Hexen dichtete man alles Böse an

Wer nicht unter dem Vorwurf, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, verbrannt
wurde, endete auf andere schreckliche Weise



An der mittelalterlichen Stadtmauer von Bernau nördlich von Berlin
erinnert dieses Denkmal an jene Menschen, die im 16. und 17. Jahrhundert
der Hexerei beschuldigt und öffentlich verbrannt wurden.




Ein Priester spendet der zum Feuertod verurteilten Frau letzten Trost
in der Hoffnung, dass sie sich selber der Hexerei bezichtigt




Wer nicht verbrannt wurde, den hat man der Wasserprobe unterzogen und
gefesselt in einen Fluss geworfen. Wer diese Tortur überlebte, galt als unschuldig.
(Foto/Repros: Caspar)


Die Angst vor Hexen und Zauberern ist kein Phänomen des Mittelalters. Die öffentliche Hinrichtung von Frauen und von Männern, die man der Buhlschaft mit dem Bösen beschuldigte, fand auch später in Berlin statt und wurde erst 1714 verboten. Wem nachgesagt wurde, einen Bund mit dem Teufel abgeschlossen zu haben, und als Giftmischer, Besenreiter und Nachtungeheuer denunziert wurde, lebte gefährlich. Den angeblich Zauberkundigen gleich welchen Geschlechts wurde die Schuld an Naturkatastrophen, Krankheiten, schlechten Ernten sowie Tot- und Missgeburten angedichtet. Auf sie richtete sich, ähnlich wie auf Juden, die allgemeine Volkswut. Wenn man jemand loswerden wollte, eine Ehefrau, Nebenbuhlerin oder Geliebte etwa, hatte die Behauptung, die Person sei eine Hexe oder ein Zauberer, durchaus Erfolg. Frauen mit roten Haaren, hellen Augen bei dunkler Haut oder einem Buckel waren bevorzugtes Ziel solcher Verdächtigungen. Bei Warzen glaubte man, an ihnen würden Teufel oder Dämonen saugen. Wenn man Hexen oder Hexer stets nicht öffentlich verbrennen konnte oder wollte, hat man sie gefesselt ins Wasser geworfen. Wenn sie diese "Probe" überstanden, konnten sie in die Gesellschaft zurück kehren, waren aber ihr restliches Leben gebrandmarkt. Manchmal wurden so genannte Hexen gewogen, und wenn sie besonders dünn und leicht waren, galt das als Indiz, dass diese Personen bei Nacht auf dem Besen reitend durch die Lüfte fliegen.

Was sich auf diesem Gebiet in der märkischen Kleinstadt Bernau nördlich von Berlin mit dem Segen und Zutun der Kirche abspielte, ist Thema einer Gedenkstätte unweit des so genannten Henkerhauses. Die Gründe für die Anklagen und Urteile waren unterschiedlich. Oft spielten Neid, Missgunst und Eifersucht eine Rolle, aber auch unerklärliche Naturphänomene und Seuchen. Als 1617 der brandenburgische Kurfürst Sigismund Bernau besuchte, sollen mitgeführte Pferde tot umgefallen sein. Da man das Unglück mit Hexerei in Verbindung brachte, hat man 22 Bewohner der Stadt unter der Anschuldigung, mit dem "Herrn der Finsternis" im Bunde zu stehen, zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und unter allgemeinem Zulauf und Gelächter verbrannt. Nachforschungen ergaben Namen und Schicksale von 25 Frauen und drei Männern, die allein in Bernau zwischen 1536 und 1658 wegen angeblicher Hexerei denunziert, gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Es wird vermutet, dass 1701 der letzte Hexenprozess mit dem Todesurteil über ein fünfzehnjähriges Mädchen aus einem Dorf in der Uckermark stattfand.

Aus alten Überlieferungen ist bekannt, dass bei Hexenverbrennungen nicht nur Menschen in Flammen aufgingen, sondern auch sehr viel Holz und Kohlen. Der Scheiterhaufen bestand aus mehreren Kubikmetern Brennmaterial. Nicht immer hauchten die Delinquenten ihr Leben auf dem Scheiterhaufen aus. Wenn es die Gerichte mit ihnen "gut" meinten, wurden die Männer, Frauen und manchmal auch Kinder kurz vor dem Anzünden vom Henker erwürgt. Durch Verbrennung auf dem Scheiterhaufen wollte man erreichen, dass der im Körper der oder des Verurteilten wohnende Dämon auf Nimmerwiedersehen in Rauch aufgeht.

