Schmähliches Ende auf dem Scheiterhaufen

Heinrich von Kleist berichtete in den "Berliner Abendblättern" über spektakuläre Kriminalfälle
/ Einbruch- und Mordwerkzeuge in der Polizeihistorischen Sammlung am Platz der Luftbrücke



Die öffentliche Hinrichtung von Mordbrennern und anderen
Verbrechern war ein Spektakel, zu dem die Berliner vor die Tore der Stadt
strömten und das durch Flugblätter publik gemacht wurde.




Die Brüder Sass als Panzerschrankknacker. Nachgestellte Szene in der
Polizeihistorischen Sammlung am Platz der Luftbrücke 6 in Berlin-Tempelhof.



Mord-, Einbruchs- und andere Werkzeuge sowie Bilder und Dokumente aus
der Berliner Kriminalgeschichte sind im
Polizeimuseum ausgestellt.(Fotos/Repro: Caspar)

Mordbrenner verbreiteten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Umgebung von Berlin Angst und Schrecken, und einer ihrer Anführer war Johann Peter Horst. Der Sohn eines Pferdehirten und seine Kumpanen hatten es auf die Habe von Bauern, Pfarrern und Gutsbesitzern abgesehen. Nach eingehender Observation ihrer Opfer und der Örtlichkeiten steckten die Räuber Häuser und Ställe in Brand, und wenn die Gebäude gelöscht wurden, stahlen sie im allgemeinen Durcheinander, was ihnen wertvoll erschien.

Um die Räuber und ihre Banden rankten sich die unglaublichsten Geschichten, sie waren Tagesgespräch in Berliner Cafés und auf Jahrmärkten. Kein Geringerer als der Dichter Heinrich von Kleist berichtete in den von ihm redigierten "Berliner Abendblättern" von den Untaten, wobei er Informationen direkt aus dem Berliner Polizeipräsidium nutzte. "Durch den königlichen Präsidenten der Polizei, Herrn Gruner, der jedes Unternehmen gemeinnütziger Art mit so vieler Güte und Bereitwilligkeit unterstützt, sind wir in den Stand gesetzt, in solchen Extrablättern, als hier das Erste erscheint, über Alles, was innerhalb der Stadt, und deren Gebiet, in polizeilicher Hinsicht, Merkwürdiges und Interessantes vorfällt, ungesäumten, ausführlichen und glaubwürdigen Bericht abzustatten: dergestalt, daß die Reihe dieser, dem Hauptblatt beigfügten Blätter, deren Inhalt wir auch mit statistischen Nachrichten aus den Provinzen zu bereichern hoffen dürfen, eine fortlaufende Chronik, nicht nur der Stadt Berlin, sondern des gesammten Königreichs Preußen, bilden werden."

Der zum Polizeireporter mutierte Dichter ließ seiner Ankündigung vom 1. Oktober 1810 sogleich diese Meldung folgen: "Gestern Abend sind im Dorf Alt=Schönberg 3 Bauerhöfe mit sämmtlichen Nebengebäuden abgebrannt. Das Feuer ist in der Scheune des Schulzen Willmann ausgekommen, und zu gleicher Zeit ist ein ziemlich entfernter, gegenüber stehender Rüsternbaum in Brand gerathen, welches die Vermuthung begründet, daß das Feuer angelegt ist." In einem anderen Bericht heißt es, dass einer der Verbrecher der Polizei durch Zufall in die Hände fiel, als er leichtsinnigerweise eine Pfeife rauchte, die als einem der Bestohlenen gehörig erkannt wurde. Die regelmäßige Information über Verbrechen aller Art stieß auf großes Leserinteresse. Dennoch war dem erstmals am 1. Oktober 1810 publizierten Journal kein langes Leben beschieden. Bereits im Frühjahr 1811 musste der Verleger Julius Eduard Hitzig das Erscheinen der "Berliner Abendblätter" einstellen, nicht zuletzt weil die Zensurbestimmungen die Berichterstattung erschwerten.

