Fassadenschmuck für Betonbunker - Verein Berliner Unterwelten erinnert an irrwitzige Pläne für Hitlers Welthauptstadt Germania



Die riesige Kuppelhalle mit vergoldetem Reichsadler obenauf hätte alle bisher bekannten Bauwerke in den Schatten gestellt. Das Modell ist in den Katakomben des S-Bahnhofs Gesundbrunnen ausgestellt.



Steinerne Blumengehänge, Adler und Schwerter sollten die Betonbunker optisch aufwerten. In der Ausstellung „Mythos Germania“ werden Modelle aus Gips gezeigt. (Fotos: Caspar)

Abriss alter Wohn- und Geschäftsviertel und großzügige Neubebauung in Berlin und anderen Städten waren schon ein Traum von Architekten und Stadtplanern, doch blieben solche für Berlin erdachten Pläne während der Weimarer Republik liegen. Erst unter Hitler wurden sie bei der radikalen Neugestaltung der Reichshauptstadt brutal in Angriff genommen und zum Teil ausgeführt.

Wie die Ausstellung „Mythos Germania“ des Vereins Berliner Unterwelten e. V. im S-Bahnhof Gesundbrunnen schildert, machte der Zweite Weltkrieg einen dicken Strich durch die Pläne von Hitler und seinem Lieblingsarchitekten Albert Speer, bis 1950 Berlin in die Welthauptstadt Germania zu verwandeln, zum Zentrum eines von deutschen „Herrenmenschen“ regierten Weltreichs. Mit gigantischen Bauwerken wollten Hitler und Speer die Bedeutung des NS-Staates, der sie tragenden Partei und des Militärs unter Beweis stellen. Statt „Klein Klein“ in preußischen Adelspalästen sollten Monumentalbauten errichtet werden, die Rom und andere Metropolen in den Schatten stellen und noch in tausend Jahren die Menschen erschauern lassen. Mit einem Triumphbogen, einem Führerpalast, einem Reichsmarschallamt und weiteren Regierungs- und Parteibauten, zwei kilometerlangen Magistralen und anderen Monumentalbauten wollte sich das NS-Reich vor der Welt als Tausendjähriges Reich dauerhaft präsentieren. Auf der Spitze einer riesigen Kuppelhalle, die das siebzehnfache Volumen des Petersdoms in Rom gehabt hätte und gegen die das Reichstagsgebäude ausgesehen hätte wie eine Hundehütte, sollte ein riesiger Reichsadler mit der Weltkugel in den Klauen sitzen.

Geplant war, dass zwei breite Magistralen die Reichshauptstadt durchschneiden, zu deren Seiten riesige Bauten der obersten Reichsbehörden, der SS und der Gestapo stehen sollten. An der Heerstraße sollte eine neue, in Stil und Dimensionen den anderen Germania-Bauten angepasste Hochschulstadt entstehen. Die meisten dieser damals von der Presse bejubelten Bauten kamen nicht zur Ausführung. Das in der Nähe des Landwehrkanals erbaute Haus des Reisens hat den Krieg nur als Ruine überstanden und wurde 1962/63 abgerissen. Heute steht hier das Kulturforum. Auch von der prunkvoll ausgestalteten Neuen Reichskanzlei ist kein Stein mehr erhalten., und die im Hof des Regierungssitzes tief im Erdreich verborgenen Bunker sind verschwunden. Neonazis haben hier keine Gelegenheit, an großdeutsche Herrlichkeit aufleben zu lassen. Lediglich der aus der NS-Zeit stammende Flughafen Tempelhof, das ehemalige Reichsluftfahrtministerium, das Propagandaministerium, die Reichsmünze und weitere Staatsbauten haben es bis in die Gegenwart geschafft, nachdem man die Embleme des untergegangenen „Dritten Reichs“ entfernt hat.

Um die irrwitzigen Utopien des Diktators zu verwirklichen, begann Albert Speer in seiner Eigenschaft als Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt damit, vor und während des Krieges zahlreiche Wohn-, Geschäfts- und Verwaltungsbauten abzureißen. Ein Stadtplan in der Ausstellung zeigt, welche Bezirke „judenrein“ gemacht werden sollten. Die rund um den Kurfürstendamm und in Wilmersdorf aus ihren Wohnungen vertriebenen Bewohner wurden deportiert und ermordet, was aber bei der Beurteilung des 1942 zum Rüstungsminister ernannten Speer im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess kaum eine Rolle gespielt hat.

Nicht uninteressant ist, dass Speer plante, die Berliner Hochbunker aus dicken Betonmauern und -decken mit Reliefs zu verzieren und aus ihnen Ehrenmale für Soldaten der Luftwaffe zu machen. Die mit Schwertern, Adlern und Eichenkränzen geschmückten Platten werden im Rahmen der Ausstellung „Mythos Germania - Vision und Verbrechen“ als Versuche gezeigt, simple Betonbunker in Ehrenhallen zu verwandeln.

Dass Bomben in deutschen Städten unendliches Leid anrichteten, haben Hitler und Speer billigend in Kauf genommen. Die Zerstörungen galten sogar als wertvolle Vorarbeiten für neue Bauaufgaben. Leider hätten die Engländer in Berlin nicht dort getroffen, wo Abrisse geplant waren, „aber immerhin ist ein Anfang gemacht“, stellte Hitler gegenüber Speer fest. Im Nachhinein befand der Architekt und Rüstungsminister, der 1946 im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess mit einer zwanzigjährigen Zuchthausstrafe blendend davon kam, Hitlers Leidenschaft für Bauten der Ewigkeit habe völliges Desinteresse an Verkehrsstrukturen, Wohngebieten und Grünflächen gegenüber gestanden. Die soziale Dimension sei ihm völlig gleichgültig gewesen. Ähnlich wie Berlin sollten die anderen so genannten Führerstädte München, Nürnberg, Hamburg und Linz um- und neugestaltet werden. Bis 1950 wurden allein für Berlin 500 Millionen Reichsmark veranschlagt, insgesamt rechnete der Architekt und Rüstungsminister mit „reichsweiten“ Investitionen in Milliardenhöhe. Einwände des Reichsfinanzministeriums, dass diese enormen Summen nicht zu bezahlen sind, wurden von Hitler empört vom Tisch gewischt.

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