Helfen und schweigen

Eine Bürgerinitiative möchte den "stillen Helfer" Otto Weidt durch einen Straßennamen öffentlich ehren



Im Hauseingang der Rosenthaler Straße 39 liegt eine von unzähligen
Schuhsohlen blank geputzte Tafel, die an Otto Weidt, den Lebensretter, erinnert.




Die Ausstellung in der Rosenthaler Straße 39 zeigt Bilder, Dokumente, Biographien
von untergetauchten Juden und listet die Namen derer auf, die ihnen zu überleben halfen. (Fotos: Caspar)

Eine Unterschriftenliste liegt in der ehemaligen Bürstenfabrik in einem Seitenflügel des Hauses Rosenthaler Straße 39 unweit des Hackeschen Marktes aus, in dem Otto Weidt während des Zweiten Weltkriegs unter höchster Lebensgefahr verfolgte Juden vor der Gestapo verborgen hat und einigen über die Zeit der Nazibarbarei hinweg half. Das stille Heldentum von Otto Weidt und weiterer Nothelfer blieb viele Jahrzehnte unbeachtet. In der frühen Bundesrepublik war der Widerstand gegen das Hitlerregime in einem großen Teil der Bevölkerung nicht populär, und in der DDR ehrte man vor allem die der KPD und SPD zugehörigen Antifaschisten und blendete "bürgerlichen" Widerstand und den aus christlichen Motiven weitgehend aus. Im vereinigten Deutschland war es vor allem dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau sowie einigen Historikern zu verdanken, dass die Überlebenden von damals befragt und viele Details des "Rettungswiderstandes" bekannt wurden. Viel trug die jüdische Journalistin und Buchautorin Inge Deutschkron zur Aufarbeitung bei. Otto Weidt hatte ihr falsche Papiere besorgt und in seiner Werkstatt als Sekretärin beschäftigt. In der Gedenkstätte Rosenthaler Straße 39 sind die entsprechenden Dokumente ausgelegt, ergänzt durch Bilder und Tafeln, die von weiteren Schicksalen dieser Art erzählen.

Otto Weidt, der sehbehinderte Fabrikant von Besen und Bürsten, war ein entschiedener Nazigegner, er half Juden wo es nur ging, versorgte sie mit Lebensmitteln, die er sich illegal auf dem "schwarzen Markt" verschaffte, und stattete sie mit Arbeitserlaubnissen und falschen Papieren aus. Er ermunterte Vertraute, sich untergetauchter Juden anzunehmen. Indem er Polizisten und Beamte bestach, gelang es ihm, einige seiner Schützlinge zu retten. Weidt versteckte in seiner weitläufigen Werkstatt mehrere von Verhaftung und Deportation bedrohte Menschen. Am Ende der Ausstellung kann man in einen fensterlosen Raum sehen, in dem sich die Familie Horn versteckte, von einem großen Schrank vor der Tür geschützt. Als die Untergetauchten bei einer Razzia entdeckt und in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden, verstand es Weidt, sich aus der Schlinge zu ziehen, indem er Gestapobeamte bestach.

Anhand von Biographien, Briefen, Gedichten, Fotografien sowie Aussagen von Zeitzeugen und anderen Dokumenten zeichnet die Ausstellung "Blindes Vertrauen" in der ehemaligen Bürstenfabrik ein erschütterndes Bild der ständig von Entdeckung, Deportation und Tod bedrohten Juden. Die Ausstellung würdigt Otto Weidt als einen jener stillen, unbesungenen Helden, die dem blutbesudelten Naziregime Humanität und Mitleiden entgegensetzten, und sie zeigt in Räumen neben der ehemaligen Bürstenfabrik an vielen Beispielen, dass es in der Nazizeit couragierte Menschen gab, die ihre eigene Existenz aufs Spiel setzten, um anderes Leben zu retten.

Dass es in einem totalen Überwachungsstaat mitten in Berlin möglich war, Juden quasi unter den Augen der Gestapo zu verstecken, verwundert, lässt sich aber wohl nur dadurch erklären, dass es Lücken im Geflecht von Überwachung und Spitzeltum gab und sich Menschen listenreich dem Regime entgegen stellten. Otto Weidt wird zu Recht mit Oskar Schindler, dem Helden des Films von Steven Spielberg "Schindlers Liste" verglichen, der auf ähnlich riskante Weise gefährdeten Menschen half, wobei auch er die Habgier von Sicherheitsbeamten ausnutzte. Ohne dass ihm nach der Befreiung eine öffentliche Ehrung zuteil wurde, starb Otto Weidt 1947. Mitarbeiter seiner Bürstenfabrik bestätigen mit eidesstattlichen Erklärungen und warmherzigen Briefen, die in der Ausstellung gezeigt werden, ihm ihr Leben zu verdanken. Der israelische Staat ernannte Otto Weidt 1971 auf Initiative von Inge Deutschkron posthum zum "Gerechten der Völker". Die Ausstellung ist Montag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Informationen im Internet unter www.museum-blindenwerkstatt.de, Anmeldungen für Führungen unter 030/285 99 407.

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