Streitbarer und umstrittener Kirchenmann

Ausstellung in der Staatlichen Münze Berlin mit DDR-Medaillen von 1967 sowie Entwürfen von heute



Die Ausstellung in der Staatlichen Münze Berlin widmet sich in einer bis Oktober 2017
laufenden Ausstellung dem Thema Martin Luther und die Reformation.






Nach dem von Patrick Niesel geschaffenen Gipsmodell werden demnächst die neuen
Zwanzig-Euro-Münzen geprägt (oben). Aus dem Jahr 1967 stammt das Gipsmodell
für eine Medaille mit der Ansicht der Wittenberger Schlosskirche, an deren Portal
1517 Luthers Thesenpapier angeschlagen worden sein sollen.




Derv Bildhauer und Münzgestalter Patrick Niesel, Betriebsleiter Andreas Schikora
und Helmut Caspar, der Autor dieser Internetseite, freuen sich über die
neue Ausstellung und wünschen ihr viele Besucher. (Fotos: Caspar)

Kaum eine Gestalt der Religionsgeschichte wurde so oft auf Münzen und Medaillen dargestellt wie Martin Luther. Indem Länder und Städte seit dem 17. Jahrhundert Jubiläumsmünzen und -medaillen aus Silber und Gold prägten, unterstrichen sie ihre Zugehörigkeit zur Lutherschen Lehre und den festen Willen, diesen ihren Glauben vor gegenreformatorischen Bestrebungen der katholischen Kirche und ihrer weltlichen Helfer zu verteidigen.

Blickt man auf die Lutherjubiläen der vergangenen Jahrhunderte zurück, dann fallen die Jahre 1617, 1718, 1817 und 1917 ins Auge, und stets hat man anlässlich dieser Säkularfeiern des Thesenanschlags vom 31. Oktober 1517 an der Schlosskirche zu Wittenberg auch Münzen und Medaillen geschaffen. Ähnlich wurde an die Geburt des streitbaren Reformators 1483 und seinen Tod 1546 erinnert. Auch heute wird Luthers gedacht. Vom Reformationstag 2016 bis zum Reformationstag 2017 wird auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln Luthers und der von ihm vor 500 Jahren durch den legendären Thesenanschlag an das Portal der Schlosskirche zu Wittenberg Erneuerung der katholischen Kirche gedacht.

Schemenhaftes Porträt und die 95 Thesen

Es wird 2017 mehre Luthermedaillen sowie Luthermünzen aus Silber, Neusilber und auch aus Gold geben. Sie gesellen sich zu den zahllosen Prägungen und Gussstücken mit dem Bildnis des Reformators und anderen Motiven, die im vergangenen halben Jahrtausend zum Thema "Martin Luther und die Reformation" hergestellt wurden. Viele Stücke feiern den Wittenberger Mönch und Professor, und andere verteufeln ihn. Viele dieser oft sehr kostbaren, ja einmaligen Stücke können in der Wittenberger Lutherhalle betrachtet werden, dem ehemaligen Wohnhaus von Martin Luther und seiner Familie. In seltener Vollständigkeit werden Modelle für die Gedenkmünze zu 20 Euro gezeigt, die für den künstlerischen Wettbewerb eingereicht wurden. Als erster Preisträger sprach der Bildhauer und Münzdesigner Patrick Niesel über eine Intentionen, den einem Porträt von Lucas Cranach dem Älteren nachempfundene udn schemenhaft aufgefasste Kopf des Reformators mit dessen 95 Thesen zu kombinieren.

Was in den vergangenen 50 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zum Thema Luther und die Reformation geschaffen wurde, zeigt eine bis Oktober 2017 laufende Ausstellung in der Staatlichen Münze Berlin. Sie präsentiert unter anderen die Modelle für das dem Reformationsjubiläum 2017 gewidmete Zwanzig-Euro-Stück. Zu sehen ist auch der Entwurf von Patrick Niesel, der in den nächsten Wochen in Berlin geprägt wird. In den Vitrinen liegen ferner Silbermedaillen und Gipsmodelle einer Serie, mit der die DDR 1967 an den 450. Jahrestag der Reformation erinnert hat. Das Gedenken stand damals unter keinem guten Stern. In der DDR tobte ein heftiger Kirchenkampf, den die Staatspartei SED unter ihrem Vorsitzenden Walter Ulbricht gegen christliche Gemeinden führte, während sich in der Bundesrepublik Deutschland die Vorboten der Studentenrevolte von 1968 die Festlichkeiten überlagerten.

