Ort der Opfer und der Täter
Mit der Berliner Topographie des Terrors verbinden sich schlimmste Verbrechen und mutiger Widerstand /Besuch der Bibliothek lohnt sich




Die Gedenk- und Forschungsstätte dokumentiert das, was sich im
so genannten Hausgefängnis der Gestapo ereignet hat,
von denen Mauerreste erhalten sind. In Kürze wird hier
wieder die Freiluftausstellung zu sehen sein.




Die Topographie des Terrors berichtet nicht nur über die zwischen
1933 und 1945 an dieser Stelle organisierten Verbrechen
im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht okkupierten Ländern,
sondern auch den mutigen Widerstand quer durch Europa.




In der Dauer-und den Sonderausstellungen wird gezeigt, wie es die Nazis
vermochten, Millionen Menschen auf ihre Seite zu ziehen, und wie sich diese
missbrauchen ließen. Hier wird mit historischen Fotos der Fackelzug
nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 nachgestellt.

Wenn alles nach Plan gegangen wäre, stünde das Informations -und Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände an der Niederkirchner Straße und Wilhelmstraße im Bezirk Kreuzberg schon seit 2001. Das wenigstens war lange Zeit auf einer großen Schrifttafel am Eingang zu der Gedenkstätte an der Ecke Wilhelmstraße/Niederkirchner Straße im Berliner Bezirk Kreuzberg zu lesen. Da es aber bei der Realisierung des Entwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor manche Pleiten, Pech und Pannen gab und die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe zu schossen, wurde ein Baustopp verhängt. Eine Machbarkeitsstudie war zu dem Ergebnis gekommen, dass Zumthors preisgekrönter Entwurf für eine kompliziert konstruierte und eindrucksvolle Ausstellungshalle für die zur Verfügung stehende Summe von 38,8 Millionen Euro nicht zu realisieren ist. Daher hatten Bundesregierung und Berliner Senat einen Neuanfang vereinbart und die Zusammenarbeit mit dem Architekten beendet. 15 Millionen Euro, die bisher in die Planung und erste Baumaßnahmen investiert wurden, waren in den Sand gesetzt. Planung und Bau der neuen Ausstellungshalle, in der die Schreckensgeschichte des NS-Staates dokumentiert werden soll, wurden neu ausgeschrieben, und den Zuschlag bekamen Ursula Wilms und das Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner sowie der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann. Am 6. Mai 2010 wurde die über eine Treppe erreichbare Halle aus Glas und Stahl feierlich eingeweiht. Auf dem Freigelände sind Reste des Gestapogefängnisses und weitere Zeugnisse des Naziterrors sichtbar.

Wer sich als Historiker, als Laienforscher oder ganz allgemein als interessierter Zeitgenosse über die Zeit des Nationalsozialismus, seine Verbrechen und die Täter, aber auch über die Verfolgung von Juden, Sinti und Roma sowie weitere nicht ins politische und rassistische Konzept der braunen Machthaber passende Personen informieren möchte und auch Klarheit über viele andere Fragen wie die so genannte Entnazifizierung und Wiedergutmachung nach dem Ende des NS-Reiches haben möchte, kann dies in der ständigen Ausstellung sowie in immer neu gestalteten Sonderausstellungen tun. Die reich mit Literatur aus der Zeit vor und nach 1945 ausgestattete Bibliothek im Untergeschoss des Ausstellungsgebäudes kann Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr ohne besondere Formalitäten benutzt werden. Der ständig erweiterte Bestand umfasst rund 30 000 Bände, nationale und internationale Fachzeitschriften sowie Publikationen von Gedenkstätten, Verfolgtenverbänden und Einrichtungen der historisch-politischen Bildung. Eingeschlossen in dieser Zahl sind elektronische Datenträger sowie auf CD-Rom gespeicherte Filme. Die Onlinekataloge www.topographie.de/opac und www.aggb-katalog stehen jedermann auch zuhause ohne Zeitbegrenzung zur Verfügung. Wenn man dort Namen, Begebenheiten, Orte, Stichwörter, Jahreszahlen und andere Daten eingibt, bekommt man in Sekundenschnelle Auskunft über die vorhandene Fachliteratur und kann sie sich bei einem Besuch vorlegen lassen. Interessenten mit Wohnsitz in Berlin können übers Wochenende bis zu fünf Bücher mitnehmen.

