Friedrichs Lieblingsbilder blieben zuhause

Chef des Louvre plünderte vor 210 Jahren für Frankreichs Kaiser Napoleon I. Berliner und Potsdamer Schlösser



Die Karikatur verspottet Kaiser Napoleon I. als Pferdedieb, weil er die
Quadriga vom Brandenburger Tor nach Paris bringen ließ.




Friedrich II. besichtigt auf diesem Holzstich von Adolph Menzel seine
Gemäldegalerie im Park von Sanssouci, aus der die Trophäenjäger Bilder stahlen.




Das Modell des 1830 eröffneten Alten Museums ist im
Schinkel-Pavillon im Schlosspark Charlottenburg ausgestellt.




Viele im Bode-Museum auf der Museumsinsel ausgestellte Stücke der
Byzantinischen Sammlung wurden im Auftrag preußischer Könige
angekauft und von privaten Sammlern gestiftet. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Raub von Gemälden, Plastiken, Büchern und Juwelen ist keine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts. Auch in früheren Zeiten wurde Kunst gestohlen. Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806, als Preußen von den Truppen Napoleon I. vernichtend geschlagen wurde, schwärmten in Berlin, Potsdam und anderen besetzten Städten der preußischen Monarchie französische Kunsträuber aus. Mit gemischten Gefühlen hatten die Berliner den feierlichen Einzug des bleichen, düster dreinblickenden Triumphators am 27. Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor beobachtet. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen hatte mit seiner Familie und einem großen Teil seines Hofes bereits die Haupt- und Residenzstadt in Richtung Ost-preußen verlassen, wo er sich auf die Hilfe des russischen Zaren Alexander I. stützte und den Krieg gegen die Franzosen fortsetzte. "Unser Dämel sitzt in Memel" lachten die Berliner, doch blieb ihnen der Spott bald im Halse stecken, denn die Besatzer pressten Geld, Lebensmittel und andere wichtige Güter aus ihnen heraus und gebärdeten sich provozierend. Preußens Niederlage hatte auch ihr Gutes, denn endlich wurden Reformen eingeleitet, zu denen sich die Erben Friedrichs des Großen nicht so leicht bequemt hätten.

Die Plünderung Berliner und Potsdamer Schlösser wurde von einem Kenner organisiert, dem auf vielen französischen Medaillen genannten Chef der Monnaie des Médailles (Medaillenmünze) und Generaldirektor des Musée Napoléon in Paris, Dominique Vivant Denon (1747 bis 1825). Der weltgewandte Lebemann und Frauenheld, Kenner der antiken Kunstgeschichte und Grafiker begleitete 1798/9 als Sachverständiger General Napoleon Bonaparte beim Feldzug in Ägypten und betätigte sich einige Jahre später im Auftrag seines zum Kaiser aufgestiegenen Herren als Trophäenjäger und Kunsträuber, mit der Quadriga auf dem Brandenburger Tor beginnend. Ohnmächtig beobachteten die Berliner die Demontage der von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Friedensgöttin samt Pferdegespann. Der Hinweis des Bildhauers auf mögliche Schäden, die beim Abbau und dem Transport an dem dünnen Kupferblech eintreten könnten, wurde von den Besatzern vom Tisch gewischt. Das nackte Tor war eine ständige Erinnerung an die Niederlage und wirkte wie ein Pfahl im Fleisch. Die Rückführung der Figurengruppe im Jahre 1814, nach der Entmachtung des Kaisers, geriet zum Triumphzug.

Die preußische Regierung hatte 1806 mit einer Niederlage nicht gerechnet und auch keine Vor-kehrungen getroffen, Kunstbesitz vor Verlust und Beschädigung zu bewahren. Dass die Monarchie je besetzt werden könnte, stand außerhalb jeder Vorstellung. Als Napoleon I. dann doch nahte, wurde das königliche Silber hastig in die Festung Spandau gebracht, die bald den Franzosen in die Hände fiel. Die brillantbesetzten Tabatièren Friedrichs des Großen und Staatspapiere blieben dem Feind verborgen. Beamte machten die im Berliner Schloss und der von Friedrich dem Großen Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten Gemäldegalerie unweit von Schloss Sanssouci in Potsdam befindlichen Bilder der Hohenzollern sowie kostbare Plastiken, Antiquitäten und Bücher "transportable". Zusammen mit königlicher Wäsche gelangten sie per Schiff nach Küstrin, wo sie alsbald von den Franzosen sichergestellt und nach Berlin zurückgeschafft wurden. Von dort aus ging die Beute über Hamburg nach Paris.

