Ausgegrenzt, enteignet und verfolgt, aber nicht vergessen

Berliner Zoologischer Garten arbeitet braune Vergangenheit auf und gedenkt seiner von den Nazis verfolgten jüdischen Freunde und Aktionäre



Um 1935 warb dieses ausdrucksstarke Plakat für den Besuch des
Berliner Zoologischen Gartens, in den man aber nur "Arier" einließ.




Die meisten historischen Zoo-Bauten wie dieser auf einer alten Postkarte
abgebildete altägyptische Tempel wurden im Zweiten Weltkrieg zerbombt,
und es entstanden an ihrer Stelle Neubauten.




Das in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben Antilopenhaus ist
Schauplatz der neuen Ausstellung über die Geschichte des Zoologischen Gartens Berlin.
(Repro/Fotos: Caspar)


Wer durch den Berliner Zoologischen Garten geht, trifft auf Schritt und Tritt in Bronze gegossene Büsten zur Erinnerung an Persönlichkeiten, die sich als Freunde und Hüter der Tiere national und international einen Namen gemacht haben. Eine von Emil Wolff geschaffene Büste ehrt den ersten Zoodirektor Martin Hinrich Lichtenstein, eine andere ist Heinz-Georg Klös gewidmet, der von 1956 bis 1991 dem Zoologischen Garten Institution vorstand. In seine Amtszeit fallen die Eröffnung des Nashornhauses und des Raubtierhauses sowie die Wiedereröffnung des Aquariums aber auch die Zusammenführung des Zoos mit dem Tierpark Friedrichsfelde. Die im Jahr 2000 zum 50-jährigen Dienstjubiläum von Klös enthüllte Büste ist eine Arbeit von Heinz Spilker, der auch andere Zoodirektoren porträtiert hat. Zwischen beiden Köpfen schauen die Direktoren Ludwig Heck und Lutz Heck auf die Besucher. Die einzige Frau in der bronzenen Männerriege ist Katharina Heinroth, die dem Berliner Zoo nach den schrecklichen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs neues Leben einhauchte und seine Geschicke als Direktorin von 1945 bis 1956 bestimmte. Unlängst wurde vor dem Aquarium eine Büste von Werner Schröder aufgestellt, der es von 1952 bis 1959 geleitet und ihm Weltruhm verschafft hat. Eine Porzellantafel an der Fassade des Aquariums erinnert an Schröder und andere um Zoologischen Garten verdiente Wissenschaftler.

Gäbe es nicht eine vor dem Kopf von Lutz Heck aufgestellte Tafel und neuerdings die Ausstellung "Berliner Zoo Geschichten in Zeiten von Monarchie, Diktatur und Demokratie" im Antilopenhaus, würde man den früheren Zoodirektor als einen von vielen Persönlichkeiten einordnen, die sich um die Entwicklung der Berliner Institution verdient gemacht haben. Die Schrift auf der Tafel klärt auf, warum das, was unter Hecks Direktorat geschah, alles andere als ein Ruhmesblatt war. "Lutz Heck passte sich und den Zoologischen Garten Berlin bereitwillig dem Nationalsozialismus an. 1933 wurde er förderndes Mitglied der Schutzstaffel (SS). 1937 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Heck arbeitete für das nationalsozialistische Reichsforstamt. Während seiner Dienstzeit wurden im Zoologischen Garten Berlin ausländische Zwangsarbeiter ausgebeutet. 1945 entzog sich Heck einer Verhaftung durch Flucht."

Mit Schande bedeckt

Die Tafel endet mit dem Hinweis, dass die Büste 1984, ein Jahr nach Hecks Tod, aufgestellt wurde. Das war in einer Zeit, als man sich im damaligen Westberlin und darüber hinaus nur ungern daran erinnerte, dass auch im Berliner Zoo die nationalsozialistischen Rassengesetze auf grausame Weise praktiziert wurden. Ab 1938 hatten Juden dort, wie auch in Museen, Bibliotheken und anderen Einrichtungen keinen Zutritt mehr, und es dauerte nicht mehr lange, bis sie "auf Transport" geschickt wurde, womit die Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager gemeint war. Der Zoo habe sich mit Schande bedeckt, fasste der Historiker Wolfgang Benz, der als Mitglied eines Beirats an der Ausstellung beteiligt war, das dunkle Kapitel der Zoogeschichte zusammen.

Was die Tafel vor der Büste von Lutz Heck nicht erwähnt, ist ein besonders trauriges Kapitel der braunen Zoogeschichte. In der Ära des von Hitler zum Professor ehrenhalber ernannten Direktors wurden die jüdischen Aktionäre des Berliner Zoologischen Gartens auf üble Weise ausgegrenzt und enteignet. An diese "Arisierung" erinnert eine andere, in der Königlichen Porzellanmanufaktur gefertigte Gedenktafel am Antilopenhaus. Ohne Punkt und nur mit einem Komma heißt es dort: "Der Zoologische Garten Berlin entwickelte sich gerade auch mit Unterstützung seiner JÜDISCHEN AKTIONÄRE zu einem kulturellen und gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt Während der NS-Herrschaft wurden sie diskriminiert, verfolgt, entrechtet und enteignet Sie waren gezwungen, auch ihre Zoo-Aktien zu veräußern Als Juden blieb ihnen der Zutritt zum Zoologischen Garten Berlin verwehrt In Trauer und zur steten Mahnung Zoologischer Garten Berlin Aktiengesellschaft."

