Sparen und Plusmachen

Preußens Soldatenkönig Fridrich Wilhelm I. musste die Schulden seines Vaters abtragen und hielt seine "Langen Kerls" aus kriegerischen Auseinandersetzungen heraus



Die vergoldeten Sarkophage des königlichen Paars Friedrich I. und
Sophie Charlotte stehen, von Andreas Schlüter geschaffen, im Berliner Dom.




Friedrich Wilhelm I. liebte seine "Langen Kerls" und drillte sie bis zum Umfallen.
Wer der Truppe entfloh und gefasst wurde, hatte sein Leben verwirkt.




Die Medaille aus dem Jahr 1732 schildert, wie Borussia, die Symbolfigur des
Hohenzollernstaates, Salzburger Glaubensflüchtlinge begrüßt.




Das im Schloss Köpenick tagende Kriegsgericht lehnt es auf dieser Illustration
aus der Zeit um 190 ab, den desertierten Kronprinzen Friedrich (II.) zum Tod
zu verurteilen und bittet den König (links), selber zu entscheiden




Das Porträt des Kronprinzen Friedrich im Museum der Fontanestadt
Neuruppin erinnert daran, dass der spätere König in der Garnisonstadt
stationiert war und in Rheinsberg residiert hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Als der erste preußische König Friedrich I. am 25. Februar 1713 in Berlin starb, sank eine pracht- und prunkvolle Epoche dahin. Zwar richtete der Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm I. dem teuren Toten ein prächtiges Staatsbegräbnis aus und ließ von Andreas Schlüter einen vergoldeten Prunksarg herstellen, der im Berliner Dom neben dem vom gleichen Künstler geschaffenen Sarg der ersten Königin Sophie Charlotte steht. Wer erhofft hatte, beim neuen Landesherren Karriere zu machen, täuschte sich, ausgenommen tüchtige Beamte und besonders hoch gewachsene Soldaten. Friedrich Wilhelm I. jagte Hofschranzen aus ihren Ämtern und steckte Lakaien in seine Armee. Die von seinem Vater Friedrich I. gegründeten Akademien der Künste und der Wissenschaften versanken in einen Dornröschenschlaf. Da der Soldatenkönig höhere Bildung für leeren Formelkram hielt, wurden Gelehrte und Künstler schlecht behandelt, sofern sie nicht Gott, der Monarchie und den Soldaten nützlich waren. Manche von ihnen steckte der Herrscher in seine Armee, und wer dort nicht hinein wollte, suchte das Weite.

Als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm I. ohnmächtig zusehen müssen, wie hart erarbeitete Taler leichthändig verschleudert wurden und dass eine ehrgeizige und skrupellose Clique von Hofleuten von der Vetternwirtschaft profitierte. Endlich auf den Thron gelangt, setzte er neue Direktorien zur Straffung und Überwachung der Verwaltung ein. Der preußische Beamtenstaat war geboren, doch irrt wer annimmt, dass nun alles gut war. Die regelmäßige Androhung härtester Strafen für Faulheit und "Unterschleiff" sowie der Vollzug von Todesstrafen selbst für kleine Vergehen sagt nichts anderes, dass es dafür immer wieder triftige Gründe gab und es mit der strengen Ordnung im Staate der Hohenzollern wohl nicht sehr weit her war.

"Sparen und Plusmachen" machte der, was seinen persönlichen Lebensstil betraf, bescheidene König zum Ziel seiner Politik. Die Kassen sollten sich wieder mit harten Talern füllen, eine Reserve für schlechte Zeiten wurde gebildet. Aus diesem Grunde erfreuten sich Handwerk und Manufakturwesen besonderer königlicher Gunst, vor allem wenn sie der Armee dienten. Gern nahm der Herrscher Flüchtlinge aus katholischen Ländern bei sich auf und stattete die Handwerker, Bauern und wer sonst noch aus Glaubensgründen seine Heimat hatte verlassen musste mit Grundstücken, Häusern, Baumaterial und manchen Privilegien aus. Es hagelte königliche Edikte und Verordnungen, um die Ausgaben des Staates und jedes einzelnen Untertanen zu drosseln, aber auch um Einfuhren von auswärts und das Abwandern preußischen Geldes ins Ausland zu drosseln. Da die Einnahmen nicht ausreichten, zog der König die Steuerschraube drastisch an, was die Binnennachfrage, wie wir heute sagen würden, beeinträchtigte. Wie dem auch sei, der Monarch trug die Schulden seines Vaters ab und sammelte einen beachtlichen Staatsschatz an.

Da man in Preußen war, gab es für nahezu jede Lebensregung Verordnungen mit vielen Paragraphen. Ein Heer von Juristen wurde mit ihrer Abfassung beschäftigt, viele Edikte wurden ihnen vom König in die Feder diktiert, eine Kontrolle über Sinn und Rechtmäßig-keit fand im absolut regierten Preußen (und nicht nur dort!) nicht statt. Der König wollte alles wissen und alles entscheiden. Gefürchtet waren seine Randbemerkungen auf amtlichen Schriftstücken wie "Kuhlwein ist ein Narre, soll mir im arß lequen" oder "Ihr sollet wissen, dass in Spandow die Schub=Karre euch erwartet", was nicht anders bedeutet, dass der Gescholtene auf die Festung Spandau geschickt wird und dort, an eine Schubkarre gekettet, Zwangsarbeit leisten muss. Solche Einschüchterungen förderten Duckmäusertum und Angst vor kühnen Ideen.

