Kaiser mit und ohne Kleider

Wer sich in alter Zeit der Majestätsbeleidigung schuldig machte, konnte seinen Kopf verlieren oder kam ins Gefängnis



Wie Kaiser Wilhelm II. dem tapsigen Prinzregenten Luitpold von Bayern
zeigt, wo es lang geht, hat der "Simplicissimus" auf drastische Weise gezeigt.




Die von Wilhelm II. gestiftete Berliner Siegesallee war Ziel von Spott
und Hohn. Auf der Karikatur posiert, von der Polizei gestützt,
statt eines Hohenzollernfürsten ein reicher Unternehmer, die
angeketteten Arbeiter müssen tatenlos zuschauen.




Die längst überholte Fürstenherrschaft im Deutschen Reich
nahm der Karikaturist Thomas Theodor Heine aufs Korn.





In tiefster Ehrfurcht erstorben, so sahen der von seinem
Gottesgnadentum überzeugte Wilhelm II. und seinesgleichen
am liebsten ihre Untertanen. (Repros: Caspar)

Majestätsbeleidigung steht seit der Antike unter Strafe. Man stellte die "crimen laesae maiestatis" der Gotteslästerung gleich, weil der Monarch als eine von Gott in sein Amt eingesetzte geheiligte Person angesehen wurde. Wer sich gegen den Herrscher erhob und/oder ihn in Bild und Schrift herabsetzte und beleidigte, wer ihn sozusagen nackt und bloß stellte und ihn seines angemaßten Nimbus entkleidete, wurde als Rebell und Hochverräter angesehen und schwer an Leib und Leben bestraft. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wo Adlige und Bürger und ganz einfache Leute ihren Kopf verloren, weil sie sich mit offensichtlichem Unrecht nicht abfinden wollten und die Obrigkeit infrage stellten. Ein berühmtes Beispiel ist der Pferdehändler Michael Kohlhaas, der das Recht in die eigene Hand nahm und es sich mit den Kurfürsten von Brandenburg und von Sachsen verdarb und über den Heinrich von Kleist 1810 eine ergreifende Novelle veröffentlichte.

Das vom neu gewählten Reichstag beschlossene und am 15. Mai 1871 von Kaiser Wilhelm I. unterzeichnete Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs befasste sich ausführlich mit Anschlägen auf den Landesherrn und mit deren Beleidigung. Der Paragraph 103 unseres Strafgesetzbuches rückte im Zusammenhang mit der so genannten Böhmermann-Affäre, bei der es um die vulgäre Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan geht, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, diese als antiquiert angesehen Bestimmung noch in dieser bis 2017 laufenden Legislaturperiode abzuschaffen. Ungeachtet der Tatsache, dass der Paragraph 103 weder Kaiser noch Könige vor Schmähungen schützt, wird er wie zu Kaisers Zeiten Majestätsbeleidigungs-Paragraph genannt. Laut §. 94 des damaligen Reichsstrafgesetzbuches wurden "Tätlichkeiten" gegen den Kaiser und seinen Landesherrn mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft sowie in minder schweren Fällen mit Zuchthaus oder Festungshaft nicht unter fünf Jahren bestraft. Außerdem konnte auf Verlust öffentlicher Ämter und den Entzug von Mandaten erkannt werden. Beleidigungen der gleichen Personen sollten laut § 94 mit Gefängnis nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft. In gleicher Weise wurden laut §§ 96 und 97 auch Tätlichkeiten und Beleidigungen von Mitgliedern landesherrlicher Häuser geahndet. Zur Beleidigung von Bundesfürsten bestimmte der § 99 eine Gefängnisstrafe von einem Monat bis drei Jahre Gefängnis beziehungsweise Festungshaft. Wichtig war der Zusatz, dass die Verfolgung nur mit Ermächtigung des Beleidigten eintritt. Was jedoch unter Beleidigung angesehen wurde und wo sie beginnt, geht aus dem Gesetzestext nicht hervor. Ebenso bleibt offen, ob und wie das Andenken an verstorbene Potentaten geschützt wird, die oft genug alles andere als ein Musterbeispiel für Menschenfreundlichkeit und Friedfertigeit waren.

