Kaiserlicher Säbelrassler

"Wilhelm der Plötzliche" ging durch gefährliche Donnerworte und utopische Versprechungen unrühmlich in die Geschichte ein



Wilhelm II., der von 1888 bis 1918 regierte, drückte einer
ganzen Epoche seinen Stempel auf. Das Mosaik in der Berliner
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zeigt ihn rechts
mit seiner Gemahlin sowie seinen Vorfahren.




Der Kaiser sorgte dafür, dass seine Parole im letzten Winkel des
Reiches bekannt wurden. Doch nicht alle Zeitgenossen
waren über "Wilhelm Imperator" amüsiert.




Die englische Karikatur von 1898 verspottet den Enkel von Queen Victoria
für seine neue Rolle als aufgeblasenen "Kaiser von China".




Nach der Novemberrevolutioneltkrieg durfte man den großmäuligen
Monarchen mit seinen eigenen Worten attackieren
wie hier auf einer Medaille von 1919. (Fotos: Caspar)

Der deutsche Kaiser Wilhelm II., der von 1888 bis 1918 regierte und auch König von Preußen war, machte durch sein Säbelrasseln und unvorsichtige Donnerworte immer wieder unangenehm auf sich aufmerksam. In Trinksprüchen wie "Das Pulver trocken, das Schwert geschliffen, das Ziel erkannt und die Schwarzseher verbannt" gab er die Richtung seiner auf Konfrontation mit den anderen Großmächten ausgerichteten Politik an. Berühmt und berüchtigt wurde der auch als "Wilhelm der Plötzliche" verulkte Monarch unter anderem durch seine am 27. Juli 1900 in Bremerhaven gehaltene Hunnenrede. Deren Wortlaut ist durch das Stenogramm eines Journalisten erhalten, während die Reichsregierung nur eine entschärfte Fassung der Ansprache an das nach China zur Niederschlagung des Boxeraufstandes entsandte deutsche Expeditionscorps verbreiten ließ. Als Boxer wurden Mitglieder des chinesischen Geheimbundes "Fäuste der Rechtlichkeit und Eintracht" bezeichnet. Sie hatten sich gegen die weißen Kolonialherren im Reich der Mitte verschworen und wurden von den Großmächten grausam bekämpft. Offizieller Anlass für die Entsendung der deutschen Soldaten nach China war die Ermordung des Gesandten Clemens von Ketteler am 11. April 1900 in Peking.

Die Forderungen des Kaisers fanden ein großes, für ihn aber wenig schmeichelhaftes Echo. Was er tatsächlich erklärt hat, steht nicht ganz korrekt fest, denn es gibt verschiedene veröffentlichte Versionen. Eine lautet: "Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!" Unverhohlen forderte Wilhelm II. seine Soldaten auf, Chinesen zu töten, wo immer sie vor die Gewehre kommen, und auch keine Gefangenen zu machen. Im Krieg gegen die Boxer unterlag China. Das Reich der Mitte musste 1901 im so genannten Boxerprotokoll die Ansprüche der europäischen Mächte auf chinesisches Territorium anerkennen.

Heute ist kaum noch bekannt, dass Wilhelm II. seine Untertanen mit vielen verbalen Attacken beängstigte oder, je nach politischem Standpunkt und Bindung an das Herrscherhaus, begeisterte. Dem Kaiser entfuhren in seiner Rede über Deutschlands "Platz an der Sonne" hier unrealistische Verheißungen für eine Zukunft des Reiches in Glanz und Gloria und dort dunkle Drohungen an ausländische Mächte. Manche Aussprüche waren verbale Entgleisungen spontaner Art, bei anderen war die innen- und außenpolitische Wirkung durchaus berechnet. Wer sich ihm in den Weg stellt, der wird nichts zu lachen haben, kündigte der Kaiser 1890 in der so genannten Zerschmetterer-Rede an. Der Kernsatz daraus lautet: "Ich gedenke, nach Kräften mit dem Pfunde so zu wirtschaften, daß Ich noch manches andere hoffentlich werde darzulegen können. Diejenigen, welche Mir dabei behilflich sein wollen, sind mir von Herzen willkommen, wer sie auch seien; diejenigen jedoch, welche sich Mir bei dieser Arbeit entgegenstellen, zerschmettere Ich."

Um die zum Teil verheerende Wirkung der kaiserlichen Reden abzuschwächen, setzten offizielle Regierungsstellen redigierte Fassungen in Umlauf. Historiker haben sich die Mühe gemacht und die Versionen untereinander verglichen. Die meisten geben nur unvollständig wieder, was der Kaiser wirklich gesagt hat. Bei einer Rede in Hamburg am 18. Juni 1901, im zweihundertsten Jahr des Bestehens des preußischen Königtums, teilte er der Welt mit: "Wir haben uns, trotzdem wir noch keine Flotte haben, so wie sie sein sollte, einen Platz an der Sonne erkämpft. Nun wird es Meine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass dieser Platz an der Sonne uns unbestritten erhalten bleibt, damit ihre Strahlen befruchtend wirken können auf Handel und Wandel nach außen, Industrie und Landwirtschaft nach innen und auch auf den Segelsport in den Gewässern, denn unsere Zukunft liegt auf dem Wasser." Unbekümmert beim Verbreiten von Visionen, ließ der Monarch 1892 den brandenburgischen Landtag wissen: "Brandenburger, zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch entgegen." Diese Worte musste sich der Kaiser vorhalten lassen, als das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg nicht mehr gewinnen konnte, das Land in Chaos zu versinken drohte und er selber seine Krone verlor.

