Hofnarr wider Willen

Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. verzieh seinem "lustigen Rat" Paul von Gundling wahre Gelehrsamkeit und eine versuchte Fahnenflucht



Das in Holz geschnitzte Bildnis des zum Hofnarren
erniedrigten Gelehrten, dem man einen Bären aufgebunden hat,
kann man im Schloss Königs Wusterhausen bewundern.




Der pompöse Aufzug des mit klangvollen Titeln ausgezeichneten
Freiherrn von Gundling überdeckt nicht, dass sich bei diesem
um einen Erniedrigten und Beleidigten handelt hat.




Die Grafik aus dem 19. Jahrhundert schildert das Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I.
und zeigt, dass Kronprinz Friedrich (II., oben rechts) an den derben Späßen
seines Vaters mit Gundling wenig Gefallen fand.




Das reich verzierte Epitaph mit einer barock-weitschweifigen Eloge ist in
der Dorfkirche gegenüber dem Krongut Bornstedt erhalten. (Fotos/Repro: Caspar)

Kein Fürstenhof ohne Hofnarren - das war in feudalen Zeiten ein ehernes Gesetz. Wer die Rolle eines Spaßmachers freiwillig oder gezwungen spielte, war der Willkür seines Arbeitgebers ausgesetzt und konnte sich ihr bestenfalls durch Flucht entziehen. Paul von Gundling, der wohl bekannteste Narr am Hof des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., versuchte es im frühen 18. Jahrhundert und bekam dessen ganze Verachtung zu spüren, blieb aber im Unterschied zu anderen Deserteuren am Leben.

Gundling war zu Zeiten König Friedrichs I. ein geachteter Gelehrter, der sich mit Büchern über die Geschichte der Mark Brandenburg und des Kurstaates einen Namen gemacht hatte. Da aber der 1713 auf den Thron gelangte Friedrich Wilhelm I. aus tiefem Herzen alles verachtete, was mit höherer Bildung und Kultur zu tun hatte, und der anno 1700 auf Initiative des großem Universalgelehrten und Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz gegründeten Preußische Akademie der Wissenschaften das Leben schwer machte und ihre Arbeit zum Erliegen brachte, hatte ein Mann wie kluger Mann wie Paul von Gundling keine Chance. Der in seine Soldaten, namentlich in seine Langen Kerls, verliebte König hielt Wissenschaften und Künste für unnötigen Firlefanz, sofern sie nicht dem Staat, der Wirtschaft und der Armee unmittelbar dienlich sind, und er schreckte auch nicht davor zurück, seinem Sohn und Nachfolger Friedrich (II.) brutal das Vergnügen streitig zu machen, sich im Reiche der Literatur und Musik zu bewegen.

Der mit wohlklingenden Titeln ausgestattete Gundling war unter Friedrich I. ein geachteter Lehrer an der Berliner Ritterakademie, Rat beim königlichen Oberheroldsamt und Hofhistoriograph. Nachdem der Nachfolger Friedrich Wilhelm I. diese Dienststellen aufgelöst hatte, wandte er sich, arbeitslos geworden, dem Alkohol zu und war häufiger Gast in Schenken und Spelunken, wo er nicht bemerkte, wie man sich über ihn lustig machte und ihn zu Freibier und anderen Gefälligkeiten animierte. Die Wirte sahen Gundling nicht ungern, denn seine Anwesenheit lockte Gäste an, und die waren wiederum für den Umsatz gut.

Gundlings Popularität kam dem König zu Ohren, er brauchte einen witzigen Unterhalter und Vorleser und befahl den inzwischen etwas heruntergekommenen Herrn Professor zu sich ins Tabakskollegium. Bei deftiger Kost und viel Alkohol vergnügte sich der Soldatenkönig im Beisein seiner adligen Saufkumpane mit derben Späßen und gelegentlicher Austeilung von Prügel. In dieser Gesellschaft war Friedrich Wilhelm I. wie unter seinesgleichen, fühlte sich als Oberst unter seinen Offizieren. Er verlangte von seinen Gästen, dass sie sich kräftig an den Gemeinheiten gegenüber dem dienstverpflichteten Hofnarren beteiligen, und wer sich wie Kronprinz Friedrich, der spätere Friedrich der Große, abseits hielt, bekam den Zorn des Königs zu spüren. Für ihn war es einerseits kein Widerspruch, regelmäßig in die Kirche zu gehen und zu beten, ja auch Kirchen bauen zu lassen, und andererseits seine Untertanen zu bevormunden und zu kujonieren und zu quälen.