Es fällt heute schwer sich vorzustellen, welche Gebäude auf dem Gelände der Topographie des Terrors an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, der heutigen Niederkirchner Straße, gestanden haben und was dort geschehen ist. Bild- und Texttafeln auf dem Gelände zeigen, wo welche Gebäude standen und was dort geschehen ist. Von den repräsentativen Palais aus dem 19. Jahrhundert ist nichts übrig geblieben. Was von den Fundamenten der ehemaligen Gestapo- und SS-Zentrale noch erhalten ist, wird durch Dächer vor Regen und Schnee geschützt. In Kürze wird entlang der Käthe-Niederkirchner-Straße wieder die Freilichtausstellung über die Verbrechen der Nazis und den mutigen Widerstand ihrer Gegner eingerichtet. Sie war bei Beginn des Winters, wie schon in früheren Jahren, abgebaut und eingelagert worden. Mit bisher mehr als zehn Millionen Besuchern gehört die Topographie des Terrors zu den am meisten beachteten Dokumentationen in Berlin und Deutschland über die Zeit und die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Erinnert sei, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg im damaligen Westberlin geringes Interesse gab, den durch Beschuss und Bombentreffer beschädigten Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), das Hauptquartier des Reichsführers SS Heinrich Himmler sowie weitere Dienstgebäude des SS und der SA im "Regierungsviertel des KZ-Staates" zu erhalten. Man hätte die Ruinen stehen lassen und ausbauen können. Doch Abräumen und Erde drüber, bloß nicht mehr an die schreckliche Vergangenheit erinnern und nach vorne schauen, war die Parole. Das Gebiet in unmittelbarer Nähe zur Mauer geriet folgerichtig in Vergessenheit. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 entsannen sich Historiker und Bürgerinitiativen der Tatsache, dass es auf dem mittlerweile von Gras und Büschen überwucherten Gelände nicht weit von Hitlers Reichskanzlei von Hitler sowie verschiedener Nazi-Ministerien in der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde. Eine Gedenktafel von 1989 forderte: "Aus dem damaligen Ort der Täter muß heute ein Denkort werden, damit für die Zukunft gilt: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!".

Das ehemalige Gestapogelände war ursprünglich ein Ort des Geistes und der Kunst. Die dem - nicht mehr vorhandenen - Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau (Kunstgewerbemuseum) aus dem 19. Jahrhundert benachbarte Kunstgewerbeschule mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der Nazizeit Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und zugleich eine der berüchtigsten Folterhöllen des NS-Staates. Im früheren SS- und Gestapogelände wurden unter Leitung des Reichsführers SS und obersten Polizeichefs, Heinrich Himmler generalstabsmäßig der Holocaust, die Ermordung der europäischen Juden, und aller anderen Menschen vorbereitet, die von den Nationalsozialisten aus rassistischen und so genannten völkischen Gründen zu Volksfeinden erklärt wurden. Überdies planten die "Herrenmenschen" in den schwarzen SS-Uniformen die Eroberung neuen Lebensraums, wie man im NS-Jargon sagte, und die Versklavung ganzer Völkerschaften sowie die Ausrottung von Millionen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.

Das Hotel Prinz Albrecht in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das von Schinkel im frühen 19. Jahrhundert klassizistisch ausgestaltete Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102 waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Heydrich beziehungsweise Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. Hier wurden die Überwachung, Inhaftierung und Ermordung von regimefeindlichen Personen und Gruppen organisiert. Darüber hinaus gab es in den Räumen der obersten Sicherheitsbehörden des Deutschen Reichs Verhöre unter schrecklichen Torturen, die viele Inhaftierte nicht überlebten. Unter unmenschlichen Bedingungen waren hier 15 000 Regimegegner inhaftiert, um ihnen mit Drohungen und Folter Informationen über den Widerstand abzupressen oder sie auf Verfahren vor dem nationalsozialistischen Volksgerichtshof vorzubereiten. Viele Menschen überlebten die Torturen nicht. Reste der Folterkeller sind erhalten, wer dort entlang geht, wird stumm und nachdenklich.

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