"Darum lebe ich"

Gedenkstätte Sachsenhausen trauert um Adolf Burger, der im Zweiten Weltkrieg englische und amerikanische Banknoten fälschen musste



Was sich hinter dem Lagertor des KZ Sachsenhausen abgespielt hat, dokumentierten
Adolf Burger und andere Überlebende des alltäglichen SS-Terrors.




Der Holocaust-Überlebende Adolf Burger (1917-2016) machte es sich zur Aufgabe,
heutige Generationen über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären.




In der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen ausgestellt, können die falschen Pfundnoten Laien durchaus täuschen.



Hinterlassenschaften der bei der Aktion Bernhard eingesetzten Häftlinge werden
in der Gedenkstätte Sachsenhausen als Zeugnis und Mahnung zu sehen.



Außer den falschen Pfund- und Dollarnoten wurden in den Baracken 18 und 19 solche
Propagandabriefmarken und anderes Hetzmaterial hergestellt. (Fotos: Caspar)

Die Gedenkstätte Sachsenhausen trauert um den slowakischen KZ-Überlebenden Adolf Burger, der am 6. Dezember 2016 in Prag im Alter von 99 Jahren verstorben ist. Burger war langjähriger Vizepräsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees (ISK) und ein bis ins hohe Alter engagierter Zeitzeuge. Als gelernter Drucker wurde er im Mai 1944 im KZ Auschwitz für das sogenannte Fälscherkommando im KZ Sachsenhausen rekrutiert. In der seit Herbst 1942 existierenden Werkstatt ließ die SS in großem Umfang britische Pfundnoten und amerikanische Dollars von jüdischen Häftlingen fälschen. Sie taten das unter ständiger Todesangst in einem vom übrigen KZ Sachsenhausen abgetrennten Komplex, über den die heutige Gedenkstätte aufgrund der Erinnerungen der Zwangsarbeiter ausführlich berichtet.

Stiftungsdirektor Günter Morsch würdigte Adolf Burger als eindrucksvollen Zeitzeugen, der durch seine Berichte erst die hochgeheimen, von dem SS-Offizier Bernhard Krüger beaufsichtigten Fälschungen und die Umstände ihrer Herstellung weltweit bekannt gemacht hat. "Burger war unermüdlich in seinem Engagement und Kampf gegen den Nationalsozialismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Dabei ging es ihm vor allem darum, die jungen Menschen mit seiner Geschichte zu erreichen. In unzähligen Zeitzeugengesprächen hat er vor Schulklassen über seine Zeit im KZ Auschwitz und in der Fälscherwerkstatt Sachsenhausen gesprochen. Unser Mitgefühl gehört seinen Töchtern und allen Angehörigen", erklärte Morsch.

Des Teufels Werkstatt

Mit den millionenfach gefälschten Pfund- und US-Dollar-Scheinen wollten die Nationalsozialisten der Wirtschaft und dem Geldwesen auf der britischen Insel Schaden zufügen sowie Nazi-Agenten und kriegswirtschaftliche Vorhaben finanzieren. Die Scheine sollten von Flugzeugen abgeworfen und über geheime Kanäle in die "Feindstaaten" eingeschleust werden. Adolf Burger und seine Kameraden überlebten wie durch ein Wunder den NS-Terror. Er veröffentlichte bereits 1948 einen Bericht über seine Haft im KZ Auschwitz und über die Fälscherwerkstatt. Mehrere Neuauflagen folgten. Das Buch "Des Teufels Werkstatt" liegt in zahlreichen Übersetzungen vor. Burgers Erinnerungen dienten als Vorlage für den Spielfilm "Die Fälscher". Der Film des österreichischen Regisseurs Stefan Ruzowitzky gewann 2008 einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film. In einem Gespräch mit dem Autor dieser Internetseite bestätigte Burger damals, dass der Film weitgehend der Wahrheit entspricht.

