"Frisch, frei, froh und fromm"

Das Friedrich-Ludwig-Jahn-Denkmal in der Berliner Hasenheide und die Anfänge der Turnerbewegung



Dem grün patinierten Jahn-Denkmal in der Hasenheide sieht man nicht gleich an,
dass es einen Vorkämpfer der Turnerbewegung in Preußen ehrt.




Zahlreiche Inschriftenplatten am Fuß des Denkmals unterstreichen die große Verehrung,
die Friedrich Ludwig Jahn in aller Welt genießt. (Fotos: Caspar)

Das von Erdmann Encke geschaffene Bronzedenkmal des "Turnvaters" Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) in der Neuköllner Hasenheide ist nicht gerade ein Meisterwerk der Bildhauerei. Man könnte den langbärtigen Lehrer und Streiter für die damals ganz neue Turnerbewegung, der auf einer kleinen Anhöhe steht und auf die Spaziergänger herab schaut, auch als Gelehrten oder Künstler deuten. Wären da nicht die vielen in das Postament eingelassenen Inschriftentafeln, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die neuere Vergangenheit von Sport- und Turnvereinen in Deutschland und im Ausland bis zu den USA und Australien gestiftet wurden und die die Liebe und Verehrung für "Vater Jahn" unterstreichen. "Dem Schöpfer einer neuen Aera für die Deutsche Nation von seinen Jüngern in Australien Der Turnverein zu Melbourne, Colonie Victoria" oder "Turnergemeinde Cincinnati, Ohio. Freiheit, des Kampfes Preis" liest man auf zwei dieser Steine.

Die Verehrung galt einem Mann, der mit seinem Kollegen Karl Friedrich Friesen in der Hasenheide, damals noch vor den Toren der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin, mit seinen Gymnasiasten regelmäßige Leibesübungen veranstaltete und dazu auch ganz ungewöhnliche Sportgeräte wie Barren und Reck einsetzte. Jahns Ziel war die körperliche Ertüchtigung der jungen Männer für den bevorstehenden Kampf gegen die französischen Okkupanten, die seit 1806 Preußen besetzt hatten. August Varnhagen von Ense, der kritische Zeitbeobachter, beschrieb den "Alten im Bart" mit den Worten "Sein Charakter und seine Erscheinung wirkten auf das Volk und seine Beredsamkeit hatte etwas Körniges und Hartes, das ungemein in die Gemüter drang...Weniger Beifall erlangte er in den höheren Ständen, und ihm schien auch wenig daran gelegen".

Natürlich erregte das Motto "Frisch, frei, froh und fromm" des Turnvaters Jahn das Misstrauen der preußischen Regierung. Sie brauchten in ihr Schicksal ergebene Untertanen, die allenfalls als Kanonenfutter oder als billige Handlanger dienten, mitnichten aber durch regelmäßige Turnübungen gestählte Jünglinge und Männer. Mädchen und Frauen waren lange nicht einbezogen, für sie galten die drei K - Küche, Kinder, Kirche.

Der Bildhauer Erdmann Encke gewann 1866 einen Wettbewerb um ein volkstümliches Jahn-Denkmal, das leider nicht erkennen lässt, dass es sich bei dem Dargestellten um einen bedeutenden Vorkämpfer der Befreiungskriege handelt. Der schon angegraute Mann im aufgeknöpften Gehrock gibt auch nicht preis, dass er nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 wegen angeblicher "Demagogie", also Volksverhetzung, verfolgt wurde. Von den Ergebnissen des Wienerkongresses enttäuscht, musste Jahn erleben, wie die im Deutschen Bund vereinigten Fürsten, allen voran Preußen und Österreich, die liberalen Verfassungsbewegungen und jedwede Regung freien Geistes unterdrückten. Indem Jahn Missstände im preußischen Staat und Heer anprangerte und dazu aufrief, die Beschneidung der bürgerlichen Rechte zu überwinden und die Zensur abzuschaffen, machte er sich mächtige Feinde etwa in Gestalt des Staatskanzlers August von Hardenberg, der das Turnen unter staatliche Aufsicht übernehmen wollte und Front gegen die Burschenschafterbewegung machte. Der preußischen Regierung war das, was Jahn und seine Eleven "trieben", in höchstem Maße suspekt, und so wurde die Turnerei in der Hasenheide 1819, dem Jahr der Karlsbader Beschlüsse, verboten. Jahn kam ins Gefängnis und wurde wegen angeblicher subversiver Handlungen angeklagt. Mit ihm wurden weitere Oppositionelle und Burschenschaftler eingekerkert, verfolgt, des Landes verwiesen, ihres Lebensunterhalts beraubt, zur Auswanderung bis ins ferne Amerika gezwungen.

Ein gegen Friedrich Ludwig Jahn angestrengter Prozess endete zwar mit Freispruch, doch hinderte dieser die Polizei nicht, ihn bis 1840 streng zu beobachten. In der Revolution von 1848 betätigte sich der wegen seiner ungeheuren Popularität unantastbare Turnvater in der Frankfurter Nationalversammlung als Propagandist des deutschen Erbkaisertums. Er leistete mit seiner Deutschtümelei allerlei Chauvinisten, Nationalisten und Militaristen Vorschub, was auf seine unstreitbaren Verdienste als Begründer der Turnerbewegung einen Schatten wirft. Dies alles muss man sich hinzu denken, wenn man den grün patinierten Turnvater und die vielen in Stein gemeißelten Huldigungen zu seinen Füßen betrachtet.

Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis man in Preußen das Turnen als wichtig für die körperliche und geistige Entwicklung junger Männer anerkannte und von es vom Ruch des Widerständigen befreite. Die Armee brauchte gesunde, gut gestählte Rekruten, und so ist es nicht verwunderlich, dass 1842 König Friedrich Wilhelm IV. in Berlin ein Central-Institut für den gymnastischen Unterricht in der Armee gründete. Zwei Jahre später verlangte ein Ministerialerlass, dass in allen größeren Städten des Landes Turnplätze und Turnhallen gebaut werden sollen. 1846 legte sich Berlin zwei öffentliche städtische Turnplätze zu, doch dann dauerte es noch 20 Jahre, bis in der Prinzenstraße die erste städtische Turnhalle mit einem großen Sportplatz eröffnet wurde. Er verschaffte Schülern und Vereinen gute Übungsmöglichkeiten und war darüber hinaus Ausbildungsstätte für Sportlehrer. Noch länger dauerte es, bis man Mädchen und Frauen für würdig hielt, sich ebenfalls gymnastisch und turnerisch zu betätigen und an Wettkämpfen teilzunehmen.

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