Dreikaisertreffen 1872 im Antilopenhaus

Hoffnung auf Einigkeit im Zusammenleben der Völker hatte nicht lange Bestand



Die drei Kaiser Wilhelm I., Franz Joseph und Alexander II. und ihre Minister Bismarck,
Andrassy und Gortschakow genossen die exotische Atmosphäre des Antipolenhauses
im Berliner Zoologischen Garten.




Reichskanzler Otto von Bismarck verabreicht Freunden und Feinden bittere Medizin.
Karikatur aus der 1841 gegründeten englischen Satirezeitschrift "Punch", die die
Vorgänge im Deutschen Reich genau beobachtete und kritisch kommentierte.




Die Karikatur aus dem gleichen Blatt schildert, wie 1890 der Lotse Bismarck
von Bord geht, womit seine wenig ehrenhafte Entlassung durch Kaiser Wilhelm II.
gemeint ist. Repros: Caspar)


Nach der Einigung von 1871 bemühte sich Reichskanzler Otto von Bismarck intensiv um die Festigung der Stellung des neuen Deutschen Reichs im Konzert der europäischen Mächte und bei der Abwehr von Bestrebungen, die überkommene monarchische Ordnung zu beseitigen und den etablierten Feudalmächten den Garaus zu machen. Russland, England, Österreich und vor allem Frankreich, der im Krieg von 1870/71 besiegte Gegner, beobachteten die Entwicklung im preußisch dominierten deutschen Kaiserreich mit gemischten Gefühlen. Da musste der Kanzler viel Überredungskunst und diplomatisches Geschick aufwenden, um bei den anderen Ländern Vorbehalte gegenüber dem neuen Stern am europäischen Himmel abzubauen und sie von seiner Friedfertigkeit und Kooperationsbereitschaft des neuen Deutschen Reiches zu überzeugen.

Eine gute Gelegenheit, sich als berechenbare Größe zu präsentieren und Friedenswillen zu unterstreichen, bot sich beim Berliner Dreikaisertreffen vom 9. bis 11. September 1872. Gastgeber Wilhelm I., der zugleich König von Preußen war, begrüßte in der jungen Reichshauptstadt, die sich gerade zur Millionenmetropole entwickelte, Zar Alexander II. von Russland und den österreichischen Kaiser Franz Joseph II. Auf Empfänge, Bällen und Paraden wurde herzliches Einvernehmen demonstriert. Ungewöhnlicher Ort der Verhandlungen und Festlichkeiten war das gerade erst fertig gestellte Antilopenhaus des Zoologischen Gartens. Es ist das einzige Gebäude, das die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überstanden hat und heute als Zeugnis einer an exotische Bauten in Afrika und dem Vorderen Orient erinnernde Bauweise. In einer Ausstellung berichtet seit kurzem der Zoologische Garten über seine Verstrickung in der Rassenpolitik der Nationalsozialisten und die Enteignung und Ausgrenzung der jüdischen Aktionäre in der Ära des mit den Nazis eng verbandelten Direktors Lutz Heck (siehe Beitrag vom 4. Dezember auf dieser Internetseite).

Hinter den Kulissen jenes Dreikaisertreffens von 1872 verhandelten Reichskanzler Otto von Bismarck, der zugleich Außenminister war, sowie Russlands Außenminister Alexander Gortschakow und sein österreichischer Kollege Gyula Graf Andrassy miteinander. Schriftliche Abmachungen über den Kaisergipfel wurden nicht getroffen, aber es sickerte durch, dass es um gemeinsame Maßnahmen zur Unterdrückung revolutionärer Bewegungen, um die russisch-österreichische Verständigung zum Erhalt des Status quo auf dem Balkan und die Haltung des Zarenreises gegenüber Frankreich ging, das sich zwei Jahre zuvor auf revolutionäre Weise der Monarchie entledigt hatte und eine von einem Präsidenten regierte Republik war. Das Berliner Treffen bereitete das Dreikaiserabkommen von 1873 vor, in dem sich die drei Monarchen zu gegenseitiger Verständigung im Falle militärischer Angriffe sowie zu solidarischer Hilfe bei revolutionären Unruhen verpflichteten.

Für mehrere Jahre bildete die 1872 befundene und 1873 bekräftigte Verständigung trotz vielfältiger Schwierigkeiten und Rückschläge die Grundlage für das Zusammenwirken der drei Monarchien auf außenpolitischem und sicherheitspolitischem Gebiet. Otto von Bismarck widmete dem ihm so wichtigen Thema in seinen Memoiren "Gedanken und Erinnerungen" viel Raum. Der Dreibund, um den er sich gleich nach dem deutsch-französischen Krieg bemüht habe, sei ein Bund der drei Kaiser mit dem Wunsch eines Beitritts des italienischen Königreichs gewesen. Er sei gerichtet gewesen auf den Kampf zwischen dem "System der Ordnung auf monarchischer Grundlage" und der "sozialen Republik". Für den deutschen Kanzler war es wichtig, dass die Staaten ihre Spannungen und Rivalitäten abbauen, denn es gab übergeordnete Dinge. "Wenn die monarchischen Regierungen für das Bedürfnis des Zusammenhaltens im Interesse staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung kein Verständnis haben, sondern sich chauvinistischer Regungen ihrer Untertanen dienstbar machen, so befürchtete ich, dass die internationalen revolutionären und sozialen Kämpfe, die auszufechten sein werden, um so gefährlicher und für den Sieg der monarchischen Ordnung schwieriger sich gestalten werden", schrieb Bismarck.

Der Reichskanzler appellierte an die Staaten, ihre Sonderinteressen im Interesse des Erhalts der bestehenden Ordnung hinter sich zu lassen. Der Reichskanzler hielt sich allerdings an die eigenen Vorgaben nicht. Durch einen 1875 gegen die französische Aufrüstung gerichteten, von Bismarck lancierten offiziösen Artikel in der Berliner "Post" mit dem Titel "Ist der Krieg in Sicht?" sahen sich England und Russland veranlasst, zugunsten Frankreichs zu intervenieren, was zu einer diplomatischen Aufwertung der Republik und zu einer politischen Schlappe Bismarcks führte.

11. Dezember 2016

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