"Junkerland in Bauernhand"

Vor 70 Jahren war die Bodenreform in der
Sowjetischen Besatzungszone in vollem Gang



Mit eingängigen Bildern und Parolen wurde vor 70 Jahren in der Sowjetischen Besatzungszone für die Enteignung der Großgrundbesitzer geworben.
Das Plakat zur Bodenreform wurde vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands herausgegeben. (Repro: Caspar)

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann in der Sowjetischen Besatzungszone die Enteignung der Gutsbesitzer. Die mit der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) abgestimmte, von der KPD und ab 1946 von der SED organisierte und überwachte Umgestaltung der Besitzverhältnisse auf dem Lande stand unter der Parole "Junkerland in Bauernhand" und war als demokratische Bodenreform deklariert. Schon vor der Errichtung der Nazidiktatur am 30. Januar 1933 hatte die Kommunistische Partei Deutschlands dafür geworben, den Großgrundbesitz zu zerschlagen und Rittergüter an landlose beziehungsweise landarme Bauern zu verteilen.

Die rigorose Enteignung und Vertreibung ging auf einen Wunsch des sowjetischen Diktators Josef Stalin zurück und begann offiziell am 2. September 1945 in der brandenburgischen Stadt Kyritz. Dabei erklärte der KPD-Vorsitzende und spätere DDR-Präsident Wilhelm Pieck, das Volk müsse sich von dem ihm von seinen ehemaligen Herren anerzogenen Untertanengeist, von der Hörigkeit und Knechtseligkeit befreien. Die Maßnahmen zielten darauf ab, die Großgrundbesitzer-Klasse zu zerschlagen, wie man damals sagte, und sich potenzieller Feinde zu entledigen. Unter dem Vorwand, Steine, Dachziegel, Holz und anderes Baumaterial für Neubauernhäuser gewinnen zu wollen, erhielten die ostdeutschen Landesregierungen die Weisung, möglichst viele Landschlösser, Gutshäuser und Wirtschaftsgebäude zu schleifen. Der am 9. September 1947 erlassene SMAD-Befehl "Maßnahmen zur Wirtschaftseinrichtung der Neubauernwirtschaften" bestimmte den Bau von 37 000 Häusern in den Neubauernwirtschaften, wobei die Materialien aus abzureißenden Kriegsbauten sowie aus Gutsgebäuden verwendet werden sollten.

Der Befehl 209, vorbereitet und untermauert durch eine massive Kampagne der ostdeutschen Kommunisten gegen Junker und andere "Volksschädlinge", öffnete alle Schleusen. Die Hundertjahrfeier der Revolution von 1848 und der Herausgabe des "Kommunistischen Manifests" in jenem Jahr durch Karl Marx und Friedrich Engels, aber auch Propagandakampagnen über den deutschen Bauernkrieg von 1525 boten Gelegenheit, Schreckensbilder über die Rolle des Adels in der deutschen Geschichte an die Wand zu malen. Unterschiedslos wurden Angehörige der Aristokratie mit Raubrittern, Militaristen und Faschisten gleichgesetzt. Ihre Enteignung und die Vernichtung ihrer Gutshäuser feierte man als große historische Tat und wusste sich darin mit den sowjetischen Genossen einig, die nach der Oktoberrevolution von 1917 die russische Oberschicht enteignet und liquidiert hatten.

Da auf örtlicher Ebene immer wieder Fragen nach dem Sinn der Aktion gestellt wurden, bei der ja auch dringend gebrauchter Wohn- und Arbeitsraum zerstört wurde, fühlten sich führende Genossen zur Klarstellung genötigt. Das Zentralsekretariat der SED wurde in einem von Walter Ulbricht und Anton Ackermann unterzeichneten Rundschreiben vom 31. März 1948 deutlich: "Der Abriss darf nicht nur unter dem Gesichtswinkel betrachtet werden, Baumaterialien für Neubauernsiedlungen zu gewinnen; viel wichtiger ist soweit als möglich die Spuren der Junkerherrschaft auf dem Dorfe zu vernichten". Die praktische Arbeit wurde von den Landesregierungen und örtlichen Funktionären organisiert und als Friedenswerk angepriesen. Die bei der Bodenreform verwendete Parole "Friede den Hütten, Krieg den Palästen" stammte aus der Zeit der Französischen Revolution von 1789. Sie wurde außerdem angesichts furchtbarer Verelendung großer Teile der deutschen Landbevölkerung in der Zeit vor der Revolution von 1848/49 populär.

Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gab es Versuche tausender ehemaliger Land- und Schlossbesitzer, ihre Güter und Gebäude zurückzubekommen. Das gelang nur in seltenen Fällen. 1991 entschied das Bundesverfassungsgericht, die im deutsch-deutschen Einigungsvertrag erfolgte Anerkennung der sogenannten Bodenreform in der damaligen SBZ sei verfassungsgemäß, weshalb die Enteigneten keinen Anspruch auf Rückgabe ihrer Besitzungen haben. Wer sein Erbe dennoch zurück haben wollte, musste es kaufen, und das ist vielfach auch gelungen.

Die vor 70 Jahren durchgeführte Bodenreform erfüllte nicht die wirtschaftlichen und politischen Erwartungen ihrer Initiatoren. Mit dem trotzigen Ruf "Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein" wurde die Misere in der Landwirtschaft kaschiert und die Bauern wurden für hohe und höchste Leistungen auf dem Acker aktiviert. Gemeint war zunächst, dass es auch ohne Hilfe von "oben" und selbst bei schlechtem Wetter gelingt, die Früchte angestrengter Arbeit einzufahren, wenn man es nur will. Der Spruch aus den frühen 1950-er Jahren hatte zudem eine klare antireligiöse Tendenz. Er richtete sich gegen die Kirche, die die Zwangskollektivierung der Bauern bekämpfte und ein besonderes Hassobjekt der SED war. Schaut man sich die Realitäten in den ländlichen Regionen an, dann sieht man, dass die Genossenschaftsbauern ohne Erntehelfer ihre Ablieferungsverpflichtungen kaum erfüllen konnten, denn ihre maschinelle Ausstattung der war in der Regel schlecht und der politische Druck auf die Bauern enorm, ihr Ablieferungssoll zu erfüllen. Die Folge war, dass viele ihrer Heimat den Rücken kehrten, solange das noch ging, und als Verräter an der sozialistischen Heimat verteufelt wurden.

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"