Wie man einem Problem die Schärfe nimmt
Was Friedrich der Große meinte, ein Pamphlet gegen ihn "niedriger" zu hängen, und wie er mit
Kritikern seiner Person und Politik umsprang




Adolph Menzel schilderte in Franz Kuglers Buch "Die Geschichte Friedrichs des Großen"
von 1840 auch die Szene, wie der König auf Spott gegen ihn reagiert.




1740 in Berlin gegründet, fühlte sich die Haude- und Spenersche Zeitung dem Prinzip
"Wahrheit und Freiheit" verpflichtet, durfte aber nichts publizieren, was dem König missfiel.



Friedrich II. als Landesvater, Gesetzgeber und Feldherr - Marmordenkmal
nach Schadow neben Generalen seiner Armee in der Kleinen Kuppelhalle
des Bode-Museums auf der Berliner Museumsinsel. (Foto/Repros: Caspar)

Anekdoten über den preußischen König Friedrich II., genannt der Große, gibt es in Hülle und Fülle. Viele dürften erfunden sein, manche mögen so stattgefunden haben, aber allen ist ein Körnchen Wahrheit eigen. In einer Anekdotensammlung, die schon 1788 und damit zwei Jahre nach dem Tod des Monarchen in Berlin von dem Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai herausgegeben wurde und unzählige Nachauflagen erlebte, wird eine Begegnung zwischen dem "Alten Fritzen" und den Berlinern geschildert, bei der ein berühmter Satz gefallen sein soll, der sogleich in den Schatz der geflügelten Wörter aufgenommen wurde: "Niedriger hängen!"

Der König war, so liest man bei Nicolai, anno 1781 in Berlin zu Pferde unterwegs, just in dem Jahr, als überall in der Stadt seine Schnüffler unterwegs waren um festzustellen, ob jemand unverzollten Kaffee trinkt. Die vom Herrscher erlassene Kaffeesteuer war empfindlich, und wer konnte, umging sie, was wiederum den König in Rage brachte. Er sah, wie am Werderschen Mark in der Nähe des Fürstenhauses ein großer Auflauf war. "Alles las mit lächelnder Miene ein hoch an der Ecke angeschlagenes Papier, als der Alte Fritz mit seinem Heiducken die Jägerstraße herausgeritten kam. Die Mützen flogen herunter; man gaffte den König mit lächelnden und doch erschrockenen Blicken an; man wich zurück, niemand wagte zu sprechen". Der König schickte den ihn begleitenden Soldaten aus um zu sehen, was es da gäbe. Der Heiduck kam lächelnd zurück und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Vom König zum Reden aufgefordert, sagte der Soldat: "Sie haben etwas auf Euer Majestät angeschlagen". Nun sei der König etwas näher geritten, schreibt Nicolai weiter, und habe sich selbst auf dem Bild gesehen, wie er in höchst kläglicher Positur auf einem Fußschemel sitzt und eine Kaffeemühle zwischen den Beinen emsig mit der einen Hand mahlt, während er mit der anderen jede herausgeworfene Bohne aufliest. "Sobald Friedrich den Gegenstand erkannt hatte, winkte er mit der Hand und rief: ,Hängt es doch niedriger, dass die Leute sich nicht den Hals ausrecken müssen.' Kaum war dies ausgesprochen, als ein allgemeiner Jubel ausbrach. Man riss das Bild in tausend Stücke, die Jungen warfen die Mützen, und ein allgemeiner Jubelruf: ,Vivat der Alte Fritz!' scholl dem langsam fortreitenden König nach."

Die Szene wurde später in Büchern über den König von Preußen wiederholt und ausgemalt, und auch Adolph Menzel schuf einen Holzstich für die 1840, zur Hundertjahrfeier der Thronbesteigung Friedrichs II., veröffentlichte Biographie von Franz Kugler. Zwar ist die Eposode von Friedrich Nicolai hübsch beschrieben, ob sie historischer Nachprüfung standhält, ist unklar. Zumindest hat der König von der "Kaffeeriecherei" nicht abgelassen und auch sonst seine Untertanen mit manchen unbeliebten Verordnungen und Steuern traktiert. Geblieben ist bis heute der Ratschlag geblieben, eine Sache niedriger zu hängen und ihr damit die Schärfe zu nehmen. Etwas "niedriger hängen" bedeutet auch, sich nicht wichtig zu nehmen sowie Souveränität und sogar Humor an den Tag bei der Bewältigung von Problemen aller Art zu legen. Wer das kann, ist gut dran. Friedrich der Große hatte mit dem Thema seine Schwierigkeiten, denn wenn es darauf ankam, reagierte er glashart und brutal auf Angriffe auf seine Person und seine absolutistische Politik.

