Der Ertrag blieb hinter den Erwartungen

Warum der "Alte Fritz" 1763 das Lottospiel in Preußen erlaubte und was seine Untertanen davon hatten





Das Marmordenkmal vor der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser
und Gärten Berlin-Brandenburg im Park von Sanssouci zeigt Friedrich den Großen,
der 1763 in Preußen das Lottospiel erlaubte.




Das wenige Wochen nach dem Siebenjährigen Krieg erlassene
Dekret vom 28. April legte Einzelheiten für das Lotto fest



Die "Dame Lotto" teilt die Ziffern aus, die man treffen muss,
um das große Los zu bekommen. (Foto/Repros: Caspar)


Mit dem Ziel, die Bevölkerung noch intensiver an den Staatsausgaben und Staatsschulden zu beteiligen, wurde 1763 in Berlin eine Lotterie aus der Taufe gehoben. Ein königliches Dekret verkündete die Schaffung der Lotterie in Preußen, doch die Einnahmen des Königs aus dem Glückspiel blieben hinter den Erwartungen zurück. Die Aussicht, durch Ziehung einer bestimmten Zahlenkombination zu schnellem Reichtum zu gelangen, ließ die Berliner unvorsichtig werden. Sie waren offenbar von der Möglichkeit so fasziniert, dass sie viel Geld freiwillig bei den Lotterieeinnehmern ließen, wobei sie eigentlich hätten wissen müssen, dass die Chance, es durch Fortunas Vermittlung zu vermehren. Beteiligen konnte man sich schon mit wenigen Groschen, und wer mehr Geld einsetzte, dem winkten höhere Auszahlungen. Ab und zu wurde das Große Los gezogen. Das hat die Lottosucht immer neu angestachelt, doch Gewinner war - und ist auch heute - der Staat.

Der Profit, den Friedrichs II. von der Lotterie erwartete, blieb hinter den Erwartungen zurück, denn organisatorische Mängel und Zahlungsprobleme, ja auch Betrug blieben dem Publikum nicht verborgen, so dass das Geschäft nach anfänglicher Euphorie immer wieder stockte. Bei der Lotterie ging es nicht immer nur um Geld, sondern vielfach auch um Sachwerte. Auf den Vorschlag einer adligen Dame, als Prämie von Lotterien Leinen und Taft einzusetzen, entgegnete der König in seiner bekannt drastischen Art, "ob sie Meinet das ich so Einfeltig bin nicht zu Merken das Sich Kaufleute hinter ihr gestochen haben umb mit Taft die Contrebande zu Machen? Sie mögte Mihr mit Solchen unbesonnenen Bitten verschonen oder ich würde sehr übele Opinion von ihr haben".

Der Preußenkönig hatte den Plan für die Errichtung einer Lotterie von dem Abenteurer und Finanzjongleur Antonio di Calzabigi übernommen, der ihm Berge von Geld versprach und für seine Dienste geradezu fürstlich entlohnt wurde. Der zum Königlichen Finanz- und Commerzienrat ernannte Italiener erhielt weitgehende Vollmachten und war nur dem König rechenschaftspflichtig. Auch der berühmte Frauenheld und Spieler Giovanni de Casanova versuchte, Friedrich dem Großen Pläne zur Sanierung der Staatsfinanzen schmackhaft zu machen. Der König hätte den weltgewandten Italiener gern zum Lehrer an der Ritterakademie in Berlin gemacht, doch erschien diesem das Jahresgehalt von 600 Talern als zu gering, und so schlug er die Anstellung aus.

