Blick auf berühmten Platz

Als der Dichter, Musiker und Jurist E. T. A. Hoffmann noch über den Gendarmenmarkt geisterte / Michael Bienert lädt zu einem literarischen Spaziergang ein




Ein kleines Bronzedenkmal neben Schinkels Schauspielhaus hält
die Erinnerung an E. T. A. Hoffmann wach.




Hoffmann beobachtete, wie das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt
aus dem Boden wuchs. Die Kriegruine wurde in den 1980-Jahren wieder aufgebaut.



Das Alte Kollegienhaus an der Lindenstraße in Kreuzberg war der
Arbeitsplatz des Dichters und Juristen E. T. A. Hoffmann.
Heute ist das Barockgebäude Teil des Jüdischen Museums.



Die Porzellantafel erinnert daran, dass das hier tagende Kammergericht
ein Hort der Rechtsstaatlichkeit war. Doch schaut man hinter die
Kulissen, dann sieht man, dass da vielfach auch Unrecht gesprochen
wurde. Leider fehlt ein Hinweis auf Hoffmann. (Fotos: Caspar)


Der Gendarmenmarkt, von dem gesagt wird, er sei Berlins schönster Platz, war lange Zeit ein bescheidener Stadtraum, auf dem König Friedrich I. ab 1701 die Französische und die Deutsche Kirche erbauen ließ. Unter Friedrich dem Großen wurden zwischen 1780 bis 1785 riesige Kuppeltürme mit vergoldeten Figuren oben auf den beiden Kirchen hinzugefügt, was den Platz sichtbar aufwertete und ihm Würde und Maß gab. Zwischen beiden Gotteshäusern stand ein Französisches Theater, das 1802 abbrannte und von Karl Gotthard Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Tors, durch ein neues Nationaltheater ersetzt wurde. Dieser "Koffer" genannte Bau brannte 1817 bei Proben zu Schillers "Räubern" ab. Karl Friedrich Schinkel errichtete auf Weisung König Friedrich Wilhelms III. von 1818 bis 1821 einen klassizistischen Neubau. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, erlebte das Schauspielhaus, oder wie man heute sagt, das Konzerthaus Berlin, bis 1984 seine Wiedergeburt. Dabei wurde der Außenbau weitgehend original, das Innere aber nach historischen Vorbildern neu mit neoklassizistischem Zierrat ausgestaltet. Wer eine hervorragende Akustik genießen und Büsten berühmter Musiker betrachten will, ist im Schauspielhaus an der richtigen Adresse.

Jenen verheerenden Brand von 1817 hat der Komponist, Dichter und Kammergerichtsrat Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776-1822) mit Bangen beobachtet. Er wohnte gleich hinter dem Gendarmenmarkt an der Ecke Taubenstraße, von wo er das Geschehen beobachtete. "Ich könnte Ihnen erzählen, dass ich bei dem Brande des Theaters, von dem ich nur 15 bis 20 Schritte entfernt wohne, in die augenscheinlichste Gefahr geriet, da das Dach meiner Wohnung bereits brannte, noch mehr! - dass der Kredit des Staates wankte, da, als die Perückenkammer in Flammen stand und fünftausend Perücken aufflogen, Unzelmanns (des Schauspielers, H. C.) Perücke aus dem Dorfbarbier mit einem langen Zopf wie ein bedrohliches feuriges Meteor über dem Bankgebäude (der Preußischen Seehandlung, H. C.) schwebte - doch das wird Ihnen alles der Zauberer mündlich erzählen und hinzufügen, dass beide gerettet sind, ich und der Staat".

Am Nachfolgebau des Hoffmannschen Wohnhauses weist eine Bildnisplakette auf den berühmten Bewohner hin. Die Weinhandlung Lutter & Wegener hat sich im Erdgeschoss etabliert und pflegt das Andenken des Berliner Künstlers und Juristen, der am Gendarmenmarkt mit seinen "Serapionsbrüdern" manche Nacht durchzecht hat. Diese Tafelrunde bildete den Hintergrund für seine gleichnamige Sammlung von Erzählungen. Von hier aus wenige Schritte in Richtung Deutscher Dom steht in einer kleinen Grünanlage ein Bronzedenkmal E. T. A. Hoffmanns, das von Carin Kreuzberg geschaffen und 1998 aufgrund einer Initiative der E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft aufgestellt wurde. Die Erstfassung aus Sandstein wurde 1978 nahe dem damaligen Palasthotel und heutigen Domhotel vis à vis vom Berliner Dom aufgestellt und steht heute, vor vandalischen Anschlägen geschützt und flaniert von einem knienden Liebespaar, im Bezirksamt Mitte. Hoffmann wächst förmlich aus einer Säule heraus, in seiner linken Hand hält er die kleine gekrönte Schlange Serpentina aus dem Märchen "Der goldene Topf" in der Sammlung "Fantasiestücke in Callot's Manier. Blätter aus dem Tagebuche eines reisenden Enthusiasten". Sie verkörpert eine von drei Töchtern des Archivarius Lindhorst, zu der der Student Anselmus in Liebe entbrennt. Mit ihr wird der junge Mann in das sagenhafte Atlantis entrückt, was als ein Leben in der Poesie gedeutet wird.

