"Keine Kartoffeln im Keller, keine Kohle im Sack, es lebe des 20. Jahrestag"

Über Witze und freche Sprüche konnten die DDR-Oberen überhaupt nicht lachen



Wer wollte, konnte das Titelblatt des "Eulenspiegel" als Hinweis auf Funktionäre
interpretieren, die wie der legendäre Kaiser ohne Kleider sind.




"Das ist Schikane, 'nem Bauarbeiter eine Neubauwohnung anzudrehn" , ruft der
Mann in Arbeitskluft dem Chef von der Wohnraumvergabe zu.




Stasi-Minister Erich Mielke sucht den besten politischen Witz. Hauptpreis: 10 Jahre Bautzen.
Einer seiner Leute fragt jemand auf der Straße: "Wie beurteilen Sie die politische
Lage?" Die Antwort lauten "Nun, ich denke…" Foto aus der Stasi-Ausstellung in Berlin-Lichtenberg.




Dass Volkseigene Betriebe gern auch als Selbstbedienungsladen abgesehen wurden,
war allgemein bekannt und wurde kritisch unter die Lupe genommen, ohne dass
sich grundlegend etwas geändert hat.



Adenauer und Strauß beten die Atomrakete an wie weiland die Heiligen Drei Könige
das Jesuskind im Stall von Bethlehem. (Repros/Foto: Caspar)

Wenn über sie gewitzelt wurde, waren die Genossen vom SED-Zentralkomitee, Regierungsmitglieder, Bezirkspotentaten und andere Funktionäre überhaupt nicht amüsiert. Selbst harmlose Sprüche über politische und persönliche Gebrechen von Pieck, Ulbricht, Honecker, Grotewohl & Co. wurden, sofern sie der Stasi und Polizei durch ihre Zuträger zu Ohren kamen, als Boykotthetze und Verunglimpfung des sozialistischen Staates hart bestraft. Die Nazis hatten es mit ihren Gesetzen vorgemacht, wie man solchem Spott begegnet, allerdings ging die NS-Justiz ausgesprochen blutig gegen Regimekritiker und Witzerzähler vor.

Witze können befreiend wirken, politische Witze sind vielfach hochgefährlich. Im Falle der beiden deutschen Diktaturen durften sie nicht zu weit gehen und an deren Grundfesten rütteln. Leichte Kritik war im DDR-Satireblatt "Eulenspiegel" und im Kabarett erlaubt. Man zeriss sich angesichts von bürokratischen Auswüchsen, frechen Kellner und gewissenloser Selbstbedienung im eigenen Betrieb das Maul und fand mit entsprechenden Glossen auch die Zustimmung der Parteizensoren. Kritik sollte stets aufbauend wirken, keineswegs aber die Gebrechen des Systems, die Verlogenheit der Parteitagsbeschlüsse und der Wirtschaftspläne, die Hohlheit des Parteichinesisch, die überall zu beobachtende Doppelzüngigkeit und falsche Moral und auch nicht die Eitelkeit und Unbeholfenheit der SED-Elite hinterfragen. Nicht erlaubt war, sich über die Partei, die Stasi, die Volksarmee und Polizei, aber auch über die oft unwürdigen Verhältnisse im Wohnungswesen und dem Umweltschutz und ganz allgemein über Korruption und Anarchie in den Ämtern aufzuregen. Auf keinen Fall durften die "führenden" Persönlichkeiten angegangen oder nachgeahmt werden. Auch war es nicht erlaubt, Polizisten durch den Kakao zu ziehen und sie Vollidioten abzustempeln, was aber in unzähligen Polizistenwitzen geschah. Schon gar nicht war es erlaubt, über den "großen Bruder", die Sowjetunion, herzuziehen und deren Unvermögen an den Pranger zu stellen, den Lebensstandard der Bevölkerung spürbar anzuheben. Die Lebenslüge vom antifaschistischen Schutzwall, wie in der DDR die am 13. August gebaute Berliner und innerdeutsche Mauer genannt wurde, sowie von der sozialistischen Menschengemeinschaft und auch die gebetsmühlenartige Beschwörung "Unsere Menschen" unterlagen ebenfalls einem Tabu, und wer sich über dieses hinweg setzte, bekam es mit der Justiz zu tun.

Umgemünzte Politparolen

In der Nachkriegszeit wurde bis zum Überdruss der Spruch "Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen" skandierte und in den Medien verbreitet. Das mögen viele Menschen im deutschen Osten ehrlichen Herzens geglaubt haben. Sie wussten, dass die Rote Armee einen überragenden Anteil an der Niederschlagung des NS-Regimes hatte, und das verlangte Dank und Respekt. Jenseits dieser Bewunderung für die große Subjektunion aber, wie man manchmal flüsterte, wurde der Slogan aber hinter der vorgehaltenen Hand mit Blick auf die Gebrechen des Sowjetsystems in des Spottvers "Von der Sowjetunion lernen heißt siechen lernen" umgemünzt. Ähnlich verfuhr man mit dem Refrain in einem FDJ-Lied, dessen Motto "Freundschaft siegt" zu "Freundschaft siecht" verändert wurde.

