Spandau als Waffenschmiede und Filmstandort

Ausstellungen auf der Zitadelle laden zum Rundgang durch die Stadt- und Landes- und Kulturgeschichte ein



Die aus dem 16. Jahrhundert stammende Zitadelle gehört zu den
herausragenden Bau- und Kulturdenkmalen in Spandau und damit auch in Berlin.




Die grünglasierte Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert
mit dem Bildnis einer Markgräfin wurde bei Ausgrabungen
auf dem Spandauer Reformationsplatz gefunden.




Die Haushaltgeräte stammen aus der Zeit, da man sich in Spandau
von der Kriegs- auf die Friedensproduktion umstellte.




Eine kleine Sammlung historischer Filmplakate zeigt, was in
den CCC-Studios auf der Insel Eiswerder produziert wurde. (Fotos: Caspar)

Die im 16. Jahrhundert nach Plänen des italienischen Festungsbaumeisters Rochus von Lynar erbaute Zitadelle Spandau ist nicht nur die am besten erhaltene Anlage dieser Art weit und breit, sie ist auch ein beliebtes Touristenziel und besitzt ein sehenswertes Museum mit Zeugnissen aus der Geschichte der bis 1920 selbstständigen Stadt Spandau. Berichtet wird unter anderem über das Befestigungsprogramm der brandenburgischen Kurfürsten im 16. und 17. Jahrhundert, die die Festungen Spandau, Peitz und Küstrin bauen ließen. Ursprünglich hatten die Hohenzollern ihren Herrschaftsbereich mit mehr als diesen drei Anlagen schützen wollen. Doch hinderten sie finanzielle Schwierigkeiten an der Ausführung des ehrgeizigen Plans. Im Rahmen der Reformation eingezogene Kirchenschätze und -güter wurden ebenso zur Bezahlung des Baus von Wällen und Türmen, Gräben, Gewölben und Bastionen verwandt wie Sondersteuern, die den Ständen und Städten auferlegt wurden.

In seiner Ausstellung "Hinter jedem Objekt ist eine Geschichte verborgen - Spannendes und Rätselhaftes aus dem Magazin" präsentiert das Stadtgeschichtliche Museum im historischen Zeughaus auf der Spandauer Zitadelle interessante Zeugnisse aus der wechselvollen Geschichte der Festungsstadt, die erst 1920 gegen den Willen der Einwohner Teil der Reichshauptstadt Berlin wurde. Zu sehen sind auf zwei Etagen unter anderem Hinterlassenschaften von Handwerkern und Manufakturen, aber auch archäologische Fundstücke sowie Relikte längst verschwundener Bauwerke sowie Bilder und Dokumente, die über Spandau als Rüstungsstandort Auskunft geben. Da der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. bei der Bewaffnung seiner Armee von Waffen von anderen Ländern nicht mehr abhängig sein und das Geld zuhause behalten wollte, richtete er in Potsdam und Spandau Gewehrfabriken ein.

Nachdem der preußische Staat privat geführten Unternehmen 1852 in eigene Regie genommen und in Spandau konzentriert hatte, avancierte die Stadt zu einem Rüstungsstandort der Extraklasse. Im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) wurden vom damals meistgenutzten deutschen Gewehr Nummer 98 rund eine Million Stück hergestellt, ist beim Rundgang zu erfahren. Waren vor diesem bis dahin schlimmsten aller Kriege rund 14 000 Personen in Spandauer Rüstungsbetrieben beschäftigt, so stieg diese Zahl bis 1917 auf 66 000. Allerdings machten die Bestimmungen des Versailler Vertrags nach dem verlorenen Krieg diesem Industriezweig ein schnelles Ende. Es kam zu massenhaften Entlassungen und zur Umorientierung auf andere, friedliche Produktionen wie Autos und Motorräder sowie Elektrogeräte.

Über die Spandauer Wirtschaftsgeschichte sind im Zeughaus interessante Exponate ausgestellt, so auch Fotos, Plakate und Utensilien zur Geschichte von Spandau als Filmstadt. Der Filmproduzent und Holocaust-Überlebende Artur Brauner hatte 1950 auf der Insel Eiswerder die CCC-Studios eingerichtet und stieg mit seinen Musik- und Unterhaltungsfilmen, aber auch Historiendramen zu einem der erfolgreichsten Filmproduzenten der Nachkriegszeit auf. 48 seiner Angehörigen und Freunde waren von den Nazis ermordet worden, und so nimmt es nicht wunder, dass Holocaust und Widerstand eine herausragende Rolle im Themenspektrum der CCC-Studios spielten. Unlängst hat der fast 98 Jahre alte Brauner dem Jüdischen Museum Berlin 21 Filme zu den Themen Holocaust und Nationalsozialismus gestiftet. In der Bibliothek dieses Museums an der Lindenstraße im Bezirk Kreuzberg sind die Filme öffentlich zugänglich. Sie spielen in der historischen Bildungsarbeit des Museums eine wichtige Rolle. Unter den Streifen befinden sich der mit einem Oscar prämiierte Film "Der Garten der Finzi Contini" von 1970, der mit dem Golden Globe ausgezeichnete Streifen "Hitlerjunge Salomon" von 1990 und Romy Schneiders letzter Film "Die Spaziergängerin von Sans Souci" aus dem Jahr 1982.

In der Exerzierhalle neben dem Zeughaus sind historische Geschütze, Helme, Fahnen und weitere Militaria ausgestellt. Die Kanonen, Haubitzen und Mörser wurden von brandenburgischen und preußischen Soldaten erobert und im Berliner Zeughaus Unter den Linden als Trophäen präsentiert. Wegen ihres besonderen historischen und künstlerischen Wertes hat man die schwergewichtigen Bronzen nicht wie üblich zur Herstellung neuer Geschütze eingeschmolzen, sondern als Andenken an heroische Zeiten aufgehoben. Während der Kaiserzeit hat man die Geschütze in dem zur preußisch-deutschen Ruhmeshalle umgestalteten Zeughaus dem staunenden Publikum vorgeführt. Außer den reich mit Wappen, Herrschermonogrammen sowie lateinischen und deutschen Sprüchen geschmückten Kanonen aus dem 16. bis frühen 20. Jahrhundert und weiteren Waffen präsentiert die Ausstellung auch militärgeschichtlich interessante Grafiken, Dokumente, Fotos und andere Erinnerungsstücke.

In der Exerzierhalle warten Relikte von der Berliner Siegesallee auf ihren Umzug in ein weiteres Museum, das im April 2016 auf dem Gelände der Zitadelle eröffnet werden soll. Das nach dem lateinischen Wort lapis für Stein bezeichnete Lapidarium gibt lange vergessenen und vielfach in ihrem künstlerischen und historischen Wert auch unterschätzten Zeugnissen der Kunst- und Kulturgeschichte vor und nach 1900 ein neues Zuhause. Das "Museum der Steine" erhält in einer ehemaligen Kaserne und einem früheren Proviantmagazin ein neues Zuhause. Um die überlebensgroßen Skulpturen aus Marmor, Granit, Sandstein und Bronze angemessen aufstellen zu können, mussten in beiden Gebäude die Deckenhöhen verändert und Fußböden verstärkt werden. Außerdem erhielten beide Ausstellungshäuser eine moderne Museums- und Beleuchtungstechnik.

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