Nachrichten blieben nicht länger geheim
Die deutsche Verschlüsselungsmaschine Enigma wurde von dem britischen Informatiker und Mathematiker Allan Turing geknackt




Eine 1937 hergestellte Enigma ist im Deutschen Historischen Museum
an der Straße Unter den Linden in Berlin ausgestellt. Mit austauschbaren
Chiffrierwalzen und zusätzlichen Steckverbindungen ließen sich geheime
Text verschlüsseln. Durch die extrem hohe Zahl möglicher Codes waren
die deutsche Wehrmacht und andere Anwender lange Zeit abhörsicher.




Dass am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa ein Ende fand und
danach führende Männer des "Dritten Reichs" in Nürnberg vor das
Internationale Kriegsverbrechertribunal gestellt werden konnten,
war zähen, verlustreichen Kämpfen gegen das Hitler-Regime auch mit Hilfe
von raffinierten Entschlüsselungsmaßnahmen zu verdanken. (Foto/Repro: Caspar)

Die nach dem griechischen Wort für Rätsel benannte Schlüssel- oder Verschlüsselungsmaschine Enigma spielte während des Zweiten Weltkriegs in der militärischen Kommunikation des Deutschen Reiches, im diplomatischen Dienst, der Polizei und den Sicherheitsdiensten, der Reichspost, Reichsbahn und auf anderen Gebieten eine bedeutende Rolle. Allerdings wussten alle diese Stellen nicht, dass es den Staaten der Anti-Hitler-Koalition ungeachtet immer wieder durchgeführter Verbesserungen am Sicherheitssystem gelungen ist, die per Enigma verschickten Funksprüche zu entziffern und sich aus ihrer Kenntnis Vorteile bei der Planung und Durchführung militärischer und politischer Aktionen zu verschaffen. Das von dem Erfinder und Unternehmer Arthur Scherbius (1878-1929) zum Patent angemeldete Gerät unterstreicht, wie man nach dem Ersten Weltkrieg versuchte, die bisherigen unsicheren und umständlichen Verschlüsselungstechniken durch bessere maschinelle Verfahren zu ersetzen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA und in anderen Ländern suchten Techniker damals nach Lösungen, die die Möglichkeiten des Fernschreibers mit denen des Telegrafen verbinden. Scherbius gründete 1923 in Berlin eine Firma und produzierte die anfangs für den zivilen Schriftverkehr bestimmten Geräte. Bald schon zeigte sich das deutsche Militär interessiert, das die Unzulänglichkeiten kryptographischer Geräte und Verfahren im Ersten Weltkrieg vermeiden wollte. So wurde die Enigma 1926 probeweise in der Reichsmarine und zwei Jahre später auch in der Reichswehr eingesetzt.

Angesichts der Kriegspläne der Nazis erlebte das Verschlüsselungsgerät nach 1933 einen Höhenflug ohnegleichen. Im Zweiten Weltkrieg sollen mehr als 30 000 dieser Maschinen hergestellt worden sein, von denen Exemplare im Deutschen Technikmuseum, im Museum für Kommunikation und im Deutschen Historischen Museum, alle drei in Berlin, ausgestellt sind. Bis 1945 wurden verschiedene Modelle eingesetzt, allen voran die Enigma I, mit der das am häufigsten benutzte Verschlüsselungsverfahren praktiziert wurde. Selbstverständlich setzten die Kriegsgegner des Deutschen Reichs alles daran, dessen Funkverkehr zu entschlüsseln und sich Einblick in Pläne und Vorgänge innerhalb der NS-Führung und weiteren Bereichen zu verschaffen. Mit den dabei gewonnenen Informationen ließen sich auch Agentenberichte und weitere Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und Gegenmaßnahmen einleiten. Ein amerikanischer Untersuchungsbericht fasste nach dem Krieg diese Erfahrung so zusammen: "Das Gefühl, den Feind zu kennen, ist höchst beruhigend. Es verstärkt sich unmerklich im Laufe der Zeit, wenn man regelmäßig und aufs genaueste seine Gedanken und Gewohnheiten und Handlungsweisen beobachten kann. Wissen dieser Art befreit das eigene Planen von allzu großer Vorsicht und Angst, man wird sicherer, kühner und energischer." So konnten die Alliierten unter anderem in der Schlacht im Atlantik im Wissen um die deutsche Strategie ihre Konvois an deutschen U-Booten vorbeisteuern. Außerdem half die Decodierung deutscher Botschaftsmeldungen den Alliierten dabei, ihre Angriffe effektiv auszurichten.

Bei der Vorbereitung der westalliierten Operation Overlord am so genannten D-Day, dem 6. Juni 1944, spielten entschlüsselte Enigma-Funksprüche eine herausragende Rolle, weil man die deutschen Gefechtsstellungen in der Normandie kannte. Auch im Osten hatten sowjetische Codebrecher Erfolg, so dass die Rote Armee auch in Kenntnis der geheimen Pläne des Oberkommandos der Wehrmacht bis nach Berlin und die Mitte des Deutschen Reiches vorstoßen konnten. Entscheidenden Anteil an der Entschlüsselung der Enigma hatte der britische Mathematiker, Logiker und Informatiker Allan Turing (1912-1954). Ungeachtet seiner großen Verdienste um Großbritannien wurde er dort wegen seiner Homosexualität strafrechtlich verfolgt und in den Tod getrieben. Erst 2013 wurde der geniale Wegbereiter der modernen Informations- und Computertechnologie wegen seiner "außerordentlichen Verdienste" während des Zweiten Weltkrieges von Queen Elizabeth II. durch einen "Royal Pardon" posthum begnadigt. 2009 hatte Premierminister Gordon Brown im Namen der Regierung eine offizielle Entschuldigung für die "entsetzliche Behandlung" Turings ausgesprochen und seine Leistungen im Kampf gegen das Naziregime gewürdigt. Es folgten öffentliche Ehrungen unter anderem durch Aufstellung eines Denkmals in Manchester.

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