Mit der Übernahme der Macht durch Michail Gorbatschow 1985 in der Sowjetunion erhielt der Slogan eine neue, den SED-Politbürokraten höchst unangenehme neue Bedeutung. Der sowjetische Partei- und Staatschef war im Politbüro wie ein rotes Tuch, man verbat sich Belehrungen aus Moskau und behauptete, in der DDR werde der bessere Sozialismus praktiziert. Derweil entwickelte sich bei vielen DDR-Bewohnern ein regelrechter Gorbi-Kult, gegen den anzugehen die Staatsmacht ideologische Verrenkungen anstellte, denn offizielle galt die Sowjetunion als leuchtendes Vorbild. Höhepunkte der Anti-Gorbataschow-Kampagne waren das Verbot des sowjetischen Magazins SPUTNIK im Oktober 1988 sowie die Unterdrückung von sowjetischen Filmen und systemkritischer Literatur. Was sich wirklich in der Sowjetunion unter dem Stichwort Glasnost und Perestroika ereignete, erfuhr man in der DDR nur aus den Westmedien beziehungsweise aus illegal eingeführter oder insgeheim vervielfältigter Literatur.

Einige Witze und Spottverse seien hier stellvertretend für hunderte andere zitiert: "Spitzbart, Bauch und Brille, ist nicht des Volkes Wille" (Anspielung an Ulbricht, Pieck und Grotewohl auf Plakaten am 17. Juni 1953), "Keine Kartoffeln im Keller, keine Kohle im Sack, es lebe des 20. Jahrestag" (in Anspielung auf die Jubelfeiern 1969), "Kein Paradies ohne Schlangen" (Kritik an der schlechten Versorgungslage im Arbeiter-und-Bauern-Paradies DDR), das Versprechen "Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben" auf eine bessere Zukunft nach harter Arbeit wurde nicht geglaubt, weshalb die Umkehr "Wie wir heute leben (wohnen), werden wir morgen arbeiten" die Runde machte. Unter Anspielung auf den damals sehr bekannten und hochdotierten Maler Willi Sitte hieß es "Lieber vom Leben gezeichnet als von Sitte gemalt".

Für die Abkürzung DDR gab es unzählige von der offiziellen Diktion abweichende Auflösungen wie Der Dofe Rest, Der Diener Russlands sowie, auf die "führenden Persönlichkeiten" der frühen Jahre, Pieck, Ulbricht und Grotewohl, gemünzt, Drei Dofe regieren, Drei dofe Russen oder Drei Dofe rabotern, wobei das heute kaum noch gebrauchte Wort dof so viel wie dumm oder blöd bedeutet. Es kursierten auch Das Deutsche Reich, Dunkeldeutsches Reich, Dauernd Dunkle Räume, Demokratie der Russen oder Dumm Dof Rettungslos. Wer diese wenig schmeichelhaften Charakterisierungen aufgebracht hat, ist nicht bekannt. Aus der Agitationskommission des Zentralkomitees werden sie kaum stammen, obwohl sich all die Jahre das Gerücht hielt, dass dort die besten DDR-Witze erfunden werden. Das Deutsche Reich Dunkeldeutsches Reich, Deutscher Distrikt Russlands, Deutsche Dackel-Rennbahn, Demokratie der Russen, Deutschland der Relaisrechner (bezogen auf die rückständige Technik), Deutsche Dampf-Rodler (nach dem Rennrodelskandal von Ortrun Enderlein bei den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble; Aberkennung der Medaille wegen angeblichen Erhitzens der Kufen.)

Keiner macht was er soll, aber alle machen mit

"Mach mit" war das Motto einer von der SED gesteuerte Kampagne, um möglichst viele DDR-Bewohner für Initiativen und Anstrengungen am Arbeitsplatz, aber auch im Wohngebiet und persönlichen Umfeld zur Planerfüllung und Leistungssteigerung zu gewinnen. Wie stets bei solchen Unternehmungen kehrte sich die Mach-mit-Bewegung wegen ständiger Aufrufe und penetranter Berichterstattung in den Medien, aber auch weit verbreiteter Lustlosigkeit und Orientierung auf private Probleme ins Gegenteil. So war es nicht verwunderlich, dass der Partei wenig genehme Sprüche wie "Jeder macht was er kann, keiner macht was er soll, aber alle machen mit" die Runde machten. "Im Mittelpunkt steht der Mensch" war eine schöne, aber nicht realisierbare Losung in der DDR. Je öfter diese eigentlich überflüssige, weil für ein sich Arbeiter-und-Bauern-Staat nennendes Gemeinwesen selbstverständliche Absichtserklärung beschworen wurde und auf Plakaten stand, umso schwieriger war es, sie in die Tat umzusetzen. Hätte man die Parole ernst genommen, dann hätte man die DDR in einen wirklichen demokratischen Staat verwandelt und die Alleinherrschaft der SED abgeschafft, die von sich behauptete, die Avantgarde zu sein und für alle zu sprechen. Unter den obwaltenden Bedingungen aber war jener Spruch nur eine leere Worthülse, die nur noch Witzemacher zu müden Späßen animierte.

