"Wer nicht französisch kann, der kömmt zu Hof nicht an"
Was die Berliner vor 300 Jahren von eingewanderten Hugenotten übernahmen und warum Friedrich II. das Deutsche nicht mochte




Brandenburgs Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm empfängt feierlich
französische Hugenotten. Darstellung aus dem späten 19. Jahrhundert.




Seine "Geschichte des Hauses Brandenburg" verfasste Friedrich II. auf französisch
und brachte sie 1751 in der eigenen Druckerei als Luxusausgabe heraus. (Repros: Caspar)

Das 1685 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm erlassene Edikt von Potsdam lud französische Hugenotten ins Kurfürstentum Brandenburg ein, das mit großen Mühen Folgen des Dreißigjährigen Kriegs überwand und dazu auch Hilfe von Fremden benötigte. In dem Dokument sicherte der Kurfürst den Franzosen "eine sichere und freye retraite" (Zuflucht) und gewährte ihnen Freundschaft und Zuwendung. Er nahm sie mit offenen Armen auf, stellte ihnen Hilfe bei der Begründung einer neuen Existenz in Aussicht. Die Hugenotten lebten und arbeiteten in eigenen Vierteln, hatten eigene Kirchen, Schulen sowie karitative Einrichtungen, und selbstverständlich verständigten sie sich untereinander in der Muttersprache. Eine "Vermischung" mit den Einheimischen fand zumindest in den ersten hundert Jahren kaum statt, denn Hochzeiten mit Deutschen waren nicht erwünscht.

Um 1700 machte die französische Kolonie etwa ein Fünftel der Berliner Einwohnerschaft aus. Man zählte bei ihnen 45 Schuhmacher, 42 Goldschmiede, 41 Schneider, 36 Perückenmacher, 26 Bäcker, 20 Tischler, 20 Posamentierer, 19 Tapezierer, 18 Gerber, 16 Hutmacher und viele andere Gewerke. Hinzu kamen 25 Ärzte und Wundärzte, 10 Apotheker, 18 Gastwirte, 18 Sänftenträger und sechs Maler. Somit bereicherten die Franzosen das gewerbliche Angebot und kulturelle Niveau in ihrer neuen Heimat. Der später wider Willen zu zweifelhaftem Ruhm als Hofnarr unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. gelangte Chronist Jacob Paul von Gundling lobte, dass Textil-, Strumpf- und Hutmanufakturen, Stahl- und Spiegelfabriken und weitere Gewerbe erst von den Franzosen eingeführt wurden. Indes hätten die Zuwanderer mit "übler Haushaltung der Magisträte und Kämmereien" zu tun gehabt, die ihren eigenen Vorteil beförderten und sich mehr um Juristerei und Prozesse als um den Kommerz kümmerten "und zufrieden waren, wenn sie durch Erhöhung der Zölle Geld herbei schaffen konnten." In besseren Kreisen bis hin zur Herrscherfamilie wurde französisch parliert, und das gemeine Volk integrierte fremde Wörter in die Alltagssprache. "Die teutsche Sprach' kommt ab, ein' andre schleicht sich ein. / Wer nicht Französisch redt, der muss ein Simpel sein", reimten Beobachter, und andere behaupteten "Wer nicht französisch kann, der kömmt zu Hof nicht an". Französisch zu sprechen galt als chic, vornehm, weltläufig und karrierefördernd, ähnlich dem Englischen heute, das bei passenden und unpassenden Gelegenheiten und oft in falschem Zusammenhang gebraucht wird. "Die Berliner radebrechen ständig französisch, pudern, parfümieren sich, putzen sich heraus, gebärden sich rücksichtslos und prallerisch", notierte der "Teutsche Kurier" im ausgehenden 18. Jahrhundert.

König Friedrich II., der Große, sprach und schrieb reinstes Französisch. Wenn er keine Kriege führte, Edikte erließ und seine Beamten mit Befehlen traktierte, wenn er nicht gerade komponierte und auf der Flöte blies, kluge und witzige Leute an seine Tafel lud sowie Schlösser und andere Prunkbauten errichten ließ, betätigte er sich als wortgewandter Schriftsteller und kenntnisreicher Historiker. Er saß am Schreibtisch, wenn andere Herrscher ins Bett oder zur Jagd gingen, er schrieb lange Abhandlungen, las eifrig Korrespondenzen und Aktenstücke und hinterließ an deren Ränder seine von Höflingen und Beamten so gefürchteten Anmerkungen, die zu lesen auch heute großes Vergnügen bereitet. In der antiken und neuzeitlichen Geschichte hervorragend bewandert, betätigte sich der Monarch als ebenso kundiger wie kritischer Historiker, etwa wenn er in umfangreichen Traktaten über die Entwicklung seiner eigenen Dynastie oder die Umstände reflektierte, die zu den Kriegen in seiner Zeit führten, oder wenn er sich in die Kriegsgeschichte vertiefte, um daraus für eigene Schlachten zu lernen.

