Neues Leben im alten Nicolaihaus

Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist in Berlins Mitte gezogen und öffnet ein berühmtes Gebäude in der Brüderstraße der Öffentlichkeit



Das Nicolaihaus in der Brüderstraße 13, unweit des
ehemaligen Staatsratsgebäudes, ist schon von weitem wegen seiner
klassizistischen Fassade und den Gedenktafeln daran zu erkennen.




In einem ehemaligen Salon der ersten Etage ist eine eindrucksvolle
Ausstellung über das Leben von Friedrich Nicolai, seine
Familie und seinen Verlag eingerichtet.


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Schon für das 19. Jahrhundert ist ein Nussbaum im Hof bezeugt.
In den kommenden Jahren werden die Wände wieder von Weinlaub geschmückt




Man muss in Berlin lange suchen, um solch eine wunderbar erhaltene
Treppe aus der Barockzeit zu finden. Im Vorderhaus in den Dachbereich
führend, wurde sie nach allen Regeln der Kunst restauriert. (Fotos: Caspar)

Berlin ist mit Häusern, die an Künstler, Gelehrte und Schriftsteller erinnern, nicht gerade reich gesegnet. Zu viele Orte dieser Art wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört oder fielen später der Spitzhacke zum Opfer. Eine Ausnahme bildet das Schadowhaus in der Schadowstraße unweit des Brandenburger Tors, in der bis zu seinem Tod im Jahr 1850 Johann Gottfried Schadow lebte und arbeitete und das vom Deutschen Bundestag saniert und restauriert wurde. Freunde historischer Bauten freuen sich, dass mit der Übernahme des Nicolaihauses mit der Adresse Brüderstraße 13 in Berlin-Mitte durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ein Juwel der Berliner Bau- und Geistesgeschichte aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist und mit ihm die Gegend rund um den Petriplatz spürbar aufgewertet wird.

Im Juli 2010 hatte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz das Nicolaihaus vom Liegenschaftsfonds Berlin gekauft und es ab 2012 saniert und restauriert. In dem historischen Gebäude, das vor über 200 Jahren Zentrum der Berliner Aufklärung war, werden Büros für Mitarbeiter der Stiftung untergebracht, hingegen sollen die Repräsentationsräume in der ersten Etage für Ausstellungen, Lesungen, Tagungen, Kammerkonzerte und Empfänge genutzt werden. Mit diesem Ziel wurde das einige Jahre leer stehende Haus von Dach bis Keller in enger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt saniert und restauriert. Die jetzt abgeschlossenen Arbeiten erlaubten es der Stiftung, ihre Repräsentanz von Potsdam nach Berlin an einen denkmalgeschützten Ort in der Mitte der Hauptstadt zu verlegen. Der Kauf des Hauses war möglich, weil der Stiftung eine bedeutende Erbschaft zugefallen war. Künftig werden hier Sanierungsprojekte der Stiftung in Berlin, Brandenburg und anderen Bundesländern konzipiert.

Mitte März 2016 wurde das Nicolaihaus feierlich eröffnet. Die Stiftung mit Sitz in Bonn will das Gebäude, das zu den ältesten der Stadt gehört, als Ort des Dialogs und der lebendigen Geschichte nutzen. Benannt ist das Gebäude nach Friedrich Nicolai, dem berühmten Aufklärer, Verleger, Schriftsteller und Buchhändler sowie Gastgeber anregender Gesprächsrunden und geselliger Zusammenkünfte von Literaten, Architekten, Malern und Zeichner. Er hatte das Anwesen für die enorme Summe von 32.500 Taler erworben und es durch Carl Friedrich Zelter für seine Bedürfnisse umgestalten und erweitern lassen. Der Baumeister Zelter legte eine hölzerne Galerie an, um die Räume des gesamten ersten Stocks "auf schickliche Weise" miteinander zu verbinden. Diese Galerie gibt es auch heute noch. Wer die preußische Haupt- und Residenzstadt besuchte, schaute bei Nicolai vorbei. Der Hausbesitzer ließ die Durchfahrt in die Mitte des Erdgeschosses verlegen und gab der siebenachsigen Straßenfassade ihr heutiges Aussehen. Dort berichten sechs Inschriftentafeln aus Bronze, wer hier gewohnt hat und wer bei Nicolai zu Gast war Die 16.000 Bände umfassende Privatbibliothek Nicolais war im ersten Obergeschoss des Hauses aufgestellt.

