"Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand"

Warum vom Deutschlandlied aus dem Jahr 1841 nur noch die dritte Strophe gesungen wird




Die Generaldirektorin der Staatsbibliothek Preußischer
Kulturbesitz, Barbara Schneider-Kempf, freut sich, im August
die originale Handschrift des Deutschlandlieds
und weitere Dokumente präsentieren zu können.




Die Niederschlagung der Revolution von 1848/49 - hier ein
erschossener Freiheitskämpfer - machte alle Hoffnung auf ein in
Recht und Freiheit geeintes Deutschland zunichte. (Foto/Repro: Caspar)

Im Gegensatz zur französischen Marseillaise brauchte das Deutschlandlied mit der Anfangszeile "Deutschland, Deutschland über alles" Jahrzehnte, bis es sich als deutsche Nationalhymne durchsetzte. Von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) vor 175 Jahren auf der Insel Helgoland gedichtet und mit einer von Joseph Haydn komponierten Melodie vertont, die auch bei der österreichischen Hymne "Gott erhalte Franz den Kaiser" intoniert wurde, konkurrierte das Deutschlandlied in der Zeit der Monarchie mit der Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz". Nach der Errichtung der Republik (1918) avancierte Hoffmann von Fallerslebens Dichtung durch Verfügung des Reichspräsidenten Friedrich Ebert mit allen drei Strophen zur Nationalhymne der Weimarer Republik.

In der Nazizeit wurde die erste Strophe nur noch als eine Art Vorspann zum Horst-Wessel-Lied gesungen, benannt nach einem 1930 ermordeten "Helden" der NS-Bewegung. Die beiden anderen Strophen passten nicht ins Konzept der Nationalsozialisten, die bekanntlich auf Einigkeit und Recht und Freiheit pfiffen. 1945 von den alliierten Siegermächten als "nationalistisches Machwerk" verboten, erfolgte erst 1952 auf Betreiben des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss die Zulassung als Hymne der Deutschen. Um aber nationalistische Gefühle vor allem beim Absingen der ersten, "von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt" reichenden Strophe mit der Schlusszeile "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt" nicht aufkommen zu lassen und daraus auch keine territoriale Ansprüche abzuleiten, werden bei offiziellen Anlässen nicht die erste und die zweite Strophe gesungen, sondern nur die dritte: "Einigkeit und Recht und Freiheit / Für das deutsche Vaterland! / Danach lasst uns alle streben / Brüderlich mit Herz und Hand! / Einigkeit und Recht und Freiheit / Sind des Glückes Unterpfand. / Blüh im Glanze dieses Glückes, / Blühe, deutsches Vaterland!"

Nach der politischen Wende 1989/90 in der DDR und dem Ende der SED-Herrschaft gab es Versuche, die von Johannes R. Becher (1891-1958) gedichtete und von Paul Dessau (1894-1979) komponierte DDR-Hymne, im Westen verächtlich Becherhymne genannt, textlich und musikalisch mit dem Deutschlandlied zu verbinden, um das Zusammenwachsen beider deutscher Staaten zu unterstreichen. Obwohl das durchaus möglich war und diese Version auch Fürsprecher fand, ist der Plan nicht geglückt. Dass das DDR-Lied wegen der aus der Sicht der SED- und Staatsführung anstößigen Zeile "Deutschland einig Vaterland" in der Honecker-Ära wegen der hasserfüllten Abgrenzungspolitik gegenüber der imperialistischen BRD, wie es hieß, nicht mehr gesungen werden sondern nur noch vom Orchester intoniert werden durfte, ist noch bei vielen in Erinnerung. Auch die von Bertolt Brecht (1898-1956) im Jahr 1949 verfasste Kinderhymne "Anmut sparet nicht noch Mühe / Leiden nicht noch Verstand / Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land. / Dass die Völker nicht erbleichen / Wie vor einer Räuberin / Sondern ihre Hände reichen / Uns wie andern Völkern hin..." wurde nicht, wie manche es damals wünschten, zur Hymne des wiedervereinigten Deutschland erhoben.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb den Text des Deutschlandliedes im August 1841 auf der damals britischen Nordseeinsel Helgoland. Der Professor für Germanistik an der Universität Breslau war ein liberal denkender Demokrat, dessen höchstes Ziel die deutsche Einheit war. Aufgrund seiner politischen Einstellung war er im preußischen Staatsdienst untragbar, weshalb er seines Amtes enthoben und ins Exil gezwungen wurde. Erfüllt von der Sehnsucht nach einem einheitlichen Nationalstaat und in Sorge um das Schicksal seines Vaterlandes, schrieb er jenen Satz "Deutschland, Deutschland über alles". Dies geschah nicht aus nationalistischer Überhebung gegenüber anderen Ländern und Völkern, sondern nur um auszudrücken, dass ihm dieses einige Deutschland "über alles in der Welt" geht. Dass man später aus der Zeile sowie der Beschreibung der Grenzen des damaligen Deutschen Bundes, einer Vereinigung von zahlreichen souveränen Fürstentümern und Freien Städten einschließlich Österreichs, mit Hilfe der Flüsse Maaß, Memel, Etsch und Belt, nationalistische Gefühligkeiten entfaltete, kann man dem Dichter nicht anlasten.

Den 175. Jahrestag des Deutschlandliedes nimmt die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz im August 2016 zum Anlass für eine Ausstellung, in deren Mittelpunkt das überaus kostbare Autograph mit der Datumsangabe 26. August 1841 steht. Die originale Handschrift gelangte 1903 mit dem Nachlass des Dichters und Philologen Hoffmann von Fallersleben in die damalige Königliche Bibliothek, aus der die heutige Staatsbibliothek zu Berlin hervor gegangen ist. Die Bundesrepublik Deutschland würdigt 2016 Heinrich Hoffmann von Fallersleben und sein berühmtes Lied durch die Ausgabe einer 20-Euro-Münze, die das Bildnis des Dichters mit dem Bundesadler kombiniert.

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