Von Moabit nach Auschwitz - Ehemaliger Güterbahnhof soll Holocaust-Gedenkstätte bekommen



Das Denkmal auf der Putlitzbrücke unweit des S-Bahnhofs Westhafen soll durch ein weiteres Mahnmal auf dem Gelände des Moabiter Güterbahnhofs ergänzt werden.



Ein nachgestalteter Viehwaggon im Bereich der ehemaligen Synagoge an der Levetzowstraße sowie Bodenplatten mit Ansichten zerstörter jüdischer Gotteshäuser erinnern an die Verfolgung- und Ermordung der Berliner Juden in der NS-Zeit. (Fotos: Caspar)

Vom Berliner Güterbahnhof Moabit gingen ab März 1942 so genannte Osttransporte ab. In Viehwaggons zusammengepfercht, wurden von hier tausende Juden nach Auschwitz, ins todbringende Gas deportiert. Eine neue Gedenkstätte soll daran erinnern, wie die Nazis die Reichshauptstadt „judenrein“ machten. Die Fahrten begannen am 16. Oktober 1941 und endeten erst kurz vor dem Untergang des NS-Reiches und des Zweiten Weltkriegs. Insgesamt gab es 63 dieser Transporte vom Moabiter Güterbahnhof, der auch als Bahnhof Putlitzstraße bekannt ist, sowie vom Güterbahnhof Grunewald. Von den Gleisen 69, 81 und 82 des in den Nazi-Dokumenten nur „Mo“ genannten Bahnhofs Moabit ist kaum etwas erhalten. Lediglich ist der gepflasterte Weg dorthin in Resten erhalten, und hier soll mit Hilfe der Lottostiftung eine Holocaust-Gedenkstätte geschaffen werden. In das Erinnerungsmal sollen die alten Pflastersteine sowie ein Stück der alten Laderampe einbezogen werden, und es wird auch geprüft, wie Linien zu einem älteren Denkmal auf nahe gelegenen der Putlitzbrücke und zu anderen Gedenkorten gezogen werden können.

Seit 1987 erinnert eine von Volkmar Haase geschaffene Skulptur aus Stahl auf der Putlitzbrücke an die Verfolgung und Ermordung der Berliner Juden. Das Mahnmal aus poliertem Stahl ist als zweifacher Grabstein gestaltet, der sich hoch in den Himmel reckt. Die eine Stele verbindet den Davidstern mit einer Inschrift darunter, die andere endet in einer Treppe, die ins Nichts führt. Die Inschrift beschreibt die Situation derer, die von hier in den Tod geschickt wurden: „Stufen, die keine sind. Eine Treppe, die keine Treppe mehr ist. Abgebrochen. Symbol des Weges, der kein Weg mehr war. Für die, die über Rampen, Gleise, Stufen und Treppen diesen letzten Weg gehen mussten. Vom Bahnhof Putlitzbrücke wurden in den Jahren 1941-1944 zehntausende jüdischer Mitbürger in Vernichtungslager deportiert und ermordet.“ Eine kleine Tafel neben dem Mahnmal weist ergänzend darauf hin, dass es seit seiner Einweihung im Jahr 1987 Ziel diffamierender Schändungen war. „Ein Sprengstoffanschlag am 29. August 1992 beschädigte das Mahnmal teilweise schwer restauriert und wieder aufgestellt im März 1993 SCHULD die nie verjährt betroffen sind wir alle NIE WIEDER“.

Ein weiteres, 1988 enthülltes Mahnmal für die über 55 000 von den Nazis ermordeten Berliner Juden steht in der Levetzowstraße (Ortsteil Moabit) auf dem Gelände einer früheren Synagoge. Das Gemeinschaftswerk des Bildhauers Peter Herbrich sowie der Architekten Jürgen Wenzel und Theseus Bappert besteht aus mehreren Elementen. Hinten, zu einem Spielplatz hin, ragt eine symbolische Rampe schräg in den Himmel. In eine Eisenplatte sind Daten und Zahlen über die Transporte in die Vernichtungslager geschnitten. Zwischen dieser Rampe und einem nachgebildeten Eisenbahnwaggon auf Schienen, der die Todestransporte versinnbildlicht, steht auf einem Sockel ein in Stein gehauenes Bündel von Menschen, das durch ein Stahlseil zusammengeschnürt ist. Im Wagen erkennt man ebenfalls die Umrisse von Menschen. Auf einer Bodenplatte sind Ansichten von Berliner Synagogen wiedergegeben, die von den Nazis geschändet oder vernichtet beziehungsweise im Krieg zerbombt und danach abgetragen wurden.

Das Denkmal markiert einen Platz, auf dem eine 1914 eingeweihte Synagoge stand. Sie hatte den Pogrom am 9. November 1938 überdauert und wurde im Zweiten Weltkrieg von der Jüdischen Gemeinde genutzt. Das Gotteshaus wurde 1944/5 weitgehend zerstört und 1956 im Zuge einer Art baulicher „Vergangenheitsbewältigung“ abgerissen, wie viele andere geschichtsträchtige Ruinen auch, darunter das Prinz-Albrecht-Palais als Sitz der Gestapo und des Sicherheitsdienstes der SS an der Wilhelmstraße im Bezirk Kreuzberg.

Die Synagoge in der Levetzowstraße wurde 1941 auf Weisung der Gestapo in ein Sammellager für Juden umgewandelt, die evakuiert werden sollten, so die euphemistische Bezeichnung für die Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Viele Opfer ahnten, was ihnen bevor stand. Es herrschten Angst und Verzweiflung, und manche Menschen begingen Selbstmord. Der Augenzeuge Siegmund Weltlinger berichtete: „Technisch erfolgten anfänglich Abtransporte in der Weise, dass die Jüdische Gemeinde auf Anforderung der Gestapo zu den einzelnen Transporten eine aufgegebene Anzahl von Menschen zusammenstellen musste. Dies war eine furchtbare Aufgabe für die verantwortlichen Persönlichkeiten. Im Anfang versuchte man nur die Unverheirateten zu verschicken. Bald aber nützten keinerlei Erwägungen mehr; die Gestapo, welch alle Listen besaß, bestimmte selbst die Opfer, und sogenannte Reklamationen von Persönlichkeiten, die sich durch besondere Verdienste einen großen Ruf erworben hatten, konnten später auch nicht mehr berücksichtigt werden. Zum Schluss mussten alle daran glauben, die nicht in sogenannter Mischehe lebten...“

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