Besondere Anziehungskraft wird ein Gedenkraum haben, in dem kostbar gebundene und gestaltete Bücher aus dem von Friedrich Nicolai geleiteten Verlag sowie ein von Anton Graff geschaffenes Porträt des berühmten Hausherren gezeigt wird. Das Bild ist eine Leihgabe von Nachfahren der Familie Nicolai, und die Bücher wurden der Stiftung von Dieter Beuermann, dem Besitzer des Berliner Nicolai-Verlags, zur Verfügung gestellt. Für die Dokumentation dient ein dort gut sichtbar über historischen Büchern angebrachtes Zitat von Marcel Reich-Ranicki aus dem Jahr 1994 als Motto: "Er war schon ein außergewöhnlicher Mann, eine Jahrhundertfigur. Doch war es durchaus kein Zufall, dass ihn viele seiner Zeitgenossen mehr gefürchtet als geachtet haben und dass er zur Zielscheibe schärfster Attacken wurde."

Die von Friedrich Nicolai veranstalteten Gesprächsrunden, literarischen Vorträge und musikalischen Darbietungen werden als Vorläufer der Berliner Salons des 19. Jahrhunderts angesehen. Zu den Gästen, die sich ab 1787 bei dem Verleger und Schriftsteller trafen, zählen neben Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Theodor Körner, Christoph Wilhelm Hufeland oder Daniel Chodowiecki auch zahlreiche Schriftsteller, Ärzte, Musiker, Architekten und Baumeister. Die instandgesetzten Empfangsräume im ersten Obergeschoss des Vorderhauses sowie ein museal eingerichteter Raum zum Lebenswerk und der Sammlung Nicolai erinnern an diese wichtige Epoche in der Geschichte Berlins.

Genutzt als Wohnhaus der Verlegerfamilien Nicolai und Parthey, im frühen 20. Jahrhundert als Lessing-Museum und Buchhandlung, nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1990 als Sitz des Instituts für Denkmalpflege der DDR sowie danach für einige Zeit als Zentrale des Brandenburgischen Landesdenkmalamtes und als Ausstellungsort des Stadtmuseums Berlin übernahm 2011 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz das leer stehende Gebäude, um hier ihren Berliner Sitz einzurichten. Dafür wurde das Haus sorgfältig instandgesetzt und restauriert sowie behutsam modernisiert und für eine zeitgemäße Nutzung hergerichtet. Möglich wurden die Arbeiten für rund vier Millionen Euro insbesondere durch erhebliche zweckgebundene Spenden von Stiftungs-Förderern.

Die Arbeiten wurden, wie Stiftungsvorstand Wolfgang Illert bei einem Rundgang betonte, durch eine intensive Bauforschung begleitet, durch die interessante Einsichte in die Geschichte des Hauses einschließlich seiner unter dem Hof liegenden Kellergewölbe gewonnen wurden. Es habe Abdichtungsarbeiten am Sockel, Arbeiten an Dach- und Dachstuhl sowie die Instandsetzung der Putze und Fassaden gegeben. "Wo es notwendig war, fand die statische Ertüchtigung der Decken und der Balkone im Innenhof statt, es erfolgten technische Einbauten und die Schaffung einer modernen Infrastruktur einschließlich eines Fahrstuhls.

Eine besondere Herausforderung war laut Illert die restauratorische Wiederherstellung des aus dem frühen 18. Jahrhundert stammenden Treppenhauses im vorderen Gebäude mit seinen geschnitzten Treppengeländern sowie der nach Schinkels Entwürfen geschaffenen Treppenhauses im Quergebäude, das sich ursprünglich im Weydingerhaus an der Unterwasserstraße befunden hat. Aufgearbeitet wurden die historischen Türen, Fenster, Wandverkleidungen und Fußböden. Die Repräsentationsräume in der Beletage hat man rot, blau, grün und gelb gestrichen, weil man weiß, dass die Wände in diesen Farben bespannt waren. Wiederhergestellt wurde auch der Innenhof, den man wegen der Mauersanierungen seines üppigen Weinbewuchses entkleiden musste. Wolfgang Illert hofft, dass sich die Triebe eines uralten Weinstocks bald wieder über alle Wände dieses malerischen Hofes ranken und hier eines Tages wie schon in DDR-Zeiten Kammerkonzerte und Theateraufführungen veranstaltet werden.

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