Napoleon I. wollte seine im Aufbau befindliche Louvre-Sammlung mit diesen Trophäen auf billige Weise ergänzen. Noch war Kunstraub in internationalen Verträgen nicht geächtet. Knapp 140 Jahre später taten die Nazis das gleiche. Hitler versuchte, sein Führermuseum in Linz mit "allererster Wahl" zu bestücken. Ihm wollte es auch Stalin gleich tun. Ihm schwebte, wie man inzwischen dank russischer Forschungen weiß, in Moskau ein "Weltmuseum der Kunst" vor Augen, das mit Trophäen aus Feindesland bestückt werden sollte. Die meisten der von der Roten Armee nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg sichergestellten Bilder, Möbel, Skulpturen, Porzellane und kunstgewerbliche Arbeiten, darunter solche aus Berlin, Potsdam, Dresden, Gotha und kam in den fünfziger Jahren zurück, doch schmoren zahllose Beutestücke weiter in russischen Geheimdepots.

Baron Denon ließ nach 1806 in Berlin und Potsdam nicht nur Gemälde der damals "modischen" Franzosen, Italiener und Holländer einpacken, sondern auch Werke der in ihrem Wert noch nicht entdeckten altdeutschen Meister. Französische Rokokokünstler, die Friedrich der Große so liebte, dass er deren Werke überall in seinen Privatgemächern, etwa in der Kleinen Galerie des Schlosses Sanssouci und in seinen Privatgemächern im Neuen Palais, aufhängen ließ, interessierten den Emissär aus Paris nicht, da sein Heimatland damit reich gesegnet war. Wohl aber nahm Denon Bilder mit, die Napoleon I. wegen ihres geschichtlichen Inhalts schätzte. Es handelte sich um Episoden aus dem Leben Friedrichs des Großen, dem der Kaiser wegen des geschichtlichen Hintergrunds, weniger wegen der künstlerischen Qualität wichtig waren. Schließlich hatte der siegreiche Kaiser dem "Großen Friedrich" bei einem Besuch der Gruft der Potsdamer Garnisonskirche ausdrücklichen Respekt gezollt. Insgesamt wurden 204 große und kleine Figuren und Büsten, Reliefs aus Marmor und Bronze, über 500 Gemmen, 7000 römische Bronzemünzen und mittelalterliche Silbermünzen sowie zahlreiche Gemälde aus dem Berliner Schloss beziehungsweise aus den Sammlungen in Sanssouci verschleppt. Im Oktober 1807, ein Jahr nach Jena und Auerstedt, wurden die Kunstwerke im Louvre ausgestellt. Napoleons lorbeebekränzte Bronzebüste wurde dabei zwischen zwei Victorien aus dem Park von Sanssouci aufgestellt.

Die von preußischen Beamten sorgfältig geführten Verlustlisten taten Jahre später nützliche Dienste. Die nach der Entmachtung Napoleons wieder auf den Thron gelangten Bourbonen zögerten die Herausgabe der Kunstbeute heraus, obwohl es entsprechende Absprachen zwischen Friedrich Wilhelm III. und dem französischen König Ludwig XVIII. gab. Denon behauptete unter Hinweis auf den Friedensvertrag von Tilsit, das Raubgut sei französisches Eigentum und Teil der Louvresammlungen. Was zurückkehre, sei ein "Geschenk" an Friedrich Wilhelm III. Die Drohung, man werde ihn, Denon, auf die Festung Graudenz bringen, wenn er nicht Entgegenkommen zeige, wirkte. Preußen bekam vieles, doch nicht alles zurück.

Raub und Heimkehr preußischer Kunstwerke hatten weitreichende Folgen. Die Präsentation der Gemälde, Plastiken und anderen Kunstwerke im Akademiegebäude Unter den Linden war ein willkommener Anlass, König Friedrich Wilhelm III. an ältere Pläne zu erinnern, endlich in Berlin ein öffentliches Museum zu gründen. Die Akademie erwies sich als ungeeignet für diesen patriotischen Zweck, so wurde der Ruf nach einem Neubau immer lauter. Die in königlichem Besitz befindlichen Kunstgegenstände sollten nicht mehr in den Schlössern und Gärten in Berlin und Potsdam "vereinzelt" werden, wie man damals sagte, sondern sollten jedermann zugänglich sein. Nach langem Zögern entschloss sich Friedrich Wilhelm III., durch weitsichtige Ratgeber wie Wilhelm von Humboldt und Alois Hirt ermuntert, am Berliner Lustgarten ein Museum erbauen zu lassen. Schinkels 1830 vollendetes Altes Museum wurde so zur Keimzelle der Königlichen, ab 1918 Staatlichen Museen zu Berlin. Durch großzügige Ankäufe und Finanzierung von Ausgra-bungen und Expeditionen, aber auch durch Stiftungen von privaten Kunstfreunden und andere glückliche Umstände gelang es im Laufe der Zeit, die Berliner Museen zu einer weltweit beachteten und geachteten Institution zu entwickeln.

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