Von der deutschen Sprache hielt der Monarch wenig. Er behauptete, sie wie ein Kutscher zu sprechen, und er schrieb seine deutschen Anmerkungen in grober Sprache und krakeligen Buchstaben, während er sich bei seinen französischen Texten einer gewählten Ausdrucksweise und feinen Schrift befleißigte. "Das deutsche Theater ist noch weit davon entfernt zu der Vollkommenheit zu gelangen, zu welcher die meisten der anderen Nationen gekommen sind, und die Platitüden eines ,Hanswurst' werden Ihre Aufmerksamkeit kaum anziehen können in einer Zeit, wo selbst die angenehmsten Gegenstände hätten, Sie von der großen Beschäftigung abzuziehen, die Sie haben", schrieb der König 1762 seinem Bruder Prinz Heinrich, der in Rheinsberg unter Einbeziehung seines Hofstaates Theater spielte. "Werfen wir einen Blick auf unser Vaterland. Ich höre da eine Sprache reden, die jeden Reizes ermangelt, und die jeder nach seiner Laune handhabt: ich höre wahllos gebrauchte Ausdrücke; man vernachlässigt die passendsten und ausdrucksvollsten Worte, und der Sinn geht in einem Meer von Nebensachen unter. [...] Wir werden unsere klassischen Schriftsteller haben; jeder wird sie lesen, um davon Nutzen zu haben; unsere Nachbarn werden deutsch lernen; die Höfe werden es mit Vergnügen sprechen; und es kann kommen, dass unsere fein und vollendet gewordene Sprache sich aus Vorliebe für unsere guten Schriftsteller von einem Ende Europas bis zum anderen verbreitet. Diese schönen Tage unsrer Literatur sind noch nicht gekommen, aber sie nahen sich. Ich kündige sie an, sie sind im Begriffe zu erscheinen; ich werde sie nicht sehen; mein Alter verbietet mir die Hoffnung. Ich bin wie Moses: ich sehe das gelobte Land von ferne, aber ich werde es nicht betreten". So lautet ein optimistischer Ausblick ders Königs in der Abhandlung "Über die deutsche Literatur", 1780. Friedrich II. machte den kuriosen Vorschlag, den Vokal a an Verben zu hängen, etwa redena, schreibena, schlafena, um die Sprache seiner Väter und Untertanen ein wenig gefälliger klingen zu lassen.

In unserer Alltagssprache finden wir auch heute aus dem Französischen, manchmal auch aus dem Lateinischen und weiteren Sprachen eingedeutschte Wörter. Genannt seien als Beispiele aus der französischen Sprache Adresse, adrett, Advokat, Akteur, Amouren, Amüsement/amüsieren, Annonce/annoncieren, Aperitif, arrogant, Attaché, Avenue, Bagage, Bagatelle, Baguette, Balkon, Ballon, Bankrott/Bankrotteur, Barbier, Barriere, Bastion, Bataillon, Bedrouille, Billett, blasiert, blümerant, Bonbon, Boutique, Bouillon, Budget, Chaise, Chaiselongue, Champagner/Schmapus, Chance, Charité, Charmeur, Chaussee, Concierge, Croissant, Dame/Madame, Destille, Domestik, Etat, Fasson/Façon, Feuilleton, Flaneur, Fontäne, Friseur, Garderobe, Gendarm, Jackett, jonglieren, Journalist, Konfitüre, Lakai, Livree, Malheur, Medaille, Milieu, modisch/Mode, Moment, mondän, Muckefuck, Neglige, Paravent, Parvenü, Parfüm, parfümieren, passabel, Platitüden, Pomade/pomadig, Pommes frites/Pommes/Pommesbude, Portier, Restaurant, Regiment, royal, Salon, Schatulle, schick/chic, Soße/Soucière, Souvenir, Souverän, Tabatière/Tabaksdose, Tablett, Taburett, Terrine, Toilette und viele andere. Nicht alle Wörter werden heute noch gebraucht, doch sollten sie an dieser Stelle in Erinnerung gehalten werden.

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