Um Calzabigi als Finanzberater abzulösen und dessen einträgliche Posten zu übernehmen, führte Casanova 1764 im Park von Sanssouci mit dem König ein Gespräch, dessen Wortlaut überliefert ist. Danach erläuterte Casanova, den Friedrich der Große für einen klugen Steuerfachmann hielt, nach eigenem Bekunden drei Arten der Besteuerung von Gütern - die eine sei ruinös, die zweite leider notwendig, die dritte "stets exzellent". "Die ruinöse Besteuerung, Sire, ist die, die der Monarch seinen Untertanen auferlegt mit dem einzigen Ziel, seine Kassen aufzufüllen, [...] denn sie zerstört den Geldumlauf, die Grundlage des Handels und die Stütze des Staates". Die "notwendige" Art sei dazu da, um Kriege zu führen. Die "populäre" Form schließlich, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, beschrieb Casanova als "immer exzellent, denn der König nimmt einerseits seinen Untertanen und gibt ihnen zum anderen, indem er nützliche Unternehmungen fördert und Verordnungen erlässt, die geeignet sind, ihren Wohlstand zu mehren." Dazu zählte der Italiener auch die Lotterie, bei der der König nur "in einem von zehn Fällen" verlieren kann.

Friedrich II. hatte einiges Geld in der Lotterie verloren und verpachtete deshalb das Monopol nicht an Casanova, sondern an Calzabigi, der sich verpflichtete, jährlich 75 000 Taler als "Pachtschilling" zu zahlen. Entgegen der vollmundigen Ankündigung des Königs, die Erträge des Glücksspiels zur "Aufmunterung der Künste und des Fleißes" und wohltätige Zwecke, etwa die Aussteuer minderbemittelter Bräute, zu verwenden, wurde die Pachtsumme zur Verpflegung der Armee und für die Aufstellung neuer Regimenter verwendet. Untreue und arglistige Täuschung der Öffentlichkeit würde man das heute nennen. Nach dem Tod des Monarchen am 17. August 1786 setzte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. die Lotterie mit mäßigem Erfolg fort. Dessen Thronerbe Friedrich Wilhelm III., der von 1797 bis 1840 regierte, hielt wenig von Spielsucht wegen "nachtheiliger Einwirkungen auf die Moralität der minderbegüterten Klassen Unserer Unterthanen". Durch einen Erlass befahl er 1809 die Abschaffung des Lottospiels. Allerdings hielt die staatliche Zurückhaltung nicht lange, denn die Gewinne wurden zur Bezahlung von Kontributionen an die Franzosen und für die Kosten des verlorenen Krieges von 1806/7 gegen diese benötigt. Deshalb wurde die "Dame Lotto" in Preußen wieder zu neuem Leben erweckt.

Die Ziehung der Lottozahlen aus Trommeln oder auch mit Hilfe von Geräten mit verstellbaren Zahlenrädern unterstand der Aufsicht von königlichen Kommissaren. Die öffentlich von Waisenknaben mit verbundenen Augen gezogenen Lose wurden laut verkündet und "unter Siegel gelegt". Ausgezahlt wurden höhere Beträgen innerhalb von drei bis vier Wochen, kleinere Summen beglichen die Lottoeinnehmer sofort. Häufig wurden Lotterien "zum Besten" eines Waisenhauses oder einer anderen karitativen Einrichtung, zum Aufbau einer niedergebrannten Stadt oder aus anderem Grund aufgelegt. Das machte guten Eindruck, konnte aber Gegner des Glücksspiels kaum besänftigen. Sie erregten sich über die überall grassierende "Begierde" nach schnellem Geld. Menschen vom Tagelöhner bis zum Fürsten würden "unter dem Schein des Glücks und der Hoffnung" in größte Verzweiflung gestürzt. Und so wurden gruselige Geschichten kolportiert, denen zufolge sich Lottospieler erhängt haben, weil sie ihre letzten Groschen verloren hatten und aus den Schulden nicht mehr heraus kamen. Um die Verarmung der Bevölkerung durch den Lottowahn zu verhindern, wies Friedrich Wilhelm III. seine Kommissare an, das Spiel "hauptsächlich nur auf die besitzenden Klassen" zu beschränken. Wer in Konkurs geriet und über seine Verhältnisse Lotto gespielt hatte, wurde bestraft. Natürlich half das wenig, denn um das Große Los wurde gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie besessen gespielt, eine Erscheinung, die nicht nur auf das alte Preußen zutraf.

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