Als die Republik den roten Teppich ausrollte

Neue Ausstellung im Schloss Schönhausen über Staatsempfänge und Regierungsgästehäuser in beiden deutschen Staaten



Wiederhergestellt und gelb gefärbt ist die Fassade der Residenz
der preußischen Königin Elisabeth Christine.
Ihr Gemahl Friedrich II. mied sie hat den Palast nie betreten.




Der edel vertäfelte Arbeitsraum von Wilhelm Pieck aus dem 1950-er Jahren hat
im Schloss Schönhausen alle Zeiten überstanden.




Auf dem so genannten Protokollsofa nahmen Honecker und seine Gäste
lächelnd Platz. Besucher dürfen das grün bezogene Möbelstück es nur anschauen.




Wie die Tafel bei Staatsbanketten in Augustusburg (hinten) und
Schönhausen gedeckt war, hat man in einem Extraraum nachempfunden.




Kostbare Stuckaturen schmücken Decken und Wände der von der Königin
Elisabeth Christine und ihren Nachfolgern genutzten Räume. (Fotos: Caspar)


Schloss Schönhausen im Berliner Bezirk Pankow, Ortsteil Niederschönhausen, hat schon viele Besitzer gesehen und die unterschiedlichsten Nutzungen gehabt. Hier spielte sich wie in kaum einem anderen Gebäude in der Hauptstadt königlich-preußische, deutsche und DDR-Geschichte ab. Im 18. Jahrhundert im Stil des Rokoko gestaltete Residenz von Elisabeth Christine, der Gemahlin König Friedrichs II., des Großen, im 19. Jahrhundert von den Hohenzollern verlassen und gemieden, in der Nazizeit als Depot für so genannte entartete Kunst verwendet und in DDR-Zeiten als Präsidentensitz und Regierungsgästehaus genutzt, ist das Schloss zur Freude der Kunst- und Bauhistoriker weitgehend Teil im originalen Zustand erhalten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ließ es in den vergangenen Jahren umfassend sanieren und restaurieren und würdigt darin die wechselvolle Geschichte des Schlosses und Parks vom frühen 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Eine jetzt eröffnete und bis zum 3. Juli 2016 laufende Ausstellung unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck geht der Frage nach, wie die ehemalige königliche Residenz zum Sitz des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck und ab 1966 zum Regierungsgästehaus gemacht wurde und wer es sich dort gut gehen ließ. Da auch das weitaus prächtiger gestaltete Schloss Augustusburg in Brühl bei Bonn Ort repräsentative Empfänge der bundesdeutschen Politik war, gestalteten die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und die Verwaltung der zum Weltkulturerbe gehörenden Schlösser Augustusburg und Falkenlust eine gemeinsame, mit vielen bisher kaum gezeigten Exponaten bestückte Ausstellung, die ab Sommer 2016 in Brühl gezeigt wird.

Die mit Fotografien, Film- und Tondokumenten sowie zahlreichen authentischen Dokumenten und weiteren Schaustücken versehene Ausstellung "Schlösser für den Staatsgast" schildert, wie Staatsbesuche in der DDR und der Bundesrepublik der außenpolitischen Etablierung und Repräsentation dienten und welche Rolle historische Schauplätze dabei spielten. Schönhausen war bis 1989 das streng von der Außenwelt abgeschirmte Staatsgästehaus der DDR-Regierung, während das weitaus prächtiger gestaltete und viel größere kurkölnische Schloss Augustusburg als repräsentative Kulisse für Staatsempfänge der Bundesrepublik Deutschland war, nicht aber als Luxusherberge für Monarchen, Präsidenten und andere Prominente diente.

Eigentlich hatte der zweite deutsche Staat mit preußischen Schlössern nichts gemein. 1950 wurden die wiederaufbaufähigen Ruinen des Berliner und zehn Jahre später des Potsdamer Stadtschlosses gesprengt und beseitigt. Und auch sonst fielen zahlreiche Landschlösser und Gutshäuser aus ideologischen Gründen der Spitzhacke zum Opfer. Dessen ungeachtet fanden im Schloss Schönhausen Staatsakte, Ordensverleihungen, Empfänge und weitere Festivitäten statt, bei denen es an nichts fehlte. Und es wurden hier auch Staatsgäste standesgemäß einquartiert nach dem Motto "Was der Klassenfeind in Brühl kann, können wir in Pankow schon lange". Bei der Ausstellungseröffnung zählte Kurator Jörg Kirschstein Namen von Politikern auf, die das edle Ambiente genossen und auch auf dem grün bezogenen Sofa gemeinsam mit dem Staats- und SED-Chef Erich Honecker in die Kameras lächelten. Es wurde alles getan, um den Gästen und ihrer Entourage den Aufenthalt in Schloss und Park Schönhausen so angenehm wie möglich zu machen. Fidel Castro rauchte dicke Havannas und stählte seinen Körper in einem extra für ihn eingerichteten Sportraum. Als der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, mit seiner Frau Raissa als letzter Staatsgast der DDR in Schönhausen dinierte und sich selbstkritisch über die Verhältnisse im eigenen Land äußerte, entgegnete sein von sich selbst unerschütterlich überzeugte Gastgeber Honecker mit beschwichtigenden Floskeln, was von Teilnehmern der festlichen Runde als peinlich und unangemessen empfunden wurde. Wenige Tage später nach diesem als eisig geschilderten Treffen war Honecker entmachtet, und die von seinem Nachfolger Egon Krenz ausgerufene so genannte Wende nahm mit den bekannten Folgen ihren Lauf.