Obwohl sich Friedrich II. von Preußen tolerant und aufgeschlossen gab, konnte er fuchsteufelswild, ja ausgesprochen brutal werden, wenn jemand seine Politik und seine Entscheidungen kritisierte. Bemerkungen kurz nach der Thronbesteigung (1740), dass den "hiesigen Berlinschen Zeitungsschreibern eine unumschränkte Freiheit gelassen werden soll" und "Gazetten, wenn sie interessant sein sollten, nicht geniret werden" dürfen, waren nichts wert, wenn der König auch nur leiseste Kritik an seiner Person zu erkennen glaubte. Dann konnte es schon vorkommen, dass er Verleger und "Scribenten", also Schreiber, verprügeln ließ oder mit Schreibverbot belegte.

Wenn Nachrichten aus dem Polizeiwesen, der Wirtschaft oder gar aus dem Militär veröffentlicht wurden, die dem König von Preußen nicht passten, bekamen die Autoren mächtigen Ärger. Einen Verleger in Köln etwa, der in der "Gazette de Cologne" österreichfreundliche Nachrichten verbreitete und den Einmarsch preußischer Truppen in Schlesien kritisierte, ließ 1742 der König 1741 verprügeln. Dazu wurde für die stattliche Summe von 50 Dukaten ein Schläger engagiert, der den kaisertreuen Herausgeber des angesehenen Blattes nachts überfiel. Der "abgeschmackte Gazettier", wie Friedrich II. sagte, wurde regelrecht krankenhausreif geschlagen, ließ sich aber von seinen Attacken nicht abbringen und gab sogar noch eins drauf, in dem er gegen gute Bezahlung an europäische Fürstenhöfe so genannte Vertrauliche Informationen verschickte.

Der Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf den gar nicht so toleranten König von Preußen. Er unterband zumindest in seinen Landen jegliche Kritik an seiner Person und Politik. Nur das wurde zugelassen, was vom König selbst oder seinen Beauftragten genehmigt wurde. Wer sich nicht daran hielt, hatte "nachdrückliche Ahndung zu gewärtigen". Da sich der Verleger der "Berlinischen privilegirten Zeitung", Johann Andreas Rüdiger, an die Weisung nicht hielt, entzog ihm der König 1743 seine Gunst. Generell verfügte er, die Gazetten dürften nicht eher gedruckt werden, "bis selbige vorher durch einen dazu autorisierten Mann zensiert und genehmigt" sind. Dass die unter der Fuchtel des preußischen Königs gedruckten Journale nicht viel wert sind, hat auch der lange in Berlin lebende Dichter Gotthold Ephraim Lessing erfahren. Seinem Vater schrieb er 1751, die Berliner Zeitungen seien so trocken, "dass ein Neugieriger wenig Vergnügen darinne finden kann".

Um diesen Effekt zu vermeiden, bestimmte der Monarch, die Texte sollen "so natürlich als möglich und ohne affection" formuliert werden. Das kam aber der Quadratur des Kreises gleich, denn offizielle und offiziöse Texte, auch wenn sie in gefälligem Stil verfasst sind, waren und sind in seltensten Fällen lesbar und anregend. Gelegentlich griff der König höchstpersönlich zur Feder und lancierte eigene Beiträge in die Zeitungen, verschleierte aber seine Autorenschaft. Manchmal legte er auch falsche Fährten, etwa wenn preußische Friedensabsichten vorgetäuscht wurden, während schon ein neuer Krieg bevor stand. Natürlich verstand es Friedrich auch, die Leser durch getürkte Sensationsmeldungen und mit seichten Hofnachrichten von ernsten Dingen abzulenken -und scheint damit auch Erfolg gehabt zu haben. Dass der König von Meinungsfreiheit und Liberalität nichts hielt, zeigen seine oft sehr ruppigen Randbemerkungen an amtlichen Dokumenten.

Da man den König nicht direkt angehen konnte, wollte man nicht Majestätsbeleidigung und Festungshaft riskieren, wurden indirekte Methoden gebraucht. So erlaubte sich der enge Gesprächs- und Briefpartner sowie Gast des Königs in Sanssouci, der französische Schriftsteller und Aufklärer Voltaire, Kritik am Berliner Akademiepräsidenten Maupertuis. Eine außerhalb Preußens gedruckte und gegen den königlichen Günstling gerichtete Schmähschrift wurde 1752 in Berlin von einem Henker öffentlich verbrannt. Voltaire sah das und echauffierte sich darüber so sehr, dass er Friedrich II. eine Zeitlang die Freundschaft kündigte und außer Landes ging. Jahre später kamen sich die beiden in einer Art Hassliebe zueinander, aber Voltaire hielt sich vorsorglich in sicherer Entfernung, wusste er doch, wie sein königlicher Briefpartner mit Kritikern umzuspringen pflegte.

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