Raub und Mord an der Spree

Feindliche Truppen drangsalierten schon im 17. und 18. Jahrhundert die Berliner und nahmen auf niemand und nichts Rücksicht



Die preußische Haupt- und Residenzstadt Berlin wird von österreichischen
Truppen erobert, und die Bevölkerung muss zahlen und sich in ihr Schicksal ergeben.




Übel wurden die königlichen Schlösser zugerichtet, der Holzstich
von Adolph Menzel zeigt, wie die Besatzer in Charlottenburg hausten.




Kaiser Napoleon I. nimmt in Berlin die Parade seiner Truppen ab,
mehrere Jahre und Kriege später fand er sich als
Geächteter und Verbannter auf der Insel Sankt Helena wieder.




Die Rückkehr der Quadriga aus dem französischen Exil auf das
Brandenburger Tor im Jahr 1814 ist auf einer Spielkarte dargestellt.
(Repros: Caspar)

Berlin wurde nicht erst 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, von fremden Truppen besetzt. Die Stadt musste solche schon in früheren Jahrhunderten ertragen und hohe Kontributionen zahlen. Ohne den Schutz starker Mauern und Bastionen war die Doppelstadt Berlin-Cölln im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) der Willkür raublüsterner Söldner ausgeliefert. 1630 suchten kaiserliche Söldner die Doppelstadt an der Spree heim und pressten den Einwohnern, wie damals üblich, Geld und Lebensmittel ab. Ein Jahr später nötigte der schwedische König Gustav II. Adolf den Kurfürsten Georg Wilhelm, seine bisher beobachtete Neutralität aufzugeben und sich an seine Seite zu stellen. Der brandenburgische Landesherr musste die Festungen Spandau und Küstrin seinem neuen Bundesgenossen als Stützpunkte und Lebensmittelreservoire überlassen und sich zur Zahlung von 30 000 Talern pro Monat verpflichten. 1633 verließen Georg Wilhelm, sein Hof und viele Berliner die von den Kaiserlichen bedrohte Stadt. Bald darauf gelang den Schweden die Eroberung der brandenburgischen Haupt- und Residenzstadt. Die dabei angerichteten Massaker und Raubzüge der feindlichen Soldateska blieben lange in Erinnerung und mögen auch später im Krieg eine Rolle gespielt haben, den der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm gegen die schwedischen Invasoren erfolgreich führte.

Die Folgen der Besetzungen, Brandschatzungen und Mordtaten waren verheerend, und das Land brauchte Jahrzehnte, bis sie überwunden waren. Um sich vor Belagerung und Besetzung zu schützen, wurden bald nach dem Dreißigjährigen Krieg um Berlin ein Festungskranz mit Bastionen, Türmen und Toren angelegt. Allerdings war der Nutzen dieser kostspieligen Anlage gering, zumal sie die Ausdehnung der Stadt behinderte. Deshalb hat man im Laufe des 18. Jahrhunderts die Mauern und Tore nach und nach wieder abgetragen. Um aber Soldaten das Desertieren aus der preußischen Armee zu erschweren, ließen die Hohenzollern Palisaden errichten, die zugleich als Zollmauern dienten.

Unter Friedrichs II., des Großen, wurde Berlin erneut besetzt. Diesmal waren es österreichische Truppen, die im Oktober 1756, am Beginn des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) in der Stadt erschienen und sie erst verließen, nachdem sich die Bürgerschaft mit der Zahlung von 200 000 Talern freigekauft hatte. Vier Jahre später marschierten 20 000 Russen und 15 000 Österreicher in die Stadt ein. Die wenigen preußischen Truppen, die noch vorhanden waren, konnten dem Ansturm nicht standhalten. Zwar hatte der König vorgesorgt, indem er den Umzug des Hofes und die Verlagerung des Staatsschatzes und wichtiger Dokumente nach Magdeburg veranlasste, das starke Befestigungen besaß. Doch die einfachen Berliner waren ohne jeden Schutz.

Bevölkerung ohne jeden Schutz

Nach zeitgenössischen Beschreibungen müssen die Besatzer furchtbar gehaust haben. "Berlin wurde auf einmal der Tummelplatz von Kosaken, Kroaten und Husaren, die bei hellem Tage in den Straßen und Häusern, wo sie nur hinkamen, raubten, die Menschen prügelten und verwundeten. Zweihundertundzweiundachtzig Häuser wurden erbrochen und ausgeleert. [...] Selbst Hospitäler, die Zufluchtsörter kranker und bedürftiger Menschen, die wilde Barbaren verschont haben würden, hatten kein besseres Schicksal", berichtete Johann Wilhelm von Archenholz 1791 aus eigener Anschauung in einem Buch über den Siebenjährigen Krieg. Vor dem Raub seien nicht einmal Kirchengeräte und der Armenkasten, also das Geld zur Versorgung der Stadtarmut, gefeit gewesen. Sogar Gräber hätten die Besatzer geöffnet und den verfaulten Leichen die Totenkleider geraubt.