Dass Friedrich Wilhelm I. kaum Kriege führte im Gegensatz zu seinem Sohn Friedrich II., der 1740 den Thron bestieg und sich sofort mit Österreich wegen seiner Ansprüche auf Schlesien anlegte, ist sicher diplomatischem Geschick und der Zurückhaltung geschuldet, die teuer angeworbenen und gekauften Soldaten im Felde tatsächlich auch einzusetzen und zu verlieren. Ganz bestimmt verdankte Preußen die relativ ruhige Zeit bis 1740 auch einer gewissen Friedfertigkeit seines gottesfürchtigen Monarchen, der persönlich wenig Staat von sich machte und eine eher bescheidene Hofhaltung führte. Wie es da zuging, kann man am besten in der Nebenresidenz Königs Wusterhausen erleben. Dort hängen einige vom kränkelnden Friedrich Wilhelm I. unter Schmerzen gemalten Ölbilder, und dort fanden auch das legendäre Tabakskollegium statt, ein Saufgelage, in dem es derb zuging und Hofnarren den Herrscher und seine Offiziersfreunde amüsierten (siehe Beitrag auf dieser Internetseite/Geschichte).

Schlampereien und Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung konnten den Herrscher fuchsteufelswild machen, gelegentlich drosch er, wie aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht, mit dem Knüppel auf unbotmäßige Beamte. Niemand war von seinen Zornesausbrüchen ausgenommen, auch die eigene Familie nicht. Die Drangsalierungen waren so schlimm, dass Kronprinz Friedrich 1728 mit seinem Freund Katte einen Fluchtversuch unternahm. Er misslang, und es fand im Schloss Köpenick, dem heutigen Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, ein Prozess wegen Fahnenflucht statt. Um ein Exempel zu statuieren, ließ der höchst erboste König Katte in Küstrin vor den Augen seines Sohns enthauptet. Dieser entging dem Todesurteil, wurde vom Hof seines Vaters entfernt und musste sich in der Provinz bewähren. Diesem Umstand verdankt Rheinsberg seine Pracht als kronprinzliche Residenz. Das von Knobelsdorff erbaute Rokokoschloss ist eine bedeutende Sehenswürdigkeit in der Mark Brandenburg.

Der Soldatenkönig war in seinen letzten Lebensjahren ein kranker Mann, kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten. Doch bis zu seinem Tod am 31. Mai 1740 gab er nicht ein Stück von seinen Kompetenzen ab. Als Friedrich II. den Thron bestieg, gab es ein großes Aufatmen. Die Musen kamen zu neuen Ehren, Philosophie sowie französische Literatur und heitere Musik lebten auf. Nur wenig später war Krieg. Der erst 28jährige Friedrich II. setzte den Staatsschatz und seine Soldaten für eine Serie von Kriegen um die zum Reich der Habsburger gehörende wohlhabende Provinz Schlesien und führte sein Land mehrmals an den Rand des Abgrundes. Seinen Vater sah Friedrich II. in mildem Licht, ganz anders als seinen Großvater Friedrich I., dem er nachsagte, er sei im Kleinen groß und im Großen klein gewesen. "Die Politik des Königs war stets untrennlich von seiner Gerechtigkeit", schrieb Friedrich II. über seinen Vater, unter dessen Zornesausbrüchen er und seine ganze Familie unendlich zu leiden hatte. "Er war weniger auf Mehrung seines Besitzes bedacht als auf dessen gute Verwaltung, stets zu seiner Verteidigung gerüstet, aber niemals zum Unheil Europas. Das Nützliche zog er dem Angenehmen vor. Er baute im Überfluss für seine Untertanen und wandte nicht die bescheidenste Summe an seine eigene Wohnung. Er war bedachtsam im Eingehen von Verbindlichkeiten, treu in seinen Versprechungen, streng von Sitten, streng auch gegen die Sitten der anderen. Unnachsichtig wachte er über die militärische Disziplin, und den Staat regierte er nach denselben Grundsätzen wie sein Heer." Sein Vater habe bei seinem Tod ein Heer von 66 000 Mann [korrekt: 76 000 Soldaten, H. C.] hinterlassen, das er durch sparsame Wirtschaft unterhielt, schrieb Friedrich II. weiter, dazu gesteigerte Staatseinkünfte, einen wohlgefüllten Schatz und in all seinen Geschäften eine "wunderbare Ordnung". "Wenn es wahr ist, dass wir den Schatten der Eiche, der uns umfängt, der Kraft der Eichel verdanken, die den Baum sprossen ließ, so wird die ganze Welt darin übereinstimmen, dass dem arbeitsreichen Leben dieses Fürsten und in der Weisheit seines Wirkens die Urquellen des glücklichen Gedeihens zu erkennen sind, dessen sich das königliche Haus nach seinem Tode erfreut."

Der erstmals 1937 erschienene Roman von Jochen Klepper "Der Vater" bringt das wechselvolle Leben des Soldatenkönigs in Erinnerung und ist später mehrfach aufgelegt worden. Da der tiefgläubige Verfasser mit einer Jüdin verheiratet war und sich nicht von ihr trennen wollte, setzten er, seine Frau und seine Tochter, die Deportation in ein Vernichtungslager vor Augen, am 11. Dezember 1942 ihrem Leben ein Ende. Die letzte Eintragung in seinem Tagebuch lautet: "Wir sterben nun - ach, auch das steht bei Gott - Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben." Ein Stolperstein vor dem Wohnhaus in der Teutonenstraße 23 im Berliner Ortsteil Nikolassee erinnert an diese "Flucht in den Tod".

(Eintrag vom 23. 4. 2016)

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