Dass E. T. A. Hoffmann ein Multitalent war, als Jurist, Kapellmeister und Musikdirektor in verschiedenen Städten gearbeitet hat und unter seinem Brotberuf litt, nämlich am Berliner Kammergericht neben anderen Dingen auch mit preußischen Zensur-Angelegenheiten befasst zu sein, muss man sich beim Anblick des Medaillons an der Hauswand und der Büste hinzudenken. Hilfreich ist bei der Erkundung von Leben und Werk des Berliner Flaneurs das neue Buch von Michael Bienert "E. T. A. Hoffmanns Berlin. Literarische Schauplätze", das 2015 im Verlag für Berlin-Brandenburg erschien, 176 Seiten hat und großzügig mit meist farbigen Abbildungen aus dem frühen 19. Jahrhundert und von heute ausgestattet ist (24,99 Euro, ISBN 978-3-945256-30-5). Ein kleiner Abschnitt befasst sich mit Hoffmanns Arbeit am Berliner Kammergericht.

Dort hatte Preußens König Friedrich Wilhelm III. als letzte Instanz ein Ober-Zensur-Kollegium eingerichtet, das über Beschwerden wegen Unterdrückung der Meinungs- und künstlerischen Freiheit zu befinden hatte, aber auch die Ausführung der Zensurgesetze überwachen musste. Hoffmann bekam die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit aufgrund der Karlsbader Beschlüsse von 1819 am eigenen Leibe zu spüren und war wider Willen in das System der geistigen Unterdrückung involviert. Der vielseitig tätige, von missgünstigen Kollegen verbotener Gedankengänge bezichtigte Kammergerichtsrat schrieb sich seinen Frust unter anderem in dem Märchen "Meister Floh" von der Seele. Vorsichtshalber ließ er die Geschichte "in sieben Abenteuern zweier Freunde" in der damaligen Freien Stadt Frankfurt erscheinen. Doch sein Vorgesetzter, der mit der Verfolgung von "Demagogen" und anderen aufrührerischen Personen befasst war, bekam Wind von der Satire und strengte eine Untersuchung gegen den Autor aus dem eigenen Haus an. Hoffmann ahnte Ärger und versuchte vergeblich, zwei besonders verfängliche Stellen auszumerzen. Es nutzte nichts, er bekam Ärger und sollte sich für seine verklausulierten Angriffe auf übereifrige Bürokraten und miesepetrige Moralapostel rechtfertigen. Zum pflichtvergessenen, höchst unzuverlässigen, gefährlichen und hochverräterischen Staatsdiener abgestempelt und wegen seines Lebenswandels und seiner Zechgewohnheiten ohnehin in Verruf geraten, wollten ihn seine Widersacher in die Provinz abschieben.

Die Geschichte wuchs sich in den frühen 1820-er Jahren zu einer Staatsaffäre aus, doch da der wegen Verletzung seiner Pflichten gegenüber dem König und seinen Vorgesetzten beschuldigte Hoffmann am 25. Juni 1822 starb, blieb er von Degradierung, Entlassung und Strafverfolgung verschont. Die Sache kam zu den Akten, und Hoffmann bleibt als ein Mann in Erinnerung, der sich nichts gefallen ließ in einer Zeit, da freies Denken von Kleingeistern und bigotten Moralisten geknebelt wurde. Da die preußischen Behörden die Vornamenskürzel E. T. A. Hoffmann für Ernst Theodor Amadeus nicht genehmigten, trägt der Grabstein auf dem Friedhof III der Gemeinde der Jerusalem- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor an der U-Bahn-Station Mehringdamm unter einem Schmetterling die Buchstaben E. T. W. für Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann. Den Hinweis auf den von ihm so geliebten Wolfgang Amadeus Mozart mochten die preußischen Behörden nicht dulden, und sie entlarvten sich mit dem Verbot einmal mehr aus ausgesprochen rachsüchtig und kleinlich.

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