Noch im Jahr 2000 behauptete der Justitiar des Zoologischen Gartens auf bohrende Nachfragen zum Zwangsverkauf der in jüdischem Besitz befindlichen Zoo-Aktien sowie über das Besuchsverbot für "Nichtarier" wider besseren Wissens und in einer Sprache, die fassungslos macht, eine Enteignung dieser Aktien habe niemals stattgefunden. "Ich kann Ihnen mit absoluter Sicherheit bestätigen, dass ich im Zoo niemals irgendwelche judenfeindliche Schilder oder Hinweise gefunden habe […] Dem Zoo ist es im Übrigen völlig gleichgültig, welchen Glaubens seine Aktionäre sind. […] Aus diesem Grunde hat irgendeine Sonderbehandlung [!] von jüdischen Aktionären auch in der Nazizeit niemals stattgefunden".

Alles lag klar auf dem Tisch

Dabei waren seit langem erschreckende Einzelheiten bekannt, nur wollte man sie in Zeiten der Ost-West-Konfrontation nicht zur Kenntnis nehmen, als Nazis von ganz anderem Kaliber als Lutz Heck unter deutschen Dächern ein gut dotiertes Leben führten und nur in Ausnahmefällen zur Verantwortung gezogen und verurteilt wurden. Übrigens wurden im Zoo Hinweisschilder mit "Juden raus" und zum Zwecke der diskriminierend gelb gestrichene Bänke nicht gebraucht, weil schon am Eingang streng darauf geachtet wurde, dass die unter die nazistischen Rassengesetze fallenden Menschen gar nicht erst herein gelassen wurden. Hitlers und Lutz Hecks "Volksgenossen" durften wissen, dass sie ganz unter sich sind.

Für die Ausstellung hat sich der Historiker Clemens Maier-Wolthausen durch Berge alter Akten gearbeitet. Anhand der Dokumente beweist er, dass der Berliner Zoo sich ganz auf der Linie der NS-Diktatur befunden hat und sein Direktor Lutz Heck voll und ganz in seinem Dienst stand. Das sicherte ihm und dem Zoo die Sympathie der Mächtigen im NS-Staat und sorgte für nicht versiegende Geldquellen. Als im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Mitarbeiter an die Front mussten und Arbeitskräftemangel herrschte, hatte Heck keine Skrupel, Zwangsarbeiter zu ordern und bis aufs Blut auszubeuten.

Von der Pfaueninsel nach Schöneberg

Die von Clemens Maier-Wolthausen kuratierte Ausstellung schildert die Geschichte des Berliner Zoologischen Gartens, dessen Keimzelle eine königliche Menagerie auf der Pfaueninsel mit Hirschen, Büffeln und auch allerlei exotischen Tiere war. Friedrich Wilhelm III. betrachtete das Tiergehege nicht als Privatzoo, sondern gab dreimal in der Woche dem interessierten Publikum Gelegenheit, noch nie gesehene Vier- und Zweibeiner zu betrachten. Die Berliner und ihre Gäste sollen in hellen Scharen zur Pfaueninsel nahe Potsdam gepilgert sein, um diese noch sehr gewöhnungsbedürftige Tierwelt zu bestaunen. Irgendwann platzte das Gehege aus den Nähten, und so war der Bau eines auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Zoologischen Gartens nötig, der 1844 in Schöneberg, damals noch am Rande Berlins gelegen, von König Friedrich Wilhelm IV. nach einer Konzeption des schon auf der Pfaueninsel tätigen Zoologen Martin Hinrich Lichtenstein und auf Empfehlung des Weltreisenden und Kammerherrn Alexander von Humboldt eröffnet wurde.

Recht mühsam war es anfangs, Berlins neueste Attraktion zu erreichen, denn Droschken konnten sich nur Begüterte leisten, während der große Rest der Besucher per pedes unterwegs war, vorbei an Gastwirtschaften, in denen auch Milch ausgeschenkt wurde, weshalb man den Weg auch Milchstraße nannte. Bald schon war der Zoologische Garten ein "Muss" für jeden Berlin-Besucher. Auf dem Gelände veranstalteten Militärkapellen Konzerte, und es wurden in edlem Ambiente sogar Pressebälle gegeben, ja es gab hier 1872 ein Treffen von drei Kaisern, das in einem Beistandspakt mündete. Wer mochte, konnte in den Restaurants beim Geschrei und Gebrüll der Tiere stimmungsvoll speisen. In einem der Häuser, dem riesigen Kaisersaal, sollen bis zu 10 000 Personen bei Theateraufführungen und Konzerten Platz gefunden haben. 1943 allerdings gingen die in indischem, ägyptischem und anderen Baustilen errichteten Tierhäuser im Bombenhagel unter und wurden, bis auf das in "siamesischen" Formen erbaute Antilopenhaus, nicht wieder aufgebaut. Obwohl nur 91 Tiere den Zweiten Weltkrieg überlebten und 1945 kaum jemand auf eine Wiedergeburt zu hoffen wagte, gehören der Zoologische Garten Berlin und das ihm angeschlossene Aquarium zu den weltweit bedeutendsten Einrichtungen dieser Art.

4. Dezember 2016

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"