In den weitgehend original erhaltenen Schlossräumen stehen Rokokomöbel, die es hier schon zur Zeit der Königin Elisabeth Christine gab. Zum Zimmerschmuck gehören Porträts der Monarchin, die von ihrem Gemahl Friedrich II. von Preußen getrennt lebte, weshalb sich dieser hier nicht blicken ließ, sowie von geputzten und gepuderten Hofdamen. Gezeigt werden ergänzend zu der Ausstellung über die regierungsamtliche Nutzung des Schlosses Schönhausen edles Porzellangeschirr und Silberbesteck, aber auch Bücher und andere über 250 Jahre alte Ausstattungsstücke. Auf diese Weise wird eine lange vergessene Monarchin gewürdigt und ihre Residenz als Perle der preußischen Schlösserlandschaft ins öffentliche Bewusstsein gehoben. Jörg Kirschstein hofft, dass die jetzt eröffnete Ausstellung recht viele Besucher anlockt und den Bekanntheitsgrad des stilistisch zwischen dem Schloss in Rheinsberg und dem Schloss Sanssouci weiter erhöht.

Neben den mit edlem Stuck besetzten und in einem Fall mit Zedernholz verkleideten Privat- und Repräsentationsräumen, die Elisabeth Christine bewohnte, sind die ehemaligen Amtsräume des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck für die Besucher geöffnet. Während in den frühen DDR-Jahren das Berliner und das Potsdamer Stadtschloss und weitere bedeutende Baulichkeiten kommunistischem Bildersturm zum Opfer fielen, hatte die damalige Staats- und SED-Führung kein Problem, sich in einem intakt gebliebenen Preußenschloss, eben Schönhausen, zu repräsentieren. In dem Idyll am Rande der Stadt wurden Botschafter empfangen und Orden verliehen, die DDR gab sich gravitätisch und demokratisch, ihre Führer erschienen in Frack und schwarzem Anzug. Alles sah volksnah aus, war es aber nicht. Für die Ausstattung war das Beste gerade genug gewesen. Der damals bekannte Architekt Hans Hopp entwarf das Design einiger jetzt aus dem Deutschen Historischen Museum herbei geholter Möbel. Sie und die auf einer Festtafel aufgestellten Geschirre und Gläser sowie die in einem besonderen Raum aufgestellten Staatsgeschenke ost- und westdeutscher Provenienz sind wahre, freilich meist furchtbar kitschige und protzige Hingucker und hinterlassen eigenartige Gefühle. Zwar ist es nicht erlaubt sein, probeweise auf Honeckers grünem Protokollsofa Platz zu nehmen, aber vielleicht wird man wegen des Feelings mit der Hand über die blasslila getönten Fliesen in der Gästetoilette streichen. Da es diese Wandverkleidung in der DDR nicht gab, wurde sie im Westen gekauft, wie so vieles andere auch, denn Westgeld spielte bei der Ausstattung des Regierungsgästehauses keine Rolle.

Übrigens wurde 1990 deutsch-deutsche Geschichte im Schloss und dem benachbarten Kongresszentrum bei den Zwei-plus-vier-Verhandlungen über die Modalitäten der Wiedervereinigung geschrieben, und außerdem tagte hier der Zentrale Runde Tisch, an dem es um den Umgang mit den politischen und wirtschaftlichen Hinterlassenschaften der untergehenden DDR ging. Diese Bauten werden heute als Bundeswehr-Akademie genutzt, davor aufgestellte Tafeln halten jüngste deutsche Geschichte in Erinnerung. In den seinerzeit von der Staatssicherheit bewachten Torhäusern am Eingang zum Park wird eine Ausstellung über die DDR-Vergangenheit des Schlosses Schönhausen gezeigt.

Zur Ausstellung in den Schlössern Schönhausen und Augustusbuch erschein ein von beiden Schlösserverwaltungen herausgegebenes
Buch mit 144 Seiten und zahlreichen Abbildungen. Es erschien im Sandsteinverlag Dresden und kostet als Museumsausgabe 19,80 und im Buchhandel 28 Euro.

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