"Den Fürsten keinen Pfennig"

Vor 90 Jahren scheiterte im Deutschen Reich eine Volksabstimmung
zur Enteignung der ehemaligen Herrscherhäuser



Ex-Kaiser Wilhelm II. und seine fürstlichen Kollegen bedanken sich auf der
Karikatur von 1926 im "Simplizissimus" bei ihren ehemaligen Untertanen,
dass sie sie bezahlen und herrlich und in Freuden weiter leben lassen




Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten war bis 1945 Besitz des ehemaligen
preußischen und deutschen Kronprinzen Wilhelm und seiner Frau Cecilie.
Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs berieten hier im Sommer 1945 über das
Schicksal des zur Kapitulation gezwungenen Deutschen Reichs und des übrigen Europa.



Schloss Moritzburg bei Dresden sowie weitere Immobilien und
Vermögenswerte wurde dem sächsischen König und seiner Familie nach dem
Ende der Monarchie in Deutschland belassen. (Repro/Fotos: Caspar)


Nach dem Ende der Monarchie in der Novemberrevolution 1918 ging es den ihrer Throne verlustig gegangenen deutschen Fürsten im Unterschied zur Masse ihrer bisherigen Untertanen weiterhin gut. Einige Monarchen wie der deutsche Kaiser und preußische König Wilhelm II. und der bayerische König Ludwig III. gingen ins Ausland und lebten dort herrlich und in Freuden von den Erträgen ihres Vermögens und ihrer Güter. Ob in ihren Schlössern residierend wie der frühere König Friedrich August III. von Sachsen in Moritzburg bei Dresden, der frühere Kronprinz Wilhelm, ein Sohn Wilhelms II., in Cecilienhof und die vielen anderen großen und kleinen Monarchen - die ehemaligen Bundesfürsten und ihr Anhang hatten viel Geld und Gut über die Kriegs- und Nachkriegszeit gerettet. Manche träumten von der Wiedereinsetzung in ihre landesherrlichen Rechte, und es gab auch welche, die sich bei den braunen Aufsteigern, den Nationalsozialisten, anbiederten in der Hoffnung, mit deren Hilfe ihre Kronen und Throne zurückzugewinnen. Nicht alle Angehörige der ehemals regierenden Familien riskierten eine große Lippe. Es gab auch Fürsten und Prinzen, die aus der Öffentlichkeit verschwanden und nur dann Schlagzeilen machten, wenn sie starben und in den Grüften ihrer Ahnen beigesetzt wurden.

Während Millionen Deutsche am Rande des Existenzminimums vegetierten und mit den Folgen der Inflation zu tun hatten die selbst Bettler zu Milliardären machte, hielten die früheren Machthaber Hof und gingen, als sei nichts geschehen, ihren Steckenpferden nach, veranstalteten üppige Hoffeste und Jagden. Dann und wann mussten sie Ländereien und Kunstgegenstände zur Aufbesserung ihrer finanziellen Verhältnisse verkaufen, was aber bei den enormen Vermögenswerten, über die sie weiterhin verfügten, kaum auffiel.

Das schöne Fürstenleben sollte sich 1926 durch eine Volksabstimmung ändern. Unter dem Motto "Den Fürsten keinen Pfennig" wurde zunächst ein Volksbegehren über die Frage angestrengt, was mit dem Vermögen der deutschen Fürstenhäuser geschehen soll. Die Initiative für die entschädigungslose Enteignung der Fürstenhäuser ging von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aus, der sich nach einigem Zögern die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) sowie Mitglieder anderer Parteien bis hin zu liberalen und konservativen Kreisen anschlossen.

Wie ein Mann standen Monarchisten und Adelsverbände, Industrielle und Großagrarier, rechtsgerichtete Parteien sowie die Kirchen gegen die Aktion auf und sorgten mit Boykottaufrufen und massiver Hetze für ihr Scheitern. Die Betroffenen konnten sich die Hände reiben, denn der Staat handelte mit ihnen individuelle Abfindungsverträge aus, die die Teilung der Vermögensmassen zwischen den jeweiligen Ländern und den ehemals herrschenden Fürstenhäusern regelten und den Fürsten Rechtssicherheit garantierten. Wenn etwa im Berliner Schloss Charlottenburg der preußische Kronschatz gezeigt wird, dann ist das durch Leihgaben des vormals regierenden Herrscherhauses möglich. Denn der preußische Staat erkannte den Hohenzollern die Kroninsignien und viele andere Preziosen als Privatbesitz zu und überließ ihnen auch einige Schlösser samt kostbaren Ausstattungen. Dankbarkeit erntete die Regierung nicht, nach wie vor waren die "Sozis", die dort das Sagen hatten, ein rotes Tuch und Hassobjekt Nummer 1.

Als am 20. Juni 1926 dem Volksbegehren eine Volksabstimmung folgte, gaben von den etwa 39,7 Millionen Stimmberechtigten nur 15,6 Millionen ihre Stimme ab. Da sich weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten beteiligt hatten, war die Aktion gescheitert. Eine Analyse ergab, dass sich vor allem in agrarischen Regionen vermutlich auf Druck der örtlichen Gewalten besonders wenige Wähler an der Volksabstimmung beteiligt hatten. Bemerkenswert ist, dass die sich in einer Aufwärtsbewegung befindlichen Nationalsozialisten forderten, die Fürsten nicht zu enteignen, sondern die seit Kriegsbeginn 1914 eingewanderten Ostjuden.

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