Die Angaben über Hexenprozesse und -verbrennungen in Berlin sind lückenhaft überliefert. Anno 1390 beschuldigte man eine alte Frau, ihre Nachbarin vergiftet zu haben, weshalb sie verbrannt wurde. Auch später gab es ähnliche Fälle. Die Meinungen über den Sinn solcher Prozesse hatten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) verändert. Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. befahl 1714, dass Folter oder auf ihr beruhende Urteile seiner Zustimmung bedürfen. Außerdem wurde angeordnet, alle noch im Land vorhandenen Brandpfähle abzuräumen, was einem Verbot der Hexenprozesse gleich kam. Dessen ungeachtet gab es noch 1721 ein solches Verfahren gegen eine Berliner Müllerstochter, die man verbotenen Umgangs mit dem Teufel beschuldigte. Da man sie aber nicht als Hexe anklagen und auch nicht wegen Hexerei verurteilen konnte, steckte man sie wegen Irrsinns ins Spandauer Spinnhaus, was einem Todesurteil gleich kam. Der König sei in seinen Ansichten über Zauberei seiner Zeit voraus gewesen, schrieb Stadthistoriker Adolf Streckfuß, denn das Volk habe ungeachtet von Verboten weiter an Hexen und Hexer geglaubt.

Eine wichtige Grundlage für die Hexenverfolgung war das 1486/7 in Straßburg veröffentlichte und durch viele Auflagen verbreitete Buch "Hexenhammer" (Malleus maleficarum). In ihm beschrieb der Dominikaner Heinrich Institoris, was er unter Hexen und Hexerei versteht und wie man entsprechende Prozesse führt. Da man Frauen für das angeblich schwache Geschlecht hielt und ihnen unterstellte, sie seien weniger stark im Glauben wie die Männer, nährten solche Bücher und abenteuerliche Mythen den Generalverdacht, nach dem sich alles, was feminin ist, leicht und ohne Bedenken dem Bösen hingibt. Nicht nur die katholische Kirche betrieb Macht- und Einschüchterungspolitik durch Erzeugung von Angst vor vermeintlichen Hexen und Zauberern inmitten der Gemeinden. Auch in protestantischen Ländern wie etwa Kurbrandenburg wurden Frauen und - zu einem Viertel auch Männer - der "Buhlschaft mit dem Teufel" angeklagt und nach quälenden Prozessen zum Feuertod verurteilt. Die Akten sind voll von Geständnissen, die unter Anwendung schrecklicher Foltermethoden erpresst wurden. Höhepunkt war nicht, wie man immer annimmt, das angeblich finstere Mittelalter, sondern die frühe Neuzeit nach 1550, also die Zeit von Reformation und Gegenreformation. Nach sorgfältigen Recherchen in alten Akten haben Historiker für die Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert rund 60 000 Hexenverbrennungen nachgewiesen. Da die Dunkelziffer nicht bekannt ist, muss man mit weiteren Opfern rechnen. Die immer wieder kolportierte Zahl von einer bis neun Millionen Hexenverbrennungen in dieser Periode ist sicher zu hoch gegriffen.

Doch 60 000 oder neun Millionen Hexenverbrennungen - hinter jedem Fall stecken schreckliche Schicksale und die Angst vor Unbekanntem und Unverständlichem. Jeder Anklage gingen Denunziationen und schreckliche Drangsalierungen, aber auch Folter oder wenigstens das Vorzeigen der dazu verwendeten Werkzeuge voraus. Natürlich gab es auch Lockangebote, das Verfahren durch Geständnisse und tätige Reue abzukürzen, etwa wenn ein Delinquent Komplizen nannte. Dass der Hexenwahn auch seine sexuelle Komponente hatte und mit wilden Männerphantasien verbunden war, gehört ebenso in die Betrachtung wie fantasiereiche Versuche verängstigter Zeitgenossen, sich mit Schutzbriefen, Amuletten und anderen Mitteln vor dem Teufel und seinen Gehilfen zu bewahren. In der Zeit der Aufklärung ab Mitte des 18. Jahrhunderts hatte der Hexenwahn ein Ende, die letzte Hinrichtung einer angeblichen Hexe im deutschsprachigen Raum fand 1782 statt. Die letzte öffentliche Verbrennung eines Berliner Brandstifters fand am 28. Mai 1813 nördlich der Jungfernheide statt. Um ihm sein Ende zu erleichtern, hatte man ihn heimlich erdrosselt, bevor die Fackel an das Holz gelegt wurde. In Preußen nahm man nach 1840 in der Ära König Friedrich Wilhelms IV. Abstand, Verbrecher öffentlich hinzurichten. Das tat man unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Spandau, Moabit und Plötzensee. Die Leichen kamen in die Anatomie und wurden zu Forschungszwecken zerlegt. Im Polizeihistorischen Museum am Platz der Luftbrücke 6 sind Schädel von Hingerichteten ausgestellt. Kinder und Personen mit schwachen Nerven sollten den Besuch meiden.

(2. Mai 2016)

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