Unter aller Augen

Deutsches Historisches Museum dokumentiert antisemitische und rassistische Hetze auf kleinen Klebezetteln



Solche Aufkleber waren, sofern sie in der Nazizeit gefunden und angezeigt wurden,
Gegenstand von Ermittlungen der Gestapo und von Strafverfahren mit schlimmen Folgen.




Auf hinterhältige Weise haben Antisemiten Stimmung für
die Auswanderung von Juden nach Palästina gemacht.




Dass Flüchtlinge willkommen sind, unterstreichen solche Aufkleber, die man
überall sehen kann, doch lassen sich auch solche finden,
die in menschenfeindlicher Weise das Gegenteil fordern. (Fotos: Caspar)


Sie kleben auf Straßenschildern, an Briefkästen, in Bahnhöfen, auf Mülltonnen und Briefen, auf Fenstern und Autoscheiben, Litfasssäulen und Laternenpfählen, praktisch überall. Schon im 19. Jahrhundert waren die Klebemarken und -zettel massenhaft verbreitet. Das kleine Format und die aufgedruckten Sprüche und Bilder der liebevoll- freundlichen oder auch der böswilligen Art sorgten für weite Verbreitung der auf der Rückseite mit einer Klebeschicht versehenen Zettel. Es gab Leute, die die mit Spucke befeuchteten und daher auch Spuckis genannten Bildchen sammelten und tauschten. Die meisten waren harmlos und dienten der Bildung über Länder und Völker der Erde. Mit ihnen wurde für alle möglichen Produkte geworben und auch auf Ereignisse aller Art hingewiesen. Doch gab es auch Aufkleber mit ausgesprochen rassistischen und Gewalt verherrlichenden Inhalten sowie solche, die dagegen Front machten. Was da unter aller Augen einst produziert und verklebt wurde und was heute im Schwange ist, was also Propaganda und was Gegenpropaganda war, schildert die Ausstellung "Angezettelt - Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute", die bis zum 31. Juli 2016 im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums in Berlin gezeigt wird.

Die Aufkleber waren billig und schnell verfügbar, und sie offenbarten deutlich die weltanschauliche Haltung derer, die sie verwendeten, ohne dass sie sich zu erkennen geben mussten. Wer Parolen wie "Die Juden sind unser Unglück" oder "Juden raus" auf die Rückseite seiner Briefe klebte, wer an Schaufensterscheiben die Parole "Wer beim Juden kauft ist ein Volksverräter" seine gab sich seiner Umgebung klar als Antisemit zu erkennen, und wer antwortete "Die Nazis sind unser Unglück" gab zu verstehen, was er von solcher Hetze hält. Unter Antisemiten waren Klebezettel mit judenfeindlichen Bildern und Slogans populär, doch jüdische Organisationen ließen sich nichts gefallen und wehrten sich, solange sie es noch bis zur so genanten Machtergreifung der Nazis 1933 konnten, gegen diese Hetze und bekämpften öffentlich antisemitische Propaganda.

Auch heute werden Aufkleber zur politischen Agitation genutzt. "Refugees welcome" oder "Nein zum Heim"-Aufkleber signalisieren entweder Akzeptanz oder Ablehnung, sie ermutigen Menschen oder schüchtern sie ein. Die Ausstellung zeigt Klebezettel, Sammelmarken und -bilder, Briefverschlussmarken und Sticker vom Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus bis zur Gegenwart in ihren jeweiligen Kontexten. "Angezettelt" erzählt sowohl von menschenfeindlichen Ressentiments ebenso wie von der in Bildern, Symbolen und Inschriften ausgedrückten Abwehr antisemitischer und rassistischer Feindbilder. Das Deutsche Historische Museum im Zeughaus Unter den Linden 2 ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

(Eintrag vom 22. 4. 2016)

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