Die von den Besatzern verlangten 1,5 Millionen Taler ließen sich nur mit Hilfe wohlhabender Bürger zusammenkratzen. Die Besatzer requirierten königliche Besitztümer und solche der Einwohnerschaft, die zudem unter drückenden Einquartierungen zu leiden hatte. Sie plünderten das Charlottenburger Schloss und verfuhren ähnlich wie preußische Truppen, die sich auf Befehl und zum Nutzen ihres königlichen Oberbefehlshabers an sächsischen Schlössern und Kostbarkeiten schadlos hielten. Großes persönliches Risiko trug der reiche Kriegslieferant und Kaufmann Jo-hann Ernst Gotzkowsky. In Friedenszeiten pflegte er gute Beziehungen zu russischen Kaufleuten, und auch während des Kriegs erwarb er sich Sympathien unter russischen Gefangenen, weil er sich um ihr Wohl und Wehe kümmerte. Gotzkowsky gelang es, die enorme Forderung des in russischen Diensten stehenden Generals Gottlob Curt Heinrich Graf von Tottleben, nach der die Berliner fünf Millionen Taler Kontributionen zahlen sollten, auf 1,5 Millionen drücken. Außerdem erhielten die russischen Truppen, um sie milde zu stimmen, 200 000 Taler als Geschenk. Friedrich II. dankte Gotzkowsky für seine Vermittlung mit einer beachtlichen Geldzuweisung, die er für den Kauf der Berliner Porzellanmanufaktur verwandte. Lange konnte sich der Unternehmer aber dieses Besitzes nicht erfreuen, denn 1763 musste er die Fabrik an den König abtreten.

Besonders schlimm hausten die Österreicher in den königlichen Schlössern Charlottenburg und Schönhausen. Zahlreiche Gemälde, Möbel, Skulpturen, Spiegel und was ihnen sonst noch in die Finger kam, wurden zerstört oder geraubt. Friedrich II. soll später angesichts der Barbarei gesagt haben: "Die Unmenschen! Aber konnten sie diese Schönheiten wohl schätzen? Man muss ihnen vergeben". Vielleicht dachte der König daran, dass seine eigenen Soldaten ähnlich schlimm in sächsischen Königsschlössern und denen seines speziellen Feindes, des Grafen Heinrich von Brühl, gewütet hatten. Ein preußischer Offizier weigerte sich, das sächsische Schloss Hubertusburg zu plündern und sich an dem kostbaren Mobiliar zu bedienen. "Sah Friedrichs Heldenzeit und kämpfte mit ihm in allen seinen Kriegen. Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brach-te" lautet die Inschrift auf dem Grabstein von Johann Friedrich Adolf von der Marwitz in der Kirche zu Friedersdorf (Landkreis Märkisch-Oderland). Laut Theodor Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" soll der so genannte Hubertusburg-Marwitz seinem königlichen Oberbefehlshaber gesagt haben, dergleichen würde sich "allenfalls für den Offizier eines Freiba-taillons schicken, nicht aber für einen Kommandeur Seiner Majestät Gensdarmes".

Der König hat eine Bataille verloren

Am längsten dauerte, mit Unterbrechungen, die französische Besatzungszeit von 1806 bis 1813. Nach dem Einmarsch von Kaiser Napoleon I. und seiner Truppen Ende Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor stand die Haupt- und Residenzstadt unter französischer Vormundschaft. Der Einmarsch der französischen Truppen wurde von den entsetzten Bürgern mit bangen Erwartungen beobachtet. Von Potsdam über Charlottenburg kommend, war der Kaiser mit glänzendem Gefolge durch das Brandenburger Tor in die preußische Haupt- und Residenzstadt geritten. Zuvor hatte man ihm in ehrerbietiger Form die Stadtschlüssel übergeben und die Hoff-nung ausgesprochen, Berlin möge von Plünderung verschont werden. Die Berliner ballten nur die Fäuste, wenn die Besatzer nicht hinschauten, und sie hielten sich an den berühmten Befehl ihres Kommandanten, General Friedrich Wilhelm Graf von der Schulenburg-Kehnert, der schon am 17. Oktober 1806 gleich nach Bekanntwerden des preußischen Desasters von Jena und Auerstedt verkündet hatte: "Der König hat eine Bataille verlohren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Ich fordere hierzu alle Einwohner Berlins auf. Der König und seine Brüder leben!". Bevor sich der Kommandant aus dem Staub machte, rief er die Berliner auf, die zu erwartenden Franzosen ruhig und besonnen zu empfangen, weil sonst größtes Ungemach der Stadt und ihren Einwohnern drohen würde. Daran hielten sich die Untertanen, und so wurde Berlin weder niedergebrannt noch ausgeraubt, von Kunstschätzen in den königlichen Schlössern abgesehen (siehe dazu Beitrag auf dieser Internetseite). Allerdings mussten sie zusehen, wie die Quadriga vom Brandenbur-ger Tor geholt und als Kriegsbeute nach Paris verschleppt wurde. Die Rückkehr der kupfernen Figurengruppe im Jahr 1814 wurde mit großem Jubel quittiert. Binnen zwei Jahren mussten die Berliner die Summe von sieben Millionen Talern als Kontribution aufbringen, während das halbierte und geschwächte Preußen nach dem Friedensschluss von Tilsit im Sommer 1807 alles in allem die Riesensumme von 140 Millionen Talern zu zahlen hatte.

Als sich vom 17. Juli bis 2. August 1945 im Potsdamer Schloss Cecilienhof die führenden Politi-ker der Anti-Hitler-Koalition trafen, waren sie sich darin einig, dem Nazismus in Deutschland den Garaus zu machen, die Kriegsverbrecher zu bestrafen, die Rüstungsindustrie zu zerschlagen und die Grenzen in Europa neu zu ziehen. Das ehemalige Deutsche Reich und seine Hauptstadt Berlin wurden in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Nur mühsam ließen sich die Gegensätze zwischen Ost und West kaschieren, und der Kalte Krieg bestimmte den Verlauf der folgenden 40 Jahre. Berlin war bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 eine geteilte Stadt, in der die Alliierten das letzte Wort hatten. Versuchen der Sowjetunion, die Oberhoheit auch über die Westsektoren zu erlangen, scheiterten. Weder durch die Blockade 1948/49 noch durch weitere Repressionen ist es gelungen, den freien Teil der Stadt aus seiner Westbindung zu brechen.

(14. Mai 2016)

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