Adolf Burger wurde 1917 in der heutigen Slowakei in eine jüdische Familie geboren. Als gelernter Drucker engagierte er sich früh im Widerstand gegen die deutsche Besatzung, indem er unter anderem Taufscheine für Juden fälschte. Im August 1942 wurde er wegen seiner illegalen Tätigkeit verhaftet und mit seiner Frau in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort musste er Zwangsarbeit leisten, unter anderem im Aufräumkommando an der Rampe in Auschwitz-Birkenau. Seine Frau Gisela wurde in Auschwitz ermordet. Im Mai 1944 kam er zum Fälscherkommando in das KZ Sachsenhausen, ein Jahr später wurden die Häftlinge im KZ Ebensee in Österreich befreit.

Begonnen wurde die probeweise Herstellung von 10-Shilling- und Ein-Pfund-Noten zunächst in einer verschwiegenen Wannseevilla, wo man sich mit der Zusammensetzung des Papiers, der Herstellung von Wasserzeichen, der Entschlüsselung des Nummerierungsmodus und anderer Finessen befasste. Echte Pfundnoten wurden auf Herz und Nieren geprüft. Proben ergaben, dass sie aus einem aus Baumwolle mit gebrauchten Leinen-Hadern gemixten Material bestehen, das im Handschöpfverfahren zu Büttenpapier verarbeitet wurde. Unter strenger Geheimhaltung konnte nach vielen Experimenten in der bekannten Fabrik für Geldscheinpapier in Spechthausen bei Eberswalde das Druckpapier zur vollen Zufriedenheit der Auftraggeber in der schwarzen SS-Uniform produziert werden.

Streng abgeschirmte Baracken

Da eine Falschgeldaktion dieser Größenordnung auf Dauer nicht in der vornehmen Grunewald-Villa ausgeführt werden konnte, befahl der Reichsführer SS Heinrich Himmler im Herbst 1942 die Verlegung der Falschgeldstelle in das Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin. In der heutigen Mahn- und Gedenkstätte wird der unzähligen ermordeten, verstümmelten und gequälten Häftlinge gedacht, und doch spielt hier auch "Unternehmen Bernhard" eine Rolle. In den streng abgeschirmten Baracken 18 und 19 des KZ Sachsenhausen wurden von jüdischen Häftlingen, die man aus verschiedenen Konzentrationslagern hergebracht hatte, nicht nur jene Pfundnoten und gegen Kriegsende auch US-Dollarscheine, sondern auch jugoslawisches Partisanengeld und englische Briefmarken mit Propagandaaufdrucken sowie verschiedenste Dokumente produziert.

Die jüdischen Häftlinge kamen aus dem grafischen Gewerbe kamen oder hatten als Bankleute und Geldwechsler beruflich mit der Materie zu tun. Sie erhielten besseres Essen als ihre Leidensgenossen außerhalb der Fälscherwerkstatt, und sie wurden nicht so von den Wachmannschaften gequält und drangsaliert wie die andern KZ-Insassen. Allerdings war den Zwangsverpflichteten klar, dass sie nicht lange zu leben haben, weil die Nazis unbedingt verhindern wollten, dass ihre Machenschaften irgendwann ans Tageslicht kommen.

Gute Qualität bescheinigt

Da man die falschen Pfundnoten nicht "druckfrisch" in den englischen Geldkreislauf schleusen durfte, wurden sie künstlich auf "alt" getrimmt. Häftlinge mussten die Scheine zerknittern und einreißen, da und dort auch beschreiben, selbstverständlich mit Tinten, die von deutschen Agenten aus England besorgt wurden. Über diplomatische Kanäle und durch Spione wurden die mit vielen Alterungsmerkmalen ausgestatteten, dabei aber ganz neuen Geldscheine nach England und in andere Staaten geschafft. Britische Spezialisten bescheinigten den Falsifikaten, dass sie beim Normalbürger "durchgehen" würden, selbstverständlich aber von Fachleuten als nachgemacht erkannt werden. In der Fachliteratur werden dafür auch die Gründe genannt. Für die Häftlinge bestand allezeit akute Lebensgefahr, denn sie haben die Geldfälscherei so weit es ging sabotiert. Bei den US-Banknoten kamen nicht die gewünschten Resultate zustande. Reichsführer SS Himmler drohte mit Erschießung der Gefangenen, falls nicht bald brauchbares Material zur Ver-fügung steht.