Das vierhundertfünfzigjährige Reformationsjubiläum von 1967 wurde in der DDR von staatlicher Seite benutzt, um die von Luther initiierte Erneuerungsbewegung innerhalb der Kirche auf seinen Beitrag zur frühbürgerlichen Revolution von 1525 seine Leistungen für die Bibelübersetzung und die Ausbildung der deutschen Sprache zu reduzieren. Da die Feierlichkeiten in die Zeit fielen, als in der DDR der 50. Jahrestag der Oktoberevolution von 1917 begangen wurde und sich die DDR-Führung mit dem großartig inszenierten Gedenken dem "großen Bruder" Sowjetunion empfahl, standen die Reformationsfeierlichkeiten unter hohem Konkurrenz- und Zeitdruck.

Bei der generellen Kirchenfeindlichkeit des Arbeiter-und-Bauern-Staates erstaunt es, dass 1967 mit Billigung, wenn nicht auf Initiative der Regierung, eine mehrteilige Medaillenserie aus Silber herausgebracht wurde, die zwei Porträts von Martin Luther als Mönch mit Tonsur sowie als bärtiger Junker Jörg und das seiner Frau Katharina von Bora zeigt. Weitere Medaillen bilden die Eltern des Reformators Hans und Margarethe Luther sowie die Lutherstätten in Wittenberg (Thesentür und Schlosskirche) und auf der Wartburg (Gesamtansicht, Burgtor und Lutherstube) ab. Zur Serie gehören des weiteren Luthers Verhör von 1521 beim Reichstag zu Worms und eine Medaille zum Gedenken an den Führer des Bauernkrieges Thomas Müntzer, der 1525 vor den Toren der Reichsstadt Mühlhausen auf Befehl der siegreichen Fürsten hingerichtet wurde. Die Signatur GL auf einigen Medaillen weist Gerhard Lichtenfeld als Gestalter aus.

Der Zufall wollte es, dass 1967 das neunhundertjährige Jubiläum der Wartburg begangen wurde, weshalb dieses berühmte Bau- und Kunstdenkmal bei Eisenach in der Serie von 1967 dreimal vertreten ist. Die Wartburg sah zu Luthers Zeiten bescheidener aus. Erst unter der Herrschaft der Großherzöge von Sachsen-Weimar und Eisenach erhielt sie innen und außen seine heutige, dem Historismus verpflichtete Gestalt. Zum Glück wurde diese Fassung des 19. Jahrhunderts bei der Restaurierung der Wartburg nicht angetastet, so dass Besucher die umstrittene Dekoration gut studieren können.

Gedenmünzen von 1983 in beiden deutschen Staten

Zu einer Gedenkmünze haben sich beide deutsche Staaten 1967 nicht aufraffen können. Erst 1983 beteiligte sich die DDR mit einem silbernen Zwanzig-Mark-Stück am Gedenken an den 500 Jahre zuvor, am 10. November 1483, in Eisleben geborenen Luther. Da bekannt war, dass auch die Bundesrepublik Deutschland zum gleichen Anlass eine Fünf-Mark-Münze herausbringen will, konnte und wollte man im zweiten deutschen Staat bei der numismatischen Lutherehrung nicht hinterher hinken.

Die Ausstellung bleibt nicht bei Luther und der Reformation stehen, sondern zeigt auch eine Serie von Gedenkmünzen zu anderen Themen sowie Medaillen, die der VEB Münze der DDR beziehungsweise die Staatliche Münze Berlin anlässlich der Reformationsjubiläen 1967, 1983 und 2017 herausgebracht hat. In einer weiteren Vitrine wird auch gezeigt, wie der Werdegang einer Münze oder Medaille vom Modell über die Stempelgravur bis zur Ausprägung verläuft. Das Betriebsmuseum und der Verkaufsshop der Staatlichen Münze Berlin an der Ollenhauerstraße 97 im Ortsteil Reinickendorf ist bei kostenlosem Eintritt Montag bis Freitag von 10.00 bis 16.00 Uhr geöffnet.

31. Oktober 2016

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