In dieser Runde von Säufern und Rauchern wurde Gundling mit Bier und Wein traktiert, und wenn er bei klarem Verstand war, musste er der trunk- und sangesfreudigen Gesellschaft aus Zeitungen vorlesen und sie mit allerhand Schnurren unterhalten, was eigentlich unter seinem Niveau war. Bezahlt wurde Gundling nicht allzu üppig, aber wie Chronisten erzählen, war es ihm wohl noch wichtiger, sich gratis der alkoholischen Schätze seines königlichen Herren zu bedienen. Während der Hofnarr mit akademischer Vergangenheit auf der einen Seite vom König mit äußerlichen Ehren überhäuft wurde und in geradezu üppiger Kostümierung unter einer üppigen Perücke auftreten durfte, musste er, mit den hohlen Titele eines Oberzeremonienmeisters, Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und Oberfinanzrats ausgestatte, auf der anderen Seite üble Scherze über sich ergehen lassen, wie es nun einmal bei Hofnarren üblich war.

Die Quälereien durch allmächtige Zeitgenossen machten Paul von Gundling systematisch kaputt. In seiner Verzweiflung suchte der Erniedrigte, Beleidigte und gelegentlich Verprügelte 1716 das Weite. Doch wurde er von den Häschern des Königs im preußischen Halle an der Saale gefasst, wo sein Bruder an der Universität als Professor lehrte, und wieder nach Potsdam gebracht. Friedrich Wilhelm I. war zufrieden, denn er mochte ohne die Gesellschaft seines "lustigen Rats" nicht leben und verzieh ihm seine Desertion. Im Falle seines fahnenflüchtigen Sohns Friedrich (II.) war er nicht so nachsichtig. Gegen ihn und seinen Freund Hans Hermann von Katte strengte er im Schloss Köpenick einen Prozess wegen Fahnenflucht an, der für Katte tödlich und für den Kronprinzen mit der Verbannung in die märkische Provinz endete.

Um der Eitelkeit des tief getroffenen Gelehrten zu schmeicheln und ihn noch weiter zu erniedrigen, erhielt dieser vom König den Titel eines Freiherrn und bekam die Würde eines Kammerherrn. Doch viel Freude an diesem Leben zwischen Glanz und Abgrund hatte der sich wie ein großer Herr gebärende Gundling nicht. In einen widerlichen Streit mit einem anderen Hofnarren namens David Fassmann verwickelt und von diesem in üblen Pamphleten beleidigt und lächerlich gemacht, endete das Leben des Hofnarren am 11. April 1731 im Potsdamer Stadtschloss. Wie um ihn zum letztenmal zu entwürdigen, ließ der König den Leichnam in ein Weinfass betten und in der Gruft der Kirche zu Bornstedt bei Potsdam bestatten, wobei der verhasste Fassmann die Leichenpredigt hielt und die evangelische Geistlichkeit dem unwürdigen Spektakel den Segen verweigerte. Die Inschrift auf dem ungewöhnlichen Sarg lautete: "Hier liegt in seiner Haut / Halb Schwein, halb Mensch, ein Wunderding, / In seiner Jugend klug, in seinem Alter toll, / des Morgens klug, des Abends toll und voll. / Bereits ruft Bacchus laut: /Das teure Kind heißt Gundeling". Paul von Gundlings Beispiel lehrt, wie dünn die Luft in der Umgebung der Mächtigen sein kann und dass man sich ihrer Gunst nicht immer sicher sein kann.

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