Mitunter hatte der Monarch Anlass, sich über die innere Sicherheit Sorgen zu machen. Die Sozialdemokratie machte mobil und forderte eine strikte Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der zum Teil bedrückenden Lebensverhältnisse des Proletariats. Indem er seine Soldaten auf unbedingte Treue und Gehorsam einschwor, forderte er von ihnen: "Es gibt für Euch nur einen Feind, und das ist auch mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich Euch befehle, Eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen - was ja Gott verhüten möge - aber auch dann müsst Ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen."

Unter Wilhelm II. wurde mit bedeutendem Finanzaufwand ein riesiges Flottenbauprogramm aufgelegt, mit dessen Hilfe die kolonialen Träume noch aus der Barockzeit Wirklichkeit werden sollten. Der Monarch, der sich gern in der Uniform eines Admirals ablichten und malen ließ, war davon überzeugt, dass Deutschlands Zukunft "auf dem Wasser" liegt, und so wurden mit immensen Summen zahllose Kriegs- und Handelsschiffe sowie U-Boote gebaut, von denen ein großer Teil im Ersten Weltkrieg von den Gegnerstaaten versenkt beziehungsweise requiriert und, wenn das nicht gelang, nach dem Krieg auf Grund des Versailler Vertrags verschrottet wurde.

Am Beginn des Ersten Weltkriegs gab der Kaiser die Parole "Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche" aus. Als Freund markiger Worte sorgte er dafür, dass dieses in schwungvoller Schrift verfasste Zitat in der Presse und auf Postkarten, verbunden mit seinem Bildnis, bis in den letzten Winkel des Reiches verbreitet wurde. Mit der Losung wollte der machtbewusste Herrscher sagen, dass von jetzt ab Schluss ist mit Opposition im Reichstag und Kritik an seiner Politik. Der Spruch kam überwiegend gut an. Viele Menschen im Reich unterdrückten ihre Abneigung gegenüber allem, was nach "Preußen" roch und stellten sich hinter ihr kaiserliches Oberhaupt. In Berlin nahm der in Feldgrau gekleidete Monarch die Huldigungen seiner Untertanen mit den Worten entgegen "Nun empfehle Ich Euch Gott, geht in die Kirchen, kniet nieder und bittet um Hilfe für unsere Soldaten".

Angesichts der prekären Lebenslage eines großen Teils seiner Untertanen und des Anwachsend der Arbeiterbewegung hatte Wilhelm II. Anlass, sich über die innere Sicherheit Sorgen zu machen. Die Sozialdemokratie forderte eine strikte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen des Proletariats und schreckte vor Streiks und anderen Aktionen nicht zurück. Indem er seine Soldaten auf unbedingte Treue und Gehorsam einschwor, forderte der Kaiser von ihnen: "Es gibt für Euch nur einen Feind, und das ist auch mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich Euch befehle, Eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen - was ja Gott verhüten möge - aber auch dann müsst Ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen."

Auf Wilhelm II. trifft das Wort von Napoleon I. nach dem Desaster seiner Grande Armée im eiskalten Russland (1812/13) "Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein kleiner Schritt" zu. Freunde und Mitarbeiter des deutschen Kaisers hatten Mühe, ihn vor sich selbst, vor Lächerlichkeit und vor den Fettnäpfchen zu bewahren, die überall aufgestellt waren und in die er mit schlafwandlerischer Sicherheit trat. Der von seinem Gottesgnadentum überzeugte Monarch war felsenfest der Meinung, dass sein Wille oberstes Gesetz ist. Gern zitierte er die Großen der Geschichte, Bismarck etwa, den er 1890 aus dem Amt des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten gedrängt hatte, weil der dem "persönlichen Regiment" des zwei Jahre zuvor nach dem Tod Friedrichs III. gelangten Kaisers im Wege stand. In einem Trinkspruch betonte Deutschlands oberster Repräsentant frei nach Otto von Bismarck "Wir Deutsche fürchten Gott und sonst absolut nichts und niemanden auf der Welt". Der Reichskanzler hatte am 6. Februar 1888 im Reichstag betont: "Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst niemand auf der Welt, und diese Gottesfurcht ist es, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt". In der kaisertreuen Propaganda und Huldigungen, die man Bismarck zukommen ließ, wurde der zweite, auf die Pflege friedlicher Beziehungen unter den Völkern zielende Teil des Ausspruchs weggelassen. Großspurig verkündete Wilhelm II. am 25. August 1910: "Als Instrument des Herrn Mich betrachtend, ohne Rücksichtnahme auf Tagesansichten und -meinungen, gehe Ich Meinen Weg, der einzig und allein der Wohlfahrt und der friedlichen Entwicklung unseres Vaterlandes gewidmet ist." Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"