Brot und Spiele

Feiertage und Jubiläen waren in der DDR beliebte Mittel zur staatlichen Selbstdarstellung und wichtig für den sozialistischen Wettbewerb



Ohne die Bildnisse der Klassiker des Marxismus-Leninismus und in den 50-er Jahren
des Stalinismus waren in der DDR Demonstrationen undenkbar, auch waren die
Losungen des ZK der SED stets Teil der Festrituale. Alle Tageszeitungen mussten sie abdrucken.








Erich Honecker und das SED-Politbüro nahmen mit Wonne die Huldigungen ihrer Untertanen
entgegen und glaubten, der Jubel sei echt. Sich selber konnten die so genannten
führenden Persönlichkeiten bei den Umzügen in die Augen schauen.




Zu Jahrestagen der DDR-Gründung kamen solche Münzen in hohen Auflagen
heraus, heute sind sie interessante Sammelstücke.



Der 40. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurde 1985 mit diesem Plakat gefeiert,
auf dem ein Sowjetsoldat ein kleines Kind im Arm hält. (Foto/Repros: Caspar)

Seit der Antike sind pompöse Feiern und Festspiele ein beliebtes Mittel, das Volk bei Laune zu halten und es für die jeweiligen Machthaber einzunehmen. Bei den alten Römern wurde an das Volk Brot und andere Nahrungsmittel ausgegeben, und es durfte auch in den großen Arenen zuschauen, wie sich Gladiatoren gegenseitig abschlachteten. Dergleichen gab es in der DDR natürlich nicht. Hier ging es zivilisierter zu, wenn das marschierende Volk aufgerufen wurde, den auf erhöhten, mit Fahnen, Blumen und Spruchbändern geschmückten Tribünen zuzujubeln.

Mit großem propagandistischem Aufwand wurden der 1. Mai als Feiertag der Arbeiterklasse, der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus, der 1. September als Weltfriedenstag zur Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 begangen. Ihnen folgten am zweiten Sonntag im September der Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg, während am 7. Oktober als Gründungstag der DDR hoch in Ehren stand. Im Jubiläums- und Feiertagskalender standen das Gedenken an die ermordeten Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg jeweils am zweiten Sonntag im Januar und der 7. November als Jahrestag der, wie es hieß, Großen Sozialistischen Oktoberrevolution obenan. Dann gab es den Tag der Nationalen Volksarmee am 1. März, den Tag der Freien Deutschen Jugend am 7. März, den Internationalen Frauentag am 8. März, den Gründungstag der SED am 21. April, den Tag des freien Buches am 10. Mai zur Erinnerung an die nationalsozialistische Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, den Internationalen Kindertag am 1. Juni und den Tag des Lehrers am 12. Juni.

Gefeiert wurden bei speziellen Ehrentagen die Mitarbeiter einzelner Wirtschaftsbereiche wie der Handel am dritten Sonntag im Februar, die Metallarbeiter am zweiten Sonntag im April, die Eisenbahner am zweiten Sonntag im Juni und die Genossenschaftsbauern und die Wasserwirtschaftler am dritten Sonntag im Juni. Außerdem gab es den Tag des Bauarbeiters am vierten Sonntag im Juni und den Tag der Deutschen Volkspolizei am 1. Juli. In der zweiten Jahreshälfte wurden mit speziellen Feiertagen am ersten Sonntag im Juni die Leistungen der Bergleute und Energiearbeiter gewürdigt, gefolgt am dritten Sonnabend im September der Tag der Werktätigen der haus- und kommunalwirtschaftlichen Dienstleistungen, am 13. Oktober der Tag der Seeverkehrswirtschaft und am dritten Sonnabend im Oktober der Tag der Werktätigen der Leicht-, Lebensmittel- und Nahrungsgüterindustrie. Das Jahr ging mit dem Tag des Chemiearbeiters am zweiten Sonntag im November, dem Weltjugendtag am 10. November, dem Tag der Metallurgen am 3. Sonntag im November, dem Internationalen Studententag am 17. November, dem Tag der Grenztruppen der DDR am 1. Dezember, dem Tag des Gesundheitswesens am 11. Dezember und schließlich am 13. Dezember mit dem Pioniergeburtstag zu Ende.

