anlage ist kaum noch etwas erhalten, lediglich sind unweit des Hauptbahnhofs ehemalige Gefängnismauern als Teil eines Geschichtsparks übrig geblieben. Eine Büste an der Straße der Erinnerung im Spreebogen ehrt Haushofer, der sich von einem Vertrauten des am 10. Mai 1941 mit einem Jagdflugzeug nach England geflüchteten Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zu einem entschiedenen Gegner der nationalsozialistischen Terrorherrschaft entwickelte. In den Moabiter Sonetten nannte sich Haushofer nach einer Figur der antiken Mythologie einen „Kassandro“, „weil ich der Seherin von Troja gleich, / die ganze Todesnot von Volk und Reich / durch bittre Jahr schon vorausgekannt“. Haushofer sprach sich für die Beseitigung Hitlers aus, als andere noch vor einem Attentat zurückschreckten. Nach dem gescheiterten Anschlag am 20. Juli 1944 untergetaucht, wurde er Anfang Dezember 1944 von der Gestapo verhaftet. Im Gefängnis Moabit erwartete er sein Todesurteil. „Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt. / Dann sinds die besten Köpfe, die man henkt“, schrieb er.

Albrecht Haushofers Bronzebüste im Spreebogen ist ein Werk des Bildhauers Josef Nalépa. Auf dem Sockel sind drei der Sonette zu lesen. Eines schildert, wie die Deutschen dem Rattenfänger Hitler bis ins Verderben folgen, im zweiten sagt Haushofer, warum er nicht geflüchtet ist, als er es noch konnte, und das dritte setzt sich mit der eigenen Schuld auseinander. „Ich klage mich in meinem Herzen an: / Ich habe mein Gewissen lang betrogen, / Ich hab mich selbst und andere belogen - / Ich kannte früh des Jammers ganze Bahn. / Ich hab gewarnt – nicht hart genug und klar! / Und heute weiß ich, was ich schuldig war“.

Unmittelbar vor Kriegsende, als schon die Rote Armee in den Berliner Außenbezirke stand, wurde Haushofer mit seinen Kameraden in der Nähe des Gefängnisses Lehrter Straße hinterrücks von der SS erschossen. Hitlers Schergen hatten die Gefangenen mit der Lüge zu beruhigen versucht, dass sie ins Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße verlegt werden sollen. Doch dann wurde einer nach dem anderen durch Genick- und Kopfschüsse ermordet. Unter ihnen waren Albrecht Graf von Bernstorff, Klaus Bonhoeffer, Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, Albrecht Haushofer und weitere prominente Gegner des NS-Regimes. Den Tätern ist nichts geschehen. Sie brachten sich entweder selber um oder tauchten mit falschem Namen unter. Ermittlungsverfahren der Westberliner Justiz wegen der Morde zwischen dem 22. und 24. April 1945 führten nicht zur Anklageerhebung. Besucher der Ausstellung erfahren, dass sich die Ursache dafür nicht rekonstruieren lässt, die Akten der Staatanwaltschaft seien nicht an das Landesarchiv abgegeben worden und müssen heute als verschollen gelten. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist Montag bis Mittwoch von 9 bis 18, am Donnerstag von 9 bis 20 Uhr sowie am Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.

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