In den letzten Kriegswochen wurden die Arbeiten eingestellt, die Maschinen zerlegt und Spuren verwischt. Verschiedene Häftlinge haben die Auflösung des KZ Sachsenhausen im Frühjahr 1945 überlebt, so dass sie nach dem Krieg ihr Wissen zu Protokoll gegeben konnten. Einer von ihnen war der tschechische Antifaschist Oskar Skala. Er notierte, in welchen horrenden Mengen jene Pfundnoten gedruckt wurden. Sie reichen von 3,9 Millionen Stück Fünf-Pfund-Scheine bis zu 1,28 Millionen Stück Fünfzig-Pfund-Scheinen. Nach Berechnungen von Historikern belief sich die Gesamtstückzahl auf über 8,9 Millionen. Im Film "Der Fälscher", der noch einmal das schreckliche Geschehen aufrollt und die Leiden zwangsverpflichteten Häftlinge schildert, wird von Blüten im Wert von 134 Millionen Pfund gesprochen, aufgeteilt in Werte zu fünf-, zehn-, 20 und 50 Pfund Sterling.

Als wäre nichts gewesen

Adolf Burgers Buch endet nicht mit der Befreiung von Burger und seinen Kameraden durch amerikanische Truppen im KZ Ebensee, sondern führt die Leser in die Nachkriegszeit hinein und schildert das weitere Schicksal der zur Geldfälschung gezwungenen Häftlinge, aber auch ihres Leiters Bernhard Krüger. Er verstand es, sich nach kurzer Haft eine "bürgerliche" Existenz aufzubauen, als wäre nichts gewesen, und spielte seine Rolle in der Aktion "Bernhard" herunter. So behauptete Krüger 1956 in einer eidesstattlichen Erklärung, es habe sich dabei um eine "wirtschaftsstrategische Maßnahme gegen England" gehandelt, in der als Leiter eines technischen Referats auf Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler tätig war. Burger fasst in seinem Buch sein Wissen nicht nur über die "Aktion Bernhard" zusammen, sondern schildert auch, was aus den in den Toplitzsee versenkten Druckutensilien wurde und wie größere Mengen der gefälschten Pfundnoten von Tauchern wieder ans Tageslicht gebracht wur-den. Im Nachwort schreibt der Autor, er habe überlebt, "damit ich als Zeuge der jungen Generation die unzähligen Verbrechen erklären und erläutern kann; damit sich so etwas nie wiederholt. Ich warne die Menschen vor der Ideologie des grausamen Mordens, die sich auch noch oder schon wieder in dieser oder jener Form und Region unserer Erde zeigt. Das ist meine Verantwortung, darum lebe ich".

LITERATRURHINWEIS

Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt. Des Teufels Werkstatt. Verlag Hentrich & Hentrich, Teetz 2004 (ISBN 3-933471-80-X) und Elisabeth Sandmann Verlag München 2007 (ISBN 978-3-938045-23-7)

Charlotte Krüger: Mein Großvater, der Fälscher. Eine Spurensuche in der NS-Zeit. Deutsche Verlags-Anstalt München 2015 (ISBN 978-3-421-04623-9)

Florian Osuch: "Blüten" aus dem KZ. Die Falschgeldaktion "Operation Bernhard" im Konzentrationslager Sachsenhausen. Karl-Richter-Edition Bd. 3, VSA-Verlag Hamburg 2009 (ISBN 978-3-89965-389-2)

Karl-Heinz Walz: Fälscher & Falschgeld. Fälschung, Verbreitung, Verfolgung - auf der Spur des falschen Geldes und seiner Hersteller. Battenberg Verlag in der H. Gietl Verlag und Publikations-service Regenstauf 2012 (ISBN 978-3-86646-084-3)

9. Dezember 2016

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