Die Liste ließe sich um weitere Feier-, Ehren- und Jahrestage verlängern. Oft waren sie Anlass zur Verleihung von Wanderfahnen und Ehrentiteln, es wurden Orden verliehen und Prämien mit dem Auftrag vergeben, die Kräfte zur Verwirklichung der Volkswirtschaftspläne weiter zu steigern. In den Medien wurden aus diesen Anlässen Grußadressen des SED-Zentralkomitees, des Staatsrates und der Regierung mit fast immer dem gleichen, auf hohe Planerfüllung und Treue zum sozialistischen Staat zielenden Sprüchen veröffentlicht. Wenn man witzelte, es sollten endlich auch mal die wenigen Tage gefeiert werden, die keine Feiertage sind, zog man sich den Zorn der Behörden zu.

Nicht genug damit gab es noch verschiedene Jubeljahre, die wie die genannten Feier- und Ehrentage für die Ausrufung von Wettbewerben und Kampagnen zur Stärkung des sozialistischen Rates genutzt wurden. Genannt seien das Karl-Marx-Jahr 1953 anlässlich des 135. (!) Geburtstags des Begründers des wissenschaftlichen Sozialismus, wie es damals hieß, der 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1967, der 50. Jahrestag der Novemberrevolution und der Gründung der KPD 1918, das Martin-Luther-Jahr 1983, die Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins 1987 und weitere von hochkarätigen Komitees vorbereitete Jubiläen. Selbstverständlich spielte im, Feierjahr der DDR Jahrestage der SED und der DDR eine große Rolle. Sie waren Auslöser von Wettbewerben und Jugendaufgeboten. In ihrem Zeichen wurden den Werktätigen in Stadt und Land neue Selbstverpflichtungen abverlangt, während die Partei- und Staatsführung mit großartigen Ankündigungen glänzte. Der 20. Jahrestag wurde 1969 im Zeichen einer römischen XX gefeiert, es wurde aus diesem Grund sogar ein neues Fünf-Mark-Stück aufgelegt, und auch später waren der 25., 30., 35. und 40. (und damit letzte) Jahrestag der DDR Anlässe zur Ausgabe von Sondermünzen. Das bei solchen Jubiläen entfaltete Gepränge konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich an den engen, trostlosen Verhältnissen im Lande kaum etwas änderte, und so trifft der 1969 umlaufende Spottvers "Keine Kartoffeln im Keller, keine Kohlen im Sack, es lebe der 20. Jahrestag" genau das Empfinden vieler Normalbürgers wie die Faust aufs Auge.

Zu den wichtigen politischen Feiertagen und SED-Parteitagen wurden Losungen ausgegeben und in den Medien verbreitet. Die von der Agitationsabteilung im ZK der SED ausgearbeiteten Parolen gaben den DDR-Bewohnern allgemeine politisch-ideologische Orientierungen sowie Zielvorgaben zur Planerfüllung und schworen sie auf die Parteilinie ein. Angesprochen wurden nahezu alle großen Gruppen in der Bevölkerung, die Mitglieder der SED ebenso wie die der Blockparteien und Massenorganisationen, aber auch speziell die Frauen und Mädchen sowie die Lehrer, die Angehörigen der Intelligenz, die Genossenschaftsbauern und die Angehörigen der "bewaffneten Organe". Die klassenkämpferischen Texte strömten Optimismus aus, kritische Töne waren nicht zu entdecken. Die im NEUEN DEUTSCHLAND und den anderen Medien veröffentlichten Losungen wurden, damit sie auch keiner vergisst, bei Demonstrationen per Lautsprecher und auf Plakaten verbreitet. Sie richteten sich fast immer an Männer, also an Mitarbeiter, Angehörige und Genossen, der weibliche Teil der Bevölkerung wurde, von Frauen und Mädchen abgesehen, nicht extra erwähnt, was zu empörten Eingaben an das SED-Zentralkomitee und andere Stellen führte und als Diskriminierung kritisiert wurde. Schaut man sich die Losungen an, dann sieht man, dass die Interventionen keinen Erfolg hatten.

17. September 2016

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