Zugang ist weiter gewährleistet

Expertenkommission des Deutschen Bundestags empfiehlt Übernahme der Stasi-Unterlagen durch das Bundesarchiv



Das ehemalige Hauptquartier des MfS an der Ruschestraße im Berliner
Bezirk Lichtenberg ist Museum, Gedenkstätte und Archiv in einem.




Leicht lädierte Kameras und andere Gerätschaften aus dem Stasi-Arsenal
sind in der Ausstellung im Haus 1 des MfS ausgestellt. Hier hatte
Minister Mielke seine Amtsräume, und wer zu dem Choleriker bestellt
wurde, dem sollen schon beim Betreten die Knie geschlottert haben.




Dank neuester Computertechnik konnten zahlreiche 1989/90 zerfetzte
und sonst wie zerstörte Stasi-Dokumente und Tonträger wieder
lesbar gemacht werden. Die von Roland Jahn geleitete Behörde
bereitet die Berichte auf und kann sich über mangelndes Interesse
nicht beklagen. Das Foto zeigt ein Exponat im Haus 1 des Ministeriums.




Das Ministerium für Staatssicherheit verstand sich als Schild und Schwert
der SED. Mielke wusste manches über die Parteiführer und nutzte seine
Kenntnisse für sich und seine Leute. (Fotos/Repro: Caspar)


Die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Expertenkommission unter Vorsitz des früheren Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Wolfgang Böhmer zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) hat unlängst Empfehlungen an das Parlament übergeben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht in den Vorschlägen eine gute Grundlage für die weitere Beschäftigung des Bundestages mit den Hinterlassenschaften des Mielke-Ministeriums und die abschließenden Entscheidungen zu diesem Thema. "Wichtig ist die Aussage der Experten, dass der Zugang zu den Stasi-Akten insbesondere für die Opfer der SED-Diktatur in vollem Umfang auch in Zukunft erhalten bleiben soll. Nach den Vorgaben des Bundestages können dann wichtige Strukturentscheidungen auf den Weg gebracht und die Aufarbeitung des Stasi-Erbes fortgesetzt werden."

Die Behörde unter Leitung des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers Roland Jahn erfasst, verwahrt und verwaltet mehr als 111 Kilometer Aktenmaterial und sowie über 1,7 Millionen Fotos, die das von Erich Mielke diktatorisch geleitete Ministerium für Staatssicherheit über die eigene Bevölkerung und das Ausland angelegt hat. In der Zentrale an der Normannenstraße/Ruschestraße im Berliner Bezirk Lichtenberg und den zwölf Außenstellen der Behörde sind aktuell rund 1600 Beschäftigte tätig. Roland Jahn war einer der Mitbegründer der oppositionellen Friedensgemeinschaft Jena und wurde 1983 von den DDR-Behörden zwangsweise ausgebürgert. Am 28. Januar 2011 wählte der Bundestag den Bürgerrechtler und Journalisten zum neuen Bundesbeauftragten als Nachfolger von Marianne Birthler. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten soll nach den Vorschlägen der Expertenkommission zukünftig unter der Bezeichnung Bundesbeauftragter für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur als Ansprechpartner und Ombudsmann für die Opfer der kommunistischen Diktatur tätig sein, aber auch den Bundestag und die Bundesregierung beraten. Wie bisher soll der Bundesbeauftragte weiterhin für fünf Jahre vom Bundestag gewählt werden und alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht dem Parlament vorlegen.

Die 14-köpfige Böhmer-Kommission stellt fest, dass sich die Unterlagen-Behörde vor allem als Instanz zur Einsichtnahme der Akten bewährt hat und weltweit als Vorbild für den Umgang mit geheimpolizeilicher Vergangenheit gerühmt wird. Am Dienstort Berlin des Bundesarchivs sind bereits die Unterlagen der staatlichen Verwaltung der DDR sowie der Parteien und Massenorganisationen der DDR archiviert. Sie werde ohne Schutzfristen Interessenten zur Einsicht bereitgestellt. Bereits jetzt kooperiert der BStU mit dem Bundesarchiv, etwa beim gemeinsamen Internetauftritt auf der Plattform "Argus", mit dessen Hilfe die Recherche in dem Aktenwust erleichtert wird, den der DDR-Geheimdienst ungeachtet hektischer Vernichtungsmühen in der so genannten Wendezeit 1989/90 hinterlassen hat. Im Einzelnen empfiehlt die Kommission, das Stasiarchiv vollständig unter eigenem Namen und mit sichtbarer Eigenständigkeit unter dem Dach des Bundesarchivs weiterzuführen und die Akten grundsätzlich in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg beziehungsweise in den einzelnen Standorten der Bundesländer zu belassen. Die Stellen der Archivarinnen und Archivare und der Editorinnen und Editoren sollten mit den Akten in die Verantwortung des Bundesarchivs übergehen. Die Regularien des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für den Umgang mit den Akten, also die Erteilung von Auskünften und die archivische Bearbeitung, sollten weitergelten.

Bei der Digitalisierung der Bestände in enger Abstimmung mit dem Bundesarchiv sollten archivfachliche Gesichtspunkte oberste Priorität genießen, schreibt die Kommission. Ziel der Digitalisierung sei es, den Zugang zu den Unterlagen zu verbessern und dabei deren Aussagekraft vollständig zu erhalten. "Die Sichtbarkeit der Entstehungszusammenhänge bleibt Voraussetzung für eine offene Auswertung auch der digitalen Formen", heißt es weiter. Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, eine gemeinsame Arbeitsgruppe von BStU und Bundesarchiv zu bilden, um den Integrationsprozess zu planen und durchzuführen. Dem Bundestag wird vorgeschlagen, diese Handlungsempfehlungen in ein spezielles Gesetz umzusetzen.

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