Grundlagen für den Holocaust - Auf dem Nürnberger Reichsparteitag beschlossen die Nazis vor 80 Jahren die Rassengesetze und die Wehrpflicht



Im Themenjahr 2013 dokumentierten zahlreiche in Berlin aufgestellte Gedenksäulen die Wirkung der NS-Rassengesetze auf das geistige und kulturelle Leben im damaligen Deutschen Reich und die grausamen Schicksale der von ihnen betroffenen Menschen.
(Foto: Caspar)

Im Festkalender der NSDAP und des NS-Staates standen die alljährlich in Nürnberg veranstalteten Reichsparteitage ganz oben. Weitere politische Feiertage waren der 30. Januar als Tag der so genannten Machtergreifung, Hitlers Geburtstag am 20. April, der 1. Mai als der 1933 neu eingeführte Tag der Arbeit, das Erntedankfest sowie der 9. November, der Tag des Hitlerputsches von 1923. Der Gipfel der Massenmobilisierung wurde bei den Reichsparteitagen in Nürnberg erreicht. Stundenlang mussten in großen Blocks angetretene Männer und Frauen sowie Soldaten, SA- und SS-Leute, Abgesandte der Hitlerjugend, des Reichsarbeitsdienstes und anderer Verbände unter freiem Himmel ausharren, bis Hitler durch eine breite Schneise auf die Tribüne schritt und von dort zu seinen Untertanen sprach.

Jeder der stets Anfang September veranstaltete Reichsparteitage hatten ein besonderes Motto, und zwar Sieg des Glaubens (1933), Triumph des Willens (1934), Reichsparteitag der Freiheit (1935), Reichsparteitag der Ehre (1936), Reichsparteitag der Arbeit (1937) und Reichsparteitag Großdeutschlands (1938). Das Treffen von 1939 fiel aufgrund des Kriegsbeginns aus, sein Motto Reichsparteitag des Friedens war nicht mehr zeitgemäß. Die Aufmärsche, Paraden, Appelle und das Totengedenken erreichten durch die von Propagandaminister Joseph Goebbels gesteuerte Presse sowie den Rundfunk und die Wochenschau größte Verbreitung und erzielten auch im Ausland Wirkung. Die Filmaufnahmen unter der Regie von Leni Riefenstahl zeigen, wie es das Regime vermochte, einen großen Teil der Deutschen ganz und gar der NS-Ideologie zu unterwerfen.

Gravierende Folgen hatte der Reichsparteitag vom 10. bis 16. September 1935. Auf ihm wurde vor nunmehr 80 Jahren nicht nur die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Befreiung von den Fesseln der Versailler Vertrags frenetisch gefeiert, wie es damals hieß. Der Parteitag bot den Rahmen für die Verkündung der Nürnberger Rassengesetze, mit denen Juden aus der deutschen „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen und diskriminierenden Beschränkungen unterworfen wurden. Da der Reichstag den gesetzlichen Grundlagen für den Holocaust formal zustimmen musste, wurden die Abgeordneten nach Nürnberg beordert, damit sie am Abend des 15. September 1935 einstimmig ihr Votum abgeben und die Rassengesetze als Wille des Volkes ausgeben konnten. Die von Hermann Göring verkündeten Bestimmungen verboten Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder "artverwandten" Blutes und legten fest, dass trotzdem geschlossene Ehen nichtig sind. Weiterhin wurde der außereheliche Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes verboten. Bei Zuwiderhandlungen sprachen die Gerichte Zuchthaus- und Gefängnisstrafen sowie Geldstrafen aus. Zahlreiche Erlasse, die den Rassengesetze von 1935 folgten, schränkten die im Deutschen Reich verbliebenen Juden in ihrer Bewegungsfreiheit weiter ein und verurteilten sie zu einem unwürdigen, perspektivlosen Außenseiterdasein. Mit der Einführung des sichtbar an der Kleidung zu tragenden Gelben Sterns am 1. September 1941 waren sie in der Öffentlichkeit sofort zu erkennen.

Nürnberg erhielt 1935 den Titel „Stadt der Reichsparteitage“. Das von Albert Speer, dem Gestalter der „Welthauptstadt Germania“ und späteren Rüstungsminister, für eine halbe Million Teilnehmer konzipierte Reichsparteitagsgelände war elf Quadratkilometer groß, doch wurden die Baupläne nur zur Hälfte verwirklicht. Die Luitpoldarena war der damals größte Aufmarschplatz der Welt und bot Platz für 150.000 Teilnehmer. Ein Torso blieb die für 50.000 Besucher bestimmte Kongresshalle, die seit 2001 ein Dokumentationszentrum beherbergt. Das Zeppelinfeld war für 250.000 Teilnehmer und 70.000 Zuschauer bestimmt, außerdem sollte noch ein riesiges Teilnehmerlager gebaut werden. Unklar ist das weitere Schicksal der Bauten des Reichsparteitagsgeländes, die vor sich hin rotten. Der monumentale Reichsadler überm Hakenkreuz war unmittelbar nach dem Ende der NS-Diktatur unter dem Jubel amerikanischer Soldaten gesprengt worden.

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