Ein Lehrer fragt Fritzchen: "Nun erkläre mir mal den Unterschied zwischen einem Kapitalisten und einem Kommunisten." Sagt Fritzchen: "Die Kapitalisten lieben das Geld und die Kommunisten die Menschen." - "Sehr gut, und woran erkennt man das?" - "Das erkennt man daran, dass die Kapitalisten ihr Geld unter Verschluss halten und die Kommu…" - "Danke Fritzchen, das genügt!" "Warum gibt es in der DDR fast keine Bankräuber?" - "Weil sie 15 Jahre auf das Fluchtauto warten müssen und sowieso nicht weg kommen." - Drei Männer unterhalten sich im DDR-Knast. Der eine fragt: "Was macht ihr hier?" - "Ich bin fünf Minuten zu spät zur Arbeit gekommen, das war Sabotage." - Der andere: "Ich bin fünf Minuten zu früh zur Arbeit, das war Spionage. Und Du?" - "Ich kam immer pünktlich, da haben sie gemerkt, dass ich eine Uhr aus dem Westen hatte." - Ein Betrunkener fragt in der Kneipe einen Unbekannten: "Kennst Du den Unterschied zwischen meinem Bier und Honecker?" Der Unbekannte verneint. "Mein Bier ist flüssig und Honecker ist überflüssig." Sagt der Fremde: "Ich habe auch mal eine Frage. Kennen Sie den Unterschied zwischen Ihrem Bier und sich selbst?" "Nein." "Ihr Bier bleibt hier, und Sie kommen mit…" - Wird einer von der Volkspolizei angehalten: "Können Sie sich ausweisen?" Staunt der andere: "Kann man das jetzt auch selber?" - "Was ist der Unterschied zwischen Spanien und der DDR?" "Über Spanien lacht die Sonne, über die DDR lacht die ganze Welt." "Wer sind die größten Länder der Welt mit U?" "Klar, die USA, die UdSSR und Unsere DDR". - "Was ist aus der DDR in 50 Jahren geworden?" "Ein zänkisches Bergvolk am Rande von China." - "Was sagt man über Ulbricht im Jahr 2000?" "Sächsischer Mundartsprecher zu Zeiten des Großen Mao". - "Anfrage an den Sender Jerewan. Darf ein junger Genosse die Partei kritisieren?" "Im Prinzip ja, aber es wäre doch schade um den jungen Genossen." - "Kann die Partei irren?" Im Prinzip ja, ab er sie irrt nie!" "Woher wissen Sie das? "Wir haben die Partei gefragt." "Was wäre passiert, wenn Ulbricht statt Kennedy ermordet worden wäre?" "Keine Ahnung, aber Onassis hätte Margot bestimmt nicht geheiratet".

Bei Hetze gegen den Westen wenig pingelig

Bei der Hetze gegen die verhasste Bundesrepublik Deutschland und generell das imperialistische System war man in der DDR wenig pingelig. Hier konnte die Lüge nicht dick genug sein. Da wurde schon mal Bundeskanzler Konrad Adenauer gemeinsam mit Franz Josef Strauß gezeichnet, wie sie eine Atomrakete in der Krippe anbeten, Bundeskanzler Willy Brandt wird mit einem Glas Schnaps in der Hand als "Willy Weinbrand" verunglimpft. Nazis treiben überall in der BRD, so die in der DDR verwendete Abkürzung, ihr Unwesen. Der Dritte Weltkrieg kommt in Gestalt von so genannten Ostlandreitern daher, US-Generale und solche der Bundeswehr bringen ihre Atomwaffen gegen das friedliche sozialistische Lager in Stellung. Auch die Nazis drehten voll auf, wenn es gegen Juden, Neger, Bolschewisten, Undeutsche und Entartete ging, doch wehe, wenn sich jemand die eigenen Nazis genauer unter die Lupe nahm und eine freche Lippe riskierte - prompt war die Gestapo zur Stelle, und das Zuchthaus oder Konzentrationslager nicht weit, wenn das Regime nicht noch Schlimmeres verfügte.

11. September 2016 Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"