Im Abschnitt "Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten" bestimmte der § 102: "Ein Deutscher, welcher im Inlande oder Auslande, oder ein Ausländer, welcher während seines Aufenthalts im Inlande gegen einen nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staat oder dessen Landesherrn eine Handlung vornimmt, die, wenn er sie gegen einen Bundesstaat oder einen Bundesfürsten begangen hätte, nach Vorschrift der §§. 80. bis 86. zu bestrafen sein würde, wird in den Fällen der §§. 80. bis 84. mit Festungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder, wenn mildernde Umstände vorhanden sind, mit Festungshaft nicht unter sechs Monaten, in den Fällen der §§. 85. und 86. mit Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, sofern in dem anderen Staate nach veröffentlichten Staatsverträgen oder nach Gesetzen dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein."

Der §. 103 legte ferner fest: "Wer sich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft, sofern in diesem Staate nach veröffentlichten Staatsverträgen oder nach Gesetzen dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. §. 104 Wer sich gegen einen bei dem Reiche, einem bundesfürstlichen Hofe oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein." Erst unter Kaiser Wilhelm II. wurde die Majestätsbeleidigung faktisch abgeschafft, denn der § 95 Abs.1 des Reichsstrafgesetzbuchs bestimmte: "Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt, wird mit Gefängniß nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft." Das hielt Journalisten, Schriftsteller, Karikaturisten und andere Personen nicht ab, in Wort und Bild den Kaiser und seinesgleichen bloßzustellen. Sie mussten allerdings sehr vorsichtig vorgehen, um die Bestimmungen der Zensur zu umgehen, und konnten den Kaiser nicht unmittelbar angehen. Deshalb nahmen sie sich dessen Minister und Beauftragte vor und trafen durch sie am Ende doch ins Ziel.

Unter besonderer Beobachtung der Polizei und Justiz stand seit 1896 das Münchner Satireblatt "Simplicissimus". Es nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es gegen mangelhafte Rechtstaatlichkeit, gegen Ausbeutung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit, gegen die "Preußen" und die bornierte Adels- und Offizierskaste, gegen Bigotterie und Doppelmoral ging. Es kannte dann geschehen, dass die Zensur einschritt und auch Verfahren wegen Majestätsbeleidigung eröffnet wurden. Diese machten die Wochenzeitschrift weithin bekannt und trieben ihr im Laufe der Zeit viele neue Leser und Abonnenten zu. Dass das Blatt schon im ersten Jahrgang Gedichte von Georg Herwegh, eines der Wortführer des Kampfes für ein einheitliches demokratisches Deutschland während der Revolution von 1848/9 druckte, war mutig und sorgte für Verbote in Österreich, was die Redaktion als beste Werbung für den Simplicissimus auszuschlachten wusste.

Erst unter Wilhelm II. wurde die Majestätsbeleidigung faktisch abgeschafft, denn der § 95 Abs.1 des Reichsstrafgesetzbuchs bestimmte: "Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt, wird mit Gefängniß nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft." Das hielt Journalisten, Schriftsteller, Karikaturisten und andere Personen nicht ab, in Wort und Bild den Kaiser und seinesgleichen bloßzustellen. Allerdings mussten sie sehr vorsichtig vorgehen und alles tun, um die Bestimmungen der Zensur zu umgehen. Kritiker und Satiriker konnten den Kaiser nicht unmittelbar angehen. Deshalb nahmen sie sich dessen Freunde, Minister und Beauftragte vor und trafen am Ende ins Ziel.

Der aktuell in die Kritik geratene § 103 unseres Strafgesetzbuches "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten" lautet so: "(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen."

(In weiteren Beiträgen für diese Internetseite soll dargestellt werden, wie die Nazis mit ihren Kritikern umgingen und was in der DDR auf diesem Gebiet als "Boykotthetze" verfolgt wurde.)

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