Die zumeist spärliche Beute der Horst'schen Bande - hier einige Taler, dort ein paar Silberlöffel - stand in keinem Verhältnis zu dem immensen Schaden, den sie bei den Brandanschlägen angerichtet hat. Nicht nur wurden Wohn- und Wirtschaftsgebäude zerstört, denn da sich das Feuer vielfach im Spätsommer abspielte, ging oft auch die Ernte in Flammen auf. Dass sie auf diese Weise viele bäuerliche Existenzen vernichteten, hat den Mordbrenner und seine Kumpanen offenbar wenig interessiert. Es sollte noch gut zwei Jahre dauern, bis das Verbrecherduo selbst Opfer der Flammen wurde. Johann Peter Horst und seine Geliebte und Kumpanin Luise Friederike Delitz wurden 1813 nach einem Aufsehen erregenden Prozess unter allgemeinem Zulauf der Bevölkerung in der Jungfernheide öffentlich verbrannt. Sicher hätte Kleist auch darüber berichtet, wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen. Auch später machten Serienmörder, Einbrecher, Hochstapler, Attentäter und Straßenräuber von sich reden. Die Berliner Kriminalgeschichte ist voll von solchen Fällen und in zahllosen Büchern dokumentiert. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgten spektakuläre Einbrüche der Brüder Sass für Aufsehen, und nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Gladow-Bande abwechselnd im West- und im Ostteil der Stadt auf Tour. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatten Franz und Erich Sass schon als junge Burschen Bekanntschaft mit dem Jugendamt und der Polizei gemacht. Sie verlegten sich Mitte der 1920-er Jahre auf die "Geldbeschaffung" mit Hilfe modernster technischer Methoden. So verwendeten sie Schneidbrenner zum Öffnen von Banktresoren. Nach fehlgeschlagenen Versuchen gelang es ihnen Anfang 1929, in die Stahlkammer der Diskontobank am Wittenbergplatz einzudringen. Nachdem sie einen Tunnel von einem Nachbarhaus zum Keller der Bank gegraben hatten, ohne dass es bemerkt worden wäre, gelangten sie durch einen Luftschacht in den Tresorraum, wo sie fast alle Schließfächer aufbrachen und ausräumten. Die Beute des Einbruchs wurde auf über zwei Millionen Reichsmark geschätzt.

Der Coup erregte großes Aufsehen. Zwar hatte die Polizei die Brüder Sass im Visier, doch konnte sie ihnen nichts nachweisen. Ohne rot zu werden, trugen die Einbrecher ihren Reichtum zur Schau, genossen den Ruhm als eine Art Robin Hood im Doppelpack. 1932 verließen sie Deutschland und gingen nach Dänemark, wo sie weiter Raubzüge veranstalteten, die ihnen jedoch zum Verhängnis wurden. Sie wurden geschnappt und 1934 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nach ihrer Haftentlassung 1938 an das Deutsche Reich ausgeliefert, in dem mittlerweile die Nationalsozialisten an der Macht waren, wurde ihnen der Prozess gemacht. Zu 13 und elf Jahren Zuchthaus verurteilt, kamen Franz und Erich Sass ins Konzentrationslager Oranienburg, wo sie am 27. März 1940 ermordet wurden. Eine kurze Zeitungsnotiz behauptete, sie seien "bei Widerstand" erschossen worden, tatsächlich wurden sie auf "Befehl des Führers" erschossen, wie man auf einem Dokument in der Polizeihistorischen Sammlung lesen kann, die am Platz der Luftbrücke 6 in Berlin-Tempelhof untergebracht ist und ausführlich über mehr oder weniger spektakuläre Kriminalfälle und die Arbeit der Polizei früher und heute berichtet und dabei unter anderem Einbrecher- und Mordwerkzeuge, Verbrecheralben, eingeschlagene Schädel, Uniformen und andere Hinterlassenschaften aus zweihundertjähriger Berliner Polizeigeschichte zeigt.

Den Tod durch das Fallbeil erlitt Werner Gladow, Chef und Namensgeber einer berüchtigten Einbrecherbande, die im Nachkriegsberlin ihr Unwesen trieb. Als Jugendlicher träumte er von einem Leben wie der berüchtigte US-Ganove Al Capone und warb für seine Einbrüche junge Leute an, die ähnlich dachten wie er und sich durch allerlei Diebstähle über Wasser hielten. Gladow nutzte unklare Verhältnisse in der Viersektorenstadt und mangelnde Zusammenarbeit der Behörden über die Zonengrenzen hinweg für seine Zwecke aus. Nach Überfällen im Westteil der Stadt mit erbeuteten Waffen setzte er sich in den Ostsektor ab und ging auch umgekehrt vor. In angemieteten Wohnungen und auf Trümmergrundstücken wurde die Beute versteckt. Jederzeit fanden sich Hehler und Käufer, denn es wurde alles gebraucht und alles zu Geld gemacht.

Werner Gladow war gerade 18 Jahre alt, als ihn eines seiner Bandenmitglieder verriet. Nach einem spektakulären Feuergefecht mit der Polizei in der Wohnung seiner Eltern im Bezirk Friedrichshain festgenommen, wurde ihm der Prozess gemacht, der für ihn und zwei seiner Kumpane mit dem Todesurteil endete. Anfang Dezember 1950 wurde es in Frankfurt an der Oder vollstreckt. Die Brüder Sass und Werner Gladow avancierten später zu Filmhelden, so wie auch das Treiben manch anderer Verbrecher.

Erwähnt sei der unter dem Decknamen Dagobert agierende Kaufhauserpresser Arno Funke, der vor und nach 1990 die Berliner Polizei narrte und 1994 gefasst wurde. Nachdem er zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, begann er als Buchautor, Satiriker und Karikaturist ein neues Leben. Auch dieser Fall ist in der Polizeihistorischen Sammlung dokumentiert. Geöffnet ist das Museum Montag bis Mittwoch von 9 bis 15 Uhr, Führungen für Gruppen können auch nach vorheriger Anmeldung durchgeführt werden, Eintritt 2, ermäßig 1 Euro (Telefon 030/4664 9947